Wird Homophobie anerzogen?

10 Antworten

Ja, ist anerzogen bzw erlernt. Und kann deshalb auch verlernt werden.

homophobia, culturally produced fear of or prejudice against homosexuals 

https://www.britannica.com/topic/homophobia

Homophobie ist weder unvermeidlich noch universell, sondern kulturell konstruiert:

Social scientists recognise that homophobia is neither inevitable nor universal, rather it is culturally specific and culturally constructed.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0266613899900608

Bei Phobie in Homophobie geht es nicht primär um Angst. Für gewöhnlich fühlen homophobe Menschen nicht Angst, sondern Unsicherheit, Feindseligkeit oder Ekel.

Ein besserer Begriff ist deshalb Homo-Negativität, auf Englisch Homo Negativity.

Homo-Negativität beschreibt gut und eindeutig den Sachverhalt und ist nicht missverständlich.
Homonegativität und Homophobie sind in ihrer Bedeutung kongruent, sie bezeichnen dasselbe.
Jedoch betont Homonegativität die oppositionelle Haltung und ist im Gegensatz zu Homophobie nicht missverständlich.

https://www.grin.com/document/453812


Ulisses1und6  05.05.2025, 17:54

Ich finde Homonegativität auch einen weitaus besseren Begriff und bin dankbar dafür und werde ihn in meinen Sprachschatz einbauen. Mir scheint er jedoch die negativsten Auswüchse (Feindseligkeit, Hass, Verachtung) etwas zu beschönigen. In meinem Wortverständnis ist zB. Scheu und Berührungsängste noch keinesfalls homophob.

Ich denke durchaus schon. Einerseits Geschieht das ja durchaus aktiv. z.b. In dem Eltern eben selbst Homosexualität ablehnen etc.

Aber das ganze geht auch Passiv.

Menschen neigen generell dazu dinge die "anders" sind abzulehnen. Alles was nicht "normal" ist. Wird eher skeptischer und auch oft negativer betrachtet.

Das gilt noch nicht für kleine Kinder. Die sind da meist noch wesentlich Offener als Grössere Kinder und jugendliche bzw. Erwachsene.

Entsprechend kann auch eine fehlende Konfrontation mit Homosexuellen Menschen oder dem Konzept der Homosexualität dazu führen das Ältere Kinder oder älter Homosexualität eben ablehnen.

Die Umgebung in der die Kids aufwachsen trägt auch sehr viel dazu bei wie offen Kids später sind oder nicht. Wir lernen ja nicht nur direkt von unseren Eltern. Sondern auch von allen um uns herum.

Im generellen: Toleranz ist nach meiner Ansicht etwas das man erlernen muss. Und ist nicht etwas das wir Automatisch mit uns bringen.

Ich verstehe Erziehung als eine bewusste Entscheidung der Eltern ein Wertesystem zu vermitteln. Wenn ich das Thema Homosexualität meinen Kindern gegenüber nicht erwähne, einfach weil es kein Thema ist, dann ist das keine Erziehung in dieser Hinsicht.

Trotzdem hat meine Tochter (14) mit Schock reagiert, als sie Bilder eines Christopher Street Day gesehen hat. Ist das jetzt Erziehung? Und wenn ja, wer hat erzogen?

Bin ich homophob nur weil ich diese Zurschaustellung auf dem CSD abstoßend finde? Kann ich homophob sein, obwohl ich homosexuelle Freunde und Bekannte habe? (welche übrigens keinerlei "tuntiges" Gehabe an den Tag legen)

Ich bin Christ, aber das hat mit meiner Einstellung zu Dingen die im Schlafzimmer stattfinden (sollten) nichts zu tun.


Mayahuel  05.05.2025, 16:20
Kann ich homophob sein, obwohl ich homosexuelle Freunde und Bekannte habe?

ja, das geht.

 Dingen die im Schlafzimmer stattfinden (sollten) nichts zu tun.

Sexuelle Orientierung hat nicht nur etwas mit sexuellen Handlungen zu tun.

Dazu gehört auch eine gleichgeschlechtliche Ehe/Hochzeit.

Bilder eines Christopher Street Day gesehen hat.

Schon mal Bilder von vergleichbaren heterosexuellen Days gesehen?

Jnnsznxx  06.05.2025, 00:01
Bin ich homophob nur weil ich diese Zurschaustellung auf dem CSD abstoßend finde?

Nein, denn die "Zurschaustellung" auf dem CSD hat ja im Prinzip nichts mit Homosexualität zu tun. Befremdliche Personen auf CSDs sind befremdlich, weil sie sich befremdlich verhalten, und nicht weil sie schwul oder lesbisch sind.

Trotzdem hat meine Tochter (14) mit Schock reagiert, als sie Bilder eines Christopher Street Day gesehen hat. Ist das jetzt Erziehung? Und wenn ja, wer hat erzogen?

Wenn ich mitkriege, was teilweise auf CSDs abgeht, reagiere ich auch geschockt, obwohl ich selbst schwul bin. CSDs und andere "Pride" Veranstaltungen repräsentieren nicht die Mehrheit der homosexuellen Menschen und vermitteln ein äußerst verzerrtes und ideologisch aufgeladenes Bild.

Majordomus  06.05.2025, 09:43
@Jnnsznxx

Der Hintergrund meiner Fragen zielt ja genau darauf ab, es wird heute zu viel mit Homophobie gleichgesetzt. (ich habe das im obigen Beispiel ja auch getan) Und auf einmal haben wir ein riesiges Problem mit Homophobie, obwohl wir "nur" ein Problem mit