Findet ihr dieses Argument von Liberalen / Konservativen / Rechten auch so dumm?

8 Antworten

Ja, Liberale legen sich nun mal zur Rechtfertigung der kapitalistischen Verhältnisse eine utopische Fantasiewelt zurecht, in der alle Vertragspartner ihre Entscheidungen in völliger Freiheit und Gleichheit treffen und Zugang zu allen Informationen haben. In der Realität bestehen aber natürlich überall Zwänge und Abhängigkeiten, formale rechtliche Gleichheit garantiert noch keine reale Gleichheit, und ungleicher Tausch ist die Regel statt die Ausnahme.

Eine Wohnung mietet man nicht einfach aus Spaß, sondern weil man ein Dach über dem Kopf braucht, und das in der Regel dringend, und eine Arbeitsstelle tritt man an, um mit dem Lohn seine elementaren Grundbedürfnisse befriedigen zu können. Auf der anderen Seite besitzt der Mieter Wohnraum, den er selbst nicht zum Leben braucht, sondern der als Ware Rendite abwerfen soll, und für den er hunderte verzweifelte Interessenten finden kann.

Aus dieser ungleichen Lage ergibt sich ein Machtverhältnis, denn es ist der Vermieter, der die Bedingungen weitgehend diktieren kann, und wer damit nicht einverstanden ist, dem droht die Obdachlosigkeit. Ein unter solchen Bedingungen abgeschlossener Vertrag kann ebenso wenig als freiwillig gelten wie einer, der unter Erpressung oder direkter Androhung von Gewalt abgeschlossen wurde. Der einzige Unterschied ist der, dass einem nicht vom Vermieter selbst ein Leid angetan wird, sondern dass die stummen, unpersönlichen Verhältnisse für ihn erledigen.

Der Vertrag im bürgerlichen Recht dient dann dazu, dieses Machtverhältnis zu legitimieren und zu zementieren. Vertragsbruch wird vom Staat, der ein bürgerlicher Klassenstaat ist, geahndet. Formal gilt das wieder sowohl für den Mieter als auch den Vermieter, aber real sieht es wieder ganz anders aus.

Wer hat wohl die höhere Motivation, einen Vertrag überhaupt zu verletzen? Der Mieter, der ihn unter stummem Zwang zu nachteiligen Bedingungen unterzeichnet hat? Oder der Vermieter, der den Vertrag zu seinem eigenen Vorteil ausgestalten konnte?

Wer hat die besseren Möglichkeiten, einen Rechtstreit zu gewinnen? Der Mieter, der immerhin so arm ist, dass er zur Miete wohnen und vermutlich Vollzeit arbeiten muss? Oder der Vermieter, der mit seinem Geld die besten Anwälte bezahlen kann, um ein Verfahren hinauszuzögern, bis der anderen Seite das Geld und die Kraft ausgeht?

Für wen ist die Ahndung eines Vertragsbruchs wohl existenzbedrohender? Für den Mieter, der im Zweifel von der Polizei in die Obdachlosigkeit geprügelt wird? Oder für den Vermieter, der schlimmstenfalls eine Minderung seines Profits hinnehmen muss?

Wer diese rechtliche Absicherung der Verträge als gerecht bezeichnet, wird wohl auch sagen, dass es völlig gerecht ist, wenn einem Obdachlosen und einem Milliardär gleichermaßen verboten ist, unter einer Brücke zu schlafen, Grundnahrungsmittel zu stehlen oder in der Fußgängerzone zu betteln, denn schließlich gilt das Verbot für beide gleichermaßen.

Ja natürlich ist es dumm. Denn sie wollen Kohle mit Wohnungen machen und aus uns allen feudalistisch das letzte herauspressen. Dabei sind wir alle eine Gesellschaft und wir Steuerzahler sind zusammen eine nicht zu verachtende Macht. Es gab in den 1970ern und 1980ern einmal eine Mietgemeinnützigkeit, die Helmut Kohl abgeschafft hat. Das setzte die massive Mietenspirale in Bewegung. Es ist die pure Geldgier, die die Menschen mit Besitz oder Unternehmen treibt. Jegliche Reglementierung und Fairness nervt sie natürlich.

