Warum sind Männer besser im Schach als Frauen?
Wenn man nach der Elo-Zahl geht, sind die besten 100 Männer besser im Schach als die Schachspielerin mit der höchsten Elo-Zahl.
Der Unterschied zwischen Magnus Carlsen (höchste Elo-Zahl aktuell bei den Männern) und Hou Yifan beträgt fast 200. Bei den Junioren geht die Differenz fast auf 300 Elo.
Laut Elo-Rechner ist eine Differenz von 200 Elo-Punkten in etwa damit verbunden, dass die Person mit dem höheren Elo in 75% der Fälle gewinnt. Bei 300 Differenz sind es gut 82%.
Woher kommt dieser gravierende Unterschied? Ist es wirklich nur die Tatsache, dass Schach lange Zeit ein Männersport war?
Quellen: https://ratings.fide.com/
6 Antworten
- Ist es wirklich nur die Tatsache, dass Schach lange Zeit ein Männersport war?
Ja, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
Abgesehen davon ist die Verwendung der Vergangenheitsform hier auch nicht ganz richtig, Schach ist immernoch ein Männersport, und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Die absolute Mehrheit im Schachsport ist Männlich, unter den Vollprefessionellen Spielern sind es noch mehr.
Es gibt bei den Männern deutlich mehr Talentförderung, deutlich mehr Frühförderung, und immernoch ein gewisse gesellschaftliche Präfernz Schach als "Männerhobby" einzuordnen (auch wenn das mit der Zeit natürlich nachlassen wird, sind wir noch weit weg davon dass sich die Frau im Schach vollständig etabliert hat)
Ganz abgesehen davon sind die Länder die aktuell vorreiter im Schach sind, z.B. Indien, was die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft angeht bei weitem nicht so weit wie wir, was sich natürlich auch Spürbar auf einen so Internationalen Sport auswirkt.
Sicherlich wird hier die ein oder andere Antwort auftauchen die mit unterschiedlicher IQ-Distribution bei Männern und Frauen argumentieren wird, aber ich versichere dir dass diese (vergleichsweise wirklich marginalen) Unterschiede in der IQ Distribution (sowie in der Hirnstruktur) bei weitem nicht reichen um die wirklich gewaltigen Unterschiede im Schach zwischen den Geschlechtern zu erklären.
Im Grunde gibt es keinen funktionierenden Erklärungsansatz für diese gewaltige Diskrepanz als sozio-kulturelle Faktoren.
Also vorweg, wir sprechen hier über ein extrem multifaktorielles Modell, daher will ich anmerken dass man auch meine Überlegungen dazu nicht auf die Goldwaage legen sollte. Vollumpfänglich kann die ganze Thematik wohl kein Mensch verstehen, dafür haben wir einfach zu wenige verlässliche (bzw. bereinigte) Daten.
Aber zu deiner Frage:
- Oder ist das so ähnlich wie dieser paradoxe Effekt, dass in egalitäreren Gesellschaften die Studienwahl auch öfter "klischeehaft" ausfällt (also mehr Männer in MINT Fächern in den USA als jetzt in Indien z.B.), also dass egalitäre Gesellschaften gendersterotype eher verstärken?
Ja, genau. Und so Paradox ist dieser Effekt auch eigentlich garnicht, egalitäre Gesellschaften erlauben in aller erster Linie mehr Freiheit für das Individuum. Dem zuvor stehen allerdings mehrere tausend Jahre traditionelle Geschlecherrollen, deren Implikationen, nur weil man auf einmal ganz frei entscheiden darf, trotzdem nicht einfach verpuffen. Sowohl Männer als auch Frauen entscheiden sich in egalitären Gesellschaften (teilweise bewusst teilweise unbewusst) in Felder zu gehen die ihren traditionellen Geschlechterrollen entsprechen, eben weil sie sich auch mit dieser Rolle identifizieren wollen.
Damit gibt es perse auch kein Problem, und ich persönlich sträube mich auch gegen so Plumpe Modelle ala "das Patriachat hat seit je her nur Frauen unterdrückt". (Das entspricht rein faktisch auch nicht der realität, traditionelle Geschlechterrollen hatten für beide Geschlechter seit je her gravierende Vor- und Nachteile, aber das ist eine andere Diskussion, das Fass mache ich hier mal nicht auf) aber man sollte sich trotzdem bewusst sein dass die Gesellschaft aus der wir uns über Jahrhunderte heraus zum heutigen Punkt entwickelt haben natürlich immernoch Gewaltigen einfluss auf die moderne Gesellschaft hat, insbesondere im Hinblick auf unsere Geschlechterrollen die natürlich sehr prominenter Bestandteil der Gesellschaften der Vergangenheit waren (und es auch heute noch sind).
Um ein "neutrales" bild das weitestgehend von klassischen Geschlechterrollen befreit ist zu bekommen bräuchten wir erstmal einige jahrhunderte egakitäre Gesellschaft, damit die bisherigen Implikationen Zeit haben an Wirkung zu verlieren. An dem Punkt sind wir noch nicht.
Deswegen müssen wir wohl oder übel hinnehmen dass so ziemlich jeder vergleich den wir heute zwischen Männern und Frauen anstellen auch durch eine sozio-kulturelle Brille betrachten müssen.
Heißt nicht dass das ALLE unterschiede begründet, es gibt klare biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen, sowohl in Hirnstruktur, Körperbau und anderen Bereichen, aber es ist oft nicht leicht diese Unterschiede von den "selbstverursachten" Rollen-Unterschieden zu trennen. Und es ist in der Regel anzunehmen dass die Sozio-Kulturellen aspekte gewichtiger sind.
Man muss aber auch den Trend sehen: aktuell gibt es so viele chinesische Schachspielerinnen, die wirklich sehr stark sind. Und China war früher (also vor 100 Jahren) im Schach noch praktisch unbedeutend. Auch bei den Männern (heute ist Ding Liren Weltmeister!).
Ich habe selber mit ziemlich viel Mühe ein Remis gegen Elisabeth Pähtz im Simultan hinbekommen. Aber sie ist definitiv stärker als ich. Und gegen Eva Moser (Österreich) und Ketino Kachiani (in Georgien geboren) habe ich verloren. Und gegen Jovanka Houska.
Klar habe ich auch schon gegen Frauen gewonnen, aber das ist genauso schwierig wie gegen Männer. Der Unterschied ist nur die Anzahl: es gibt weniger Frauen in den Turnieren als Männer.
Ich denke - und das sieht man auch an China: wenn mehr Frauen spielen würden, wären sie auch stärker als aktuell. Ich denke, bei Frauen ist die Interessenslage anders, sie spielen seltener Logikspiele, sondern lieber "just for fun" Kartenspiele, Gesellschaftsspiele, Würfelspiele usw.
Frauen sind genauso intelligent, haben aber meiner Ansicht nach seltener das Interesse, sich eingehend mit einem Logikspiel wie Schach (oder Go) zu befassen.
In den deutschen Schachvereinen findet man seltener Frauen, das ist schon so, aber wenn eine Frau erstmal spielt, sehe ich keinen Grund, warum sie per se schlechter als ein Mann spielen sollte.
Es kann auch sein, dass Männer seltener das Interesse haben, zu kochen. Aber wenn ein Mann erst mal kocht und Spaß daran hat, kann er genauso gut wie eine Frau darin sein.
Schöne Antwort dazu!
Ich befürchte aber, dass Ding Liren wohl seinen Titel nicht verteidigen kann gegen Gukesh, aber ich bin ein ziemlicher Laie. Deine Sicht als Spieler war sehr hilfreich und auch, dass du tatsächlich gegen große Nummern dort schon gespielt hast.
Ja, Gukesh könnte schon besser sein, man wird sehen.
Einmal hatte ich sogar ein Remis gegen einen GM (kein Simultan, normales Spiel), das konnte ich aber bisher nicht wiederholen...
Ich denke, das ist (speziell im Schach) ein bald aussterbendes Phänomen - und sei es nur durch die ganzen Schachengines wie Stockfisch etc, die inzwischen alle noch einmal weit stärker sind als die stärksten Großmeister. Aber deren Vorhandensein als Trainingstool wird die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zwischen den besten Schachspielern und Schachspielerinnen in den kommenden Jahrzehnten nivellieren; davon bin ich absolut überzeugt..
Denke die Elo Zahlen dürften sich einfach schon dadurch ergeben das es einfacher ist höhere ELO zu bekommen wenn es mehr spieler gibt die eine hohe Elo haben ;) Weil man muss seine Punkte ja irgendwo her bekommen.
Da es mehr Profesionelle Männliche SPieler gibt als Weibliche ist denke ich klar das das Ranking hier im allgemeinen höher ist.
Aber zu dem Thema gibt es sicher hunderete verschiedene Einflüsse und Faktoren das man das nicht sienfach so simpel erklären kann.
Warum gibt es überhaupt mehr Männliche gute Spieler zum Beispiel, oder warum trennen wir nach wie vor zwischen Mann und Frau und machen nicht einfach alle zu sammne? Ist zum Beipsiel ein Faktor ;)
Dann schau woher viele der besten Schachspieler kommen, Russland, Indien und so weiter. Alles länder wo frauen nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie hier.
Danke für deinen Erklärungsansatz!
Aber das erstaunt mich - wenn es vor allem soziokulturelle Gründe sind, warum sind eben gerade Indien und China mit relativ traditionalistischen Geschlechterrollen die, die so erfolgreich sind im Frauenschach? Würde man nicht erwarten, dass es in egalitären Gesellschaften eher so ist (also z.B. USA).
Oder ist das so ähnlich wie dieser paradoxe Effekt, dass in egalitäreren Gesellschaften die Studienwahl auch öfter "klischeehaft" ausfällt (also mehr Männer in MINT Fächern in den USA als jetzt in Indien z.B.), also dass egalitäre Gesellschaften gendersterotype eher verstärken?