Glaubt ihr, nur Feiglinge werden alt?
Ich habe irgendwie diese Theorie im Kopf, seitdem ich ein kleines Kind war.
Jedes Mal, wenn ich jemanden sehe, der richtig alt ist (vielleicht ab 75), stelle ich mir vor, wie er einfach so durchs Leben kam, ohne Risiken einzugehen. Es sei Alkoholverzicht oder gesünderes Essen. Das macht natürlich kein Feigling aus, aber so allgemein kann man das schon sagen. Wenn man alle Finger/Körperteile noch hat, ohne Narben, noch nie Unfall in seinem Leben hatte usw.
Natürlich noch Krankheiten, die aber auch zum größten Teil mit gesünderem (langweiligem Leben) nicht vorkommen. Andere, die sich richtig getraut haben, das Leben bis zum Limit zu genießen und keine Angst davor hatten, alle Risiken einzugehen, altern nicht, aber dafür haben sie auch wirklich gelebt und nicht nur existiert. Was haltet ihr davon?
Das Ergebnis basiert auf 35 Abstimmungen
11 Antworten
Nur mal so angemerkt: Mein Stiefvater ist dieses Jahr 81 Jahre alt geworden und noch bei verhältnismäßig guter Gesundheit. Trotzdem würde ich zu keiner Zeit annehmen, dass er jemals ein Feigling war. Er hatte bis zur Rente handwerkliche Berufe ausgeübt, in der DDR hat er eine Diesellok gefahren, gewartet und wenn nötig repariert. Ich war damals sogar selbst manchmal bei seinem Arbeitsplatz. Nach der Wiedervereinigung, nachdem das betreffende Drähnrohrwerk geschlossen und dadurch sowohl mein Stiefvater, als auch meine Mutter, die dort im Büro gearbeitet hat, entlassen wurden, arbeitete er als Maler und Maurer weiter und sie als Bürokraft in einer Wohnungsbaugesellschaft. Auch wenn vielleicht ein Bürojob direkt keine Risiken zu haben scheint, weiß man gerade beim Umgang mit Kunden nie, wie die so drauf sind, besonders wenn ein Mieter wegen Mietschulden verzweifelt ist und ein gewisses Aggressionspotential hat. Und was meinen Stiefvater angeht, so ist der auch nicht mehr komplett "vollständig", denn eine Daumenkuppe hat er mal bei der Arbeit verloren. So weit zum langen Leben und Feigheit, weil man keine Risiken eingehen würde. Ich selbst bin zwar erst 45 Jahre alt, aber auch ich habe schon Abnutzungserscheinungen, bzw. meine Narben. Wenn ich aber an einen früheren Klassenkameraden denke, der sich vor etwa 20 Jahren sein Auto von einem Brückengeländer zerteilen lassen musste, nur um eine S-Kurve, die nicht umsonst damals schon eine 70-km/h-Begrenzung hatte, mit locker der doppelten Geschwindigkeit durchfahren zu können, dann hat das nicht mit Mut, sondern mit grenzenloser Selbstüberschätzung, Dummheit und insbesondere Leichtsinn zu tun. Als das, was von ihm übrig war zu Grabe getragen wurde, Taten mir nur seine Eltern leid, die durch diesen völlig unnötigen Unfall ihr einziges Kind verloren hatten.
Wer also meint, dass nur Feiglinge alt werden, verwechselt offenbar Mut mit Dummheit und Leichtsinn, sofern ein früher Tod, ob beabsichtigt, als Selbstmord, oder unbeabsichtigt, durch einen leichtfertig in Kauf genommenen Unfall eingetreten ist. Denn man kann durchaus auch Risiken eingehen und diese hinreichend erkennen um entsprechend vorsichtig diese zu überwinden. Bei meiner letzten Anstellung musste ich auch einige Risiken eingehen, und wenn ich es genau nehme, ist es auch bei meiner gegenwärtigen Anstellung nicht anders, aber deshalb muss ich nicht zwangsläufig verletzt werden oder gar draufgehen. Wenn ich ein Feigling wäre, hätte ich weder meine vorherige Anstellung angenommen noch meine gegenwärtige, denn in beiden arbeite ich in der Nähe von befahrenen Gleisen, wobei ich gegenwärtig zudem noch bei Baustellen Strom an Oberleitung bzw. Stromschnellen abschalten lasse und betreffende Baustellen durch Erdungsseile bzw. Kurzschließer sichere.
Also mein Großvater wurde 87. Er hat teilweise den Hof seiner Eltern alleine erst vor den Russen, dann von den Tschechen verteidigen müssen, als die Russen den Dachstuhl angezündet haben, hat er noch seine Schwester aus dem Haus geholt, die dort schlief. Während des Krieges hat er Menschen über die Grenze geschmuggelt, Leute, die sonst interniert worden wären...
