Darf ein Rettungssanitäter intubieren?

5 Antworten

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Die endotracheale Intubation ist eine invasive Maßnahme. Sie anzuwenden, stellt eine Körperverletzung dar. Diese darf nur im Einverständnis des Patienten, falls dieser nicht einwilligen kann auch im mutmaßlichen Einverständnis des Patienten durchgeführt werden. Eine Intubation ist dabei eine heilkundliche Handlung und ist nach Heilptaktikergesetz daher Ärzten vorbehalten.

Nach Gesetzeslage darf ein RS nicht intubieren.

Nun kommt natürlich die Kiste mit dem rechtfertigenden Notstand, auf dem ja auch das Konstrukt der sog. "Notkompetenz" beruht. Demnach geht jemand straffrei aus, der etwas verbotenes tut, um ein höheres Rechtsgut zu schützen. In diesem Fall: der RS intubiert (=Körperverletzung), um das Leben des Patienten (=höheres Gut) zu retten. Klingt erst mal einleuchtend.

Aber!

Um den rechtfertigenden Notstand anwenden zu können, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein: Die durchgeführte Maßnahme muss nänlich beherrscht werden und es darf keine andere weniger invasive Maßnahme zum Erfolg führen können.

Mit diesen beiden Punkten wird ein RS Schwierigkeiten haben. Zunächst einmal spricht man bei der endotrachealen Intubation von sicherem Beherrschen, wenn man mindestens 100 Intubationen jährlich vorweisen kann. Außer Anästhesisten schafft das kaum einer. Zum anderen gibt es diverse weniger invasive Maßnahmen zur Sauerstoffversorgung des Patienten, z.B. Beatmung mit Beutel und Maske oder auch den Larynxtubus.

Fazit: auch mit einer Intubation im Rahmen eines Notstandes wird ein RS kaum durchkommen. Deswegen kann man anschließend sagen: Nein, ein RS darf nicht endotracheal intubieren.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
SaniOnTheRoad  24.08.2018, 16:52
Zunächst einmal spricht man bei der endotrachealen Intubation von sicherem Beherrschen, wenn man mindestens 100 Intubationen jährlich vorweisen kann. Außer Anästhesisten schafft das kaum einer.

Richtig - und wenn wir hier von präklinischen Intubationen sprechen, schaffen das noch nicht einmal die Notärzte.

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DorktorNoth  24.08.2018, 18:11
@SaniOnTheRoad

Traurigerweise ja. Laut Statistik kommen etwa 12% der Patienten fehlintubiert in die Klinik. Manche überleben nur, weil die gleichen Notärzte oft auch keine Ahnung von Narkose haben und der Patient noch selbst atmet

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SaniOnTheRoad  24.08.2018, 18:12
@DorktorNoth

Das sollte in Zeiten von Kapnographie und Videolaryngoskop eigentlich vermeidbar sein.

Zumidest bei uns sind - Gott sei Dank - die meisten NA Anästhesisten und Facharzt.

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DorktorNoth  24.08.2018, 18:15
@SaniOnTheRoad

An unserem Standort schlage ich mich leider gelegentlich immer noch mit Kollegen herum, die sich weigern, diesen "hypermodernen Unsinn", wie Kapnographie, als sinnvolle Überwachung anzuerkennen. Früher hat Auskultation schließlich auch ausgereicht ... glücklicherweise sterben solche Exemplare im wahrsten Sinne des Wortes langsam aus.

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SaniOnTheRoad  24.08.2018, 18:20
@DorktorNoth

Gut, ich glaube auch fast, dass die interne Fortbildung an den NA-Standorten noch prekärer ist, wie an den Rettungswachen...

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DorktorNoth  24.08.2018, 18:22
@SaniOnTheRoad

Das kann sein. Bei uns fehlt ja leider die Verpflichtung, sich speziell in notfallmedizinischen Themen fortzubilden (außer in Hessen, glaube ich). Ich kann auch mit den Studien über die neueste Pickelcreme meine CME-Punkte sammeln, weiß davon aber leider auch nicht besser, wie das mit der Realisation noch mal war.

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SaniOnTheRoad  24.08.2018, 18:35
@DorktorNoth

Bei uns sieht es mit der Verpflichtung m.W.n. genauso aus (RLP).

Das ist insbesondere ärgerlich, da manche Notärzte sich das explizit wünschen, also den Erfahrungsaustausch (z.B. bei uns ein Unfallchirurg genau zum Thema präklinische Narkose).

