Was ist Wahrheit? Für mich ist Wahrheit etwas, das ich in einem gesunden mentalen Zustand mit meinen Sinnen wahrnehme. Dabei hängt es stark von der Sache ab, wie ich sie bewerte, ob ich sie als wahr oder nicht wahr akzeptiere. Doch selbst in diesem Moment, während ich das hier schreibe, kann ich getäuscht werden. Ein Beispiel dafür wäre, wenn jemand eine Person in einer Polizeiuniform sieht und mich fragt, ob das ein Polizist sei. Ich könnte „Ja“ sagen, doch die Person könnte sich einfach nur als Polizist verkleidet haben. Würde ich dann behaupten, ich habe einen Polizisten gesehen, wäre das demnach eine Unwahrheit, obwohl ich die Uniform mit meinen eigenen Augen gesehen habe.
Das bringt mich dazu, genauer nachzudenken. Wahrheit sind für mich zunächst Dinge, die unbestreitbar sind. Zum Beispiel, dass meine Mutter mich geboren hat. Diese Geburt habe ich zwar nicht selbst erlebt, aber es gibt Bilder von mir in den Armen meiner Mutter bei meiner Geburt, und andere Familienmitglieder können bestätigen, dass meine Mutter mich großgezogen hat. Im Laufe der Zeit habe ich das auch bewusst realisiert. Deshalb ist für mich sicher, dass ich eine Mutter habe und dass meine Geschwister meine Geschwister sind – auch wenn ich bei genauerer Prüfung nicht ausschließen kann, dass sie Halbgeschwister sind oder mein Vater nicht mein biologischer Vater ist. Diese Überlegungen zeigen, dass man vieles hinterfragen kann, aber am Ende ist eines sicher: Die Person, die mich geboren hat, ist meine Mutter. Ich bin aus ihrem Körper hervorgegangen.
Wenn ich die Logik weiterdenke, muss meine Mutter selbst eine Mutter haben, die sie geboren hat. Der Prozess des Geborenwerdens passiert in der Natur immer wieder und kann überall beobachtet werden. Ich könnte jede schwangere Frau beobachten und sehen, wie ein neues Leben entsteht. Das ist für mich eine 100% sichere Wahrheit: Jeder Mensch wurde von einer Frau geboren, die als Frau geboren wurde (abgesehen von Ausnahmen). Diese Erkenntnis ist für mich ein Beweis und eine Wahrheit.
Außerdem denke ich über das Sterben nach. Ich sehe in den Nachrichten immer wieder Menschen sterben, und es gibt Einrichtungen, in denen Menschen diesen Prozess durchleben. Auch wenn ich theoretisch sagen könnte, dass all das nur ein Spiel oder eine Inszenierung ist, zeigt mir die Beobachtung des Sterbens bis zur Beerdigung, dass es tatsächlich geschieht. Trotzdem halte ich die Tatsache, dass meine Mutter mich geboren hat, für zweifelsfrei und nicht inszenierbar.