Ich finde deinen Text ziemlich anmaßend.

Die Kritik an den Mieterschutzmassnahmen ist, dass sie das Bauen und vermieten uninteressant machen und wir deswegen zu wenig Wohnungen haben.

Die Kritik am Mindestlohn ist, dass die Arbeitsleistung mancher Leute das Geld nicht mehr wert ist, das gezahlt werden muss und diese deswegen keine Anstellung mehr finden.

Insofern ist das ein Thema, das man durchaus diskutieren kann.


DiegoderAeltere  08.06.2025, 12:13

Und kommt dir da vielleicht in den Sinn, dass ein System problematisch und menschenfeindlich ist, wenn darin Bauen und Vermieten von Wohnraum uninteressant werden, sobald erträgliche Bedingungen für die Mieter eingehalten werden müssen?

Oder wenn Unternehmen nur dann wirtschaften können, wenn sie ihren Arbeitern einen nach unten nicht abgesicherten Hungerlohn zahlen?

Mcdh4 
Beitragsersteller
 08.06.2025, 00:09

Deshalb habe ich extra erwähnt dass es mir nicht darum geht wenn man das inhaltlich kritisiert sondern immer dieser Aussage "man muss den Arbeits- oder Mietvertrag ja nicht unterschreiben wenn man mit den Bedingungen nicht einverstanden ist". Da finde ich halt: wenn man ein wenig den Kopf einschaltet müsste man feststellen dass man bei einem Mangel an Wohnraum oder Arbeitsplätzen (auch wenn letzteres eher theoretisch ist) eben doch mehr oder weniger gezwungen ist den entsprechenden Vertrag für den gegebenen Bedingungen zu unterschreiben und das viel zu einfach gedacht ist.

Fassadept  08.06.2025, 00:39
@Mcdh4

Liegt das nicht in der Natur der Sache, dass man bei jedem Einzelargumenten ~den Kopf mehr oder weniger einstellen könnte, und feststellen, dass es Gegenargument B nicht entkräftet~ ... jedenfalls solange es nicht identisch mit der gesamten Position ist, die man teilt?
Dich mag vielleicht stören, dass dieses Argument so wenig abdeckt, dass es dir als ineffizient erscheint, oder nicht das klärt, was du gerade geklärt sehen möchtest - aber das ist völlig kontextabhängig und kein generelles Problem, welches man hier unbedingt sehen muss.

Dass man schlichtweg keine Wahl hat wenn man keine andere Wohnung findet oder angeboten bekommt, das ist ihnen intellektuell dann offenbar zu hoch.

Erstmal, ich finde es viel schlimmer in einer Diskussion berechtigte Einwände als dumm abzustempeln, nur weil die nicht mit der eigenen Meinung im Einklang sind. Das kommt alles irgendwann wieder zurück, wenn es genug Nachahmer aus allen politischen Richtungen gibt, inklusive Nicht-Linke.

Bestimmte Maßnahmen wie die Mietpreisbremse verringern das Angebot der frei verfügbaren Wohnungen. Die vermeintlichen Lösungsansätze werden zum Problemverursacher.

Mietpreisregulierungen reduzieren das Mietwohnungsangebot deutlich. Berechnungen für den Berliner Mietendeckel zeigen, dass sich die Zahl der inserierten Wohnungen um mehr als 50 Prozent reduziert. Allgemein ist der Grund für die Reduktion der Mietwohnungen auf die Ausweichreaktionen zurückzuführen, also etwa auf den Verkauf von Wohnungen an Selbstnutzer oder die Vermietung der Wohnungen an Feriengäste
https://www.iwkoeln.de/studien/pekka-sagner-michael-voigtlaender-auswirkungen-von-mietpreisregulierungen-auf-den-wohnungsmarkt.html

Der Gesetzgeber gibt beim Arbeitsplatz schon ein paar Regeln vor und auch beim Mietvertrag ist Wucher nicht zulässig.

Ansonsten gilt wie überall:

Der eine hat die Freiheit zu fordern, der andere hat die Freiheit/Wahl darauf einzugehen

Wenn du die Wohnung/Arbeitsplatz nicht nimmst, wird es einen anderen geben, der zu diesen Bedingungen zustimmt.