Wenn das also feige ist?
Mein Großvater ist Risiken eingegangen, er hat beruflich Karriere gemacht, wäre hier nicht nur einmal beinahe draufgegangen und er hat sich von kleinauf nie geschont...
Und nur weil er 87 wurde, seit seinem 84. Lebensjahr 3x wöchentlich zur Dialyse musste, um überhaupt noch einen Tag weiterzuleben und im Garten arbeiten zu können, nennst du ihn feige...nur weil er nicht mit 60 umgefallen ist.
Sagst du das einem Holocaustüberlebenden auch, der jetzt bspw. 90 ist, dass er, nur weil er 90 ist, ein Feigling ist?
Ich kenne Frauen, die haben ihr Leben nicht bis zu ihrem Limite genossen, und waren trotzdem alles andere als Feiglinge. Im Gegenteil.
Ruth Pfau - deutsche Ordensschwester im muslimischen Pakistan
Dr. Ruth Pfau rettete rund 50.000 LebenMehr als 50.000 Leprakranke wurden dank ihrer Arbeit gerettet. Lepra gilt in Pakistan als weitgehend besiegt. Pfau war damals die erste, die sich traute der Krankheit den Kampf anzusagen.
https://www.youtube.com/watch?v=j16doqrfQYI
Rosi Gollmann - andheri-hilfe - 1.000.000 Augenoperationen in Bangladesch
Dabei wird die Grande Dame deutscher Indien- und Bangladesch-Hilfe an diesem Sonntag 92 Jahre alt.
„Wenn ich meinem langen Leben eine Überschrift geben soll, dann lautet sie: Den Menschen zugewandt“, sagt Gollmann. „Das ist für mich heute noch der Inhalt eines jeden Tages.“ Den Vorsitz ihres Vereins hat sie 2001 an Elvira Greiner weitergegeben. Doch immer noch führt Gollmanns erster Weg morgens zum Computer. Warten E-Mails aus den Partnerländern auf sie? Gibt es Neues über die Hilfe zur Selbsthilfe für die Ärmsten der Armen? Für die Straßenkinder, für Frauen, denen man Rechte und Würde aberkennt, für die Blinden in Bangladesch oder Menschen mit Behinderung und nicht zuletzt für die vom Klimawandel hart Betroffenen? „Für sie darf ich weiterhin von morgens bis abends tätig sein.“ Das ist also schon mal klar gestellt. Rosi Gollmann tritt auch mit 92 Jahren noch nicht kürzer.
https://ga.de/bonn/stadt-bonn/bonnerin-rosi-gollmann-will-weiter-engagiert-helfen_aid-44065527
https://www.youtube.com/watch?v=mCXvGBGUnZc
Maggie Gobran war Informatikprofessorin. Sie hatte den Reichtum, den sich viele wünschen. Dann gab sie alles auf, um für die Müllkinder und deren Familien da zu sein. Zum Leben sagt sie:
"Ich ging in den Luxushotels und Nobelrestaurants ein und aus, doch die wertvollsten und kostbarsten Momente des Lebens habe ich nicht dort erlebt, sondern in der Müllstadt. Ich traf während meiner Karriere die Elite Ägyptens: die Schönsten, Reichsten und Erfolgreichsten. Aber wenn meine Kinder mich mit ihren glücklichen Gesichtern anstrahlen, sehe ich innere Schönheit aufblitzen. Das ist ein Geschenk des Himmels, denn der Himmel ist geprägt von Liebe, Freude und Barmherzigkeit. Wenn ich bei den Ärmsten bin, kann ich oft ein Stück von diesem Himmel erkennen. Alles, was du weggibst, wirst du wieder erhalten, alles, was du behältst, wirst du verlieren. Wenn du Liebe verschenkst, wirst du Liebe bekommen, wenn du Freude austeilst, kommt Freude zurück."
Wir sagen in der Therapie immer: alt werden und alt sein ist nichts für Feiglinge!
Die älteren Menschen haben meistens schon sehr viel durch gemacht und sind alles andere als Feiglinge.
Du kennst wohl nicht viele alte Leute.. viele haben auch Risiken eingegangen und leben trotzdem. Nicht jedes Risiko bedeutet gleich Leben oder sterben
Das Altern wird genetisch ausgesteuert und hängt nur bedingt vom Lebensstil ab.
Helmut Schmidt hat z.B. gequalmt wie ein Schlot und ist weit über 90 geworden.
Ja natürlich, aber sie haben auch vieles vermieden, was sie jetzt aber bereuen, weil es eben eine gewisse Gefahr mit sich gebracht hätte. Weißt du wie ich meine?