Warum hielt sich so lange die ziemlich dämliche Behauptung eines "dummen aber starken" Neandertalers?
Im Volksmund, weit Abseits einer guten Bildung oder Wissenschaft, wurde ja lange Zeit erzählt, dass der Neandertaler kaum mehr als ein "Affe" war.
https://www.welt.de/wissenschaft/article127508387/Zweifel-an-der-These-vom-dummen-Neandertaler.html
7 Antworten
Im Jahr 1856 gab es ja erst die Erkenntnis, dass es vor uns schon andere Menschen gab. Danach hat es sehr lange gedauert, bis neue Knochen und neue Erkenntnisse dazu kamen. Damals herrschte die Vorstellung vor, dass die Evolution eine gradlinige Entwicklung vom "niederen" zum "höheren" Wesen darstelle. In diesem linearen Weltbild passte der Neandertaler gut als "fehlendes Bindeglied" zwischen Menschenaffen und modernen Menschen, das jedoch intellektuell weit unterlegen war.
Eben weil das so wunderbar in das damalige Weltbild passte, hat sich auch nichts daran geändert. Dazu kam, dass auch später nur sehr wenige Knochen gefunden wurden und dadurch nur sehr wenige weitere Erkenntnisse dazu kamen. Stattdessen setzte sich das Bild der Künstler und Karikaturisten in den Köpfen der Menschen fest. Dieses Bild wabert noch heute durch viele Köpfe.
Noch heute ist vielen Menschen nicht klar, auf welcher intellektuellen Stufe der Neandertaler stand. Viele glauben noch heute, dass er nicht sprechen konnte. Dabei können Menschen seit mehr als 500.000 Jahren verbale Laute hervorbringen. Neandertaler spalteten sich aber erst vor 400.000 Jahren von unseren Vorfahren ab und wanderten nach Europa ein. Sie konnten also definitiv sprechen.
Diese Erkenntnisse kamen aber nur tröpfchenweise an das Licht der Öffentlichkeit und so halten sich viele Mythen und Halbwahrheiten bis heute.
Dre Neandertaler wurde ganz offensichtlich verdrängt also ging man davon aus das er Defizite gehabt haben musste.
Sonst hätte er sich ja durchgesetzt, war die Annahme.
Man wusste es eben nicht besser. Falsches "Wissen" hält sich außerdem lange und hartnäckig, es gibt ja heute z. B. auch noch Leute, die an die alte Mär vom bösen Wolf glauben. Uunterschiedliche Lobbyverbände, die aus den verschiedensten Gründen den Wolf nicht haben wollen, verbreiten solches Falschwissen sogar ganz gezielt, um Angst und Ablehnung in der Bevölkerung zu schüren. Das ist beim Neanderthaler nicht anders. Es gibt ja leider auch immer noch etliche Anhänger eines kruden völkischen Weltbilds, die den Darwinismus missbrauchen, um damit ihren Rassismus zu rechtfertigen. Da passt das veraltete Bild vom "dummen" Neanderthaler, der letztlich dem "weiterentwickelten" anatomisch modernen Menschen unterlegen war, gerade recht. Dass nichts an der Geschichte stimmt, ist ihnen egal. Es gibt ja genügend Trottel, die darauf reinfallen.
Und dann kommt noch hinzu, dass neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft nur langsam ins Allgemeinwissen übergehen. Die Wissenschaftsdebatten werden zwar öffentlich geführt in den Journalen, aber nur die wenigsten verstehen den Wissenschaftssprech. Oft mangelt es der Wissenschaft noch, ihre Ergebnisse für alle leicht verständlich auszudrücken und selbst Wissenschaftsjournalisten, deren Aufgabe es ja ist, die Wissenschaftssprache für alle verständlich zu machen, haben da ihre Schwierigkeiten und die entsprechenden Ressorts haben, verglichen mit anderen wie Politik oder Sport, nur ein äußerst knappes Budget zur Verfügung - falls eine Zeitung überhaupt ein solches eigenes Ressort hat. Die meisten kupfern solche Meldungen einfach von den größeren Presseportalen ab. In den letzten Jahren hat sich in Sachen Wissenskommunikation in der Akademikerwelt schon viel getan. Aber es gibt noch viel mehr zu verbessern.
Man wusste bei der Entdeckung der Neandertaler noch nicht, wie lange diese gelebt haben und auch schon vor den modernen Menschen Europa bewohnten. Und die Tatsache, dass die ausgestorben sind (wenn auch in paar % in unseren Genen noch vorhanden), war wohl Ursache für die Annahme, dass die dümmer als wir waren.
Lag wohl an den Ausgrabungen, die nach Neandertal erst ans Licht kamen. Auch von den Dinosauriern haben wir ja heute ein anderes Bild als noch beim ersten Teil von "Jurassic Park"
Ne, aus den Schnipseln in unseren Genomen könnte man ein Großteil des Neandertalergenoms rekonstruieren.