Man muss leider auch sagen, dass die fachlichen, handwerklichen Voraussetzungen für die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin zu gering sind - gerade was größere invasive Maßnahmen wie die Intubation, aber auch i.o.-Zugang etc. angeht.

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Er darf das machen.

In der Regel intubieren RS jedoch ziemlich selten. Die meisten Rettungsdienstler sind RettAss oder NotSan, weshalb der RS da nicht zum Zug kommt.

Man sollte beachten, dass niemand durch einen fehlenden Tubus umgekommen ist, wenn man ihn anständig beuteln konnte, aber viele Menschen durch unnötige Fehlversuche Schaden genommen haben.

Im Zweifel sollte man den Tubus in der Tasche lassen, da ist er gut aufgehoben. Man kann einen Güdeltubus einlegen und beuteln bis der Arzt kommt. Das ist allemal die erfolgversprechendere Variante für ungeübte Teams.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
KirstenSe  23.08.2018, 18:27
Die meisten Rettungsdienstler sind RettAss oder NotSan, weshalb der RS da nicht zum Zug kommt

Ich kenne viele AG im Rettungsdienst, die als Fahrer gerne preiswertere RS einsetzen. Auch wenn es vereinzelt RAs/NotSans gibt, die diese abwertend als Fahrer abtun sind es doch idR gute 2er Teams die sich auch die Arbeit am Patienten (nach Fähigkeit) teilen

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SaniOnTheRoad  23.08.2018, 18:55
Im Zweifel sollte man den Tubus in der Tasche lassen, da ist er gut aufgehoben. Man kann einen Güdeltubus einlegen und beuteln bis der Arzt kommt.

Oder den LT nutzen, wenn es länger dauert - ist ohnehin Mittel der Wahl für Ungeübte.

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ozz667  23.08.2018, 20:09
@SaniOnTheRoad

Sagt auch der ERC. Endotracheal Intubation bei CPR ist quasi raus.

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ozz667  23.08.2018, 20:34
Man sollte beachten, dass niemand durch einen fehlenden Tubus umgekommen ist

Korrekt. Es sind aber einige verstorben, weil man sie versucht hat zu intubieren.

Der ERC geht davon aus, dass zur Intubation maximal 5 Sekunden lang die CPR unterbrochen wird. Das wird sportlich.

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Also, die Intubation kommt ja eigentlich nur im Rahmen der Reanimation zum Einsatz. Der ERC macht die Vorgabe, dass nur ein Geübter endotracheal intubieren sollte. Und das mit einer Unterbrechung der CPR von maximal 5 Sekunden. Alle Anderen sollen supraglottische Atemwegshilfen verwenden. Also LTS, Larynxmaske etc.

Ein Intubateur gilt als geübt, wenn er 100 Intubationen pro Jahr vornimmt.

Das kann ein RettSan erreichen. ZB Medizinstudenten im PJ in der Anästhesie mit Qualifikation zum RettSan.

Für dich, der das in der Ausbildung ein paar Mal gemacht hat gilt: Nein! Du darfst das nicht.

Die ERC Guidelines sind S3 Richtlinien. Die sind einzuhalten. Weil S3 Richtlinien das sind, was man in verschiedenen juristischen Texten als "medizinischer Standart" definiert.

Einzige Ausnahme ist, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, den Patienten adäquat zu beatmten. Die Chance darauf dürfte aber in Deutschland bei irgendwas um die 0% liegen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich weiß, wie der Körper funktioniert.
RedPanther  24.08.2018, 06:47

Kennt ihr euch nicht die Schutzintubation z.B. bei SHT mit GCS <6?

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ozz667  24.08.2018, 06:52
@RedPanther

Ja. Kenne ich.

Wird aber ausschließlich durch den NA ausgeführt. Der Patient ist ja hier nicht relaxiert. Und es ist keine akut lebensrettende Maßnahme. Alternative: konventionelles Atemwegsmanagment.

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Unterm rechtfertigenden Notstand, ja. Die Voraussetzungen habe ich bei ner anderen Frage schon erörtert.

Frage wieder: Auf welcher Grundlage willst du als RS behaupten, du könntest in einer Stresssituation einen nicht relaxierten und nicht nüchternen Patienten intubieren? Weil du das im Lehrgang 5x am Phantom gemacht hast? Weil du das im Klinikpraktikum ein paarmal gemacht hast (wenn du viel Glück hattest!)? Das ist in etwa so, als würdest du dich als guten Autofahrer bezeichnen, nachdem du zwei Fahrstunden genommen hast.

Ich möchte dir wärmstens ans Herz legen, gedanklich bei dem zu bleiben, was du kannst und wofür du ausgebildet bist. Nicht nur um deiner Willen (der gegnerische Anwalt hat hinterher sehr viel Zeit, deine Entscheidung schlecht zu reden, während du in 2min entscheiden musstest!), sondern auch um deiner Patienten willen (eine nicht erkannte Fehlintubation beendet das Leben des Patienten... wenns bei der Maskenbeatmung mal etwas rauszischt, juckt das nicht).

Der Rettungssanitäter ist eine Qualifikation, die einen dazu befähigt, unkritische Krankentransporte eigenverantwortlich durchzuführen und im Notfall eine qualifizierte Erstversorgung durchzuführen, bis höher qualifiziertes Personal da ist. Dazu eignet er sich auch als Helfer für RA, NotSan und Notarzt. Mehr nicht!

ozz667  23.08.2018, 20:31
Unterm rechtfertigenden Notstand, ja

Selbst da dürfte es eng werden. Ich halte es zwar nicht für unmöglich, eine Situation zu konstruieren, in der das greift. Aber unter realen Bedingungen hast du, wenn du einen Tubus hast, auch eine supraglottische Atemhilfe (LTS, Larynxmaske,...). Und damit fällt der endotracheal Tubus raus. Aufgrund der ERC Guidelines (S3 Richtlinie) und in Folge dessen auch aus dem rechtfertigenden Notstand.

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RedPanther  24.08.2018, 06:56
@ozz667

Der rechtfertigende Notstand tritt ein, wenns kein "erlaubtes" und/oder weniger tief eingreifendes Mittel gibt, um den Patienten zu retten.

Er tritt also bezüglich der Atemwege dann ein, wenn der Patient wirklich beatmet werden muss, und Maske sowie supraglottische Beatmungshilfen nicht funktionieren.

Und, wenn der Anwender die Intubation beherrscht (was fraglich ist, wenn er mit den obigen Mitteln nicht zurecht kommt). Dann kann er es versuchen.

Du hast vollkommen recht: die Chance, dass mal alle Voraussetzungen erfüllt sind, ist verschwindend gering. Das wird effektiv nie vorkommen.

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Was den Rettungssanitäter angeht, muss ich da ein ganz klares Nein aussprechen. Rein rechtlich ist die endotracheale Intubation eine ärztliche Maßnahme, ein Notfallsanitäter oder auch Rettungsassistent kann sie im Rahmen des Notstandes auch durchführen, wurde darin allerdings auch deutlich umfangreicher ausgebildet wie ein Rettungssanitäter, da längere schulische und klinische Ausbildung. Die Intubation ist nichteinmal ein offizieller Bestandteil der Ausbildung eines Rettungssanitäters, nur mit Glück kann man es im Krankenhauspraktikum wenige Male unter Aufsicht eines Facharztes machen, was aber keinesfalls ausreicht um es eigenständig zu machen, im Krankenhaus hast du klinische Idealnedingungen und einen Facharzt daneben, der jederzeit eingreifen kann. Die deutsche Gesellschaft für Anästhesie sagt, es braucht 100 Intubationen unter klinischen Idealbedingungen, an diese Zahl kommen nichteinmal die meisten Notärzte, weil nicht alle Anästhesisten sind. Es bleibt auch anzumerken, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, das endotracheal intubierte Patienten im Rahmen einer Reanimation einen höhere Überlebenschance haben als die, die mit einem supraglottischen Atemweghilfsmittel beatmet worden sind. Du würdest dich und den Patienten also einem erhöhten Risiko aussetzen, ohne das daraus ein wissenschaftlich erwiesener Vorteil resultieren würde. Fazit, lasse es bleiben.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.
DorktorNoth  24.08.2018, 18:12

Wobei aktuelle Studien sagen, dass eine korrekte endotracheale Intubation das Outcome bei Rwaninationen verbessern könnte

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Rollerfreake  01.09.2018, 23:05

Abschließend möchte ich noch den Spruch erwähnen, den uns mein Ausbilder immer gepredigt hat, dieser lautet "Never change a winning System". Heißt, wenn man mit einer SGA Erfolg hat, d.h. den Patienten gut beatmet bekommt, warum sollte man dann etwas versuchen, in dem man deutlich weniger Übung hat und was generell mit mehr Risiko verbunden ist. Mfg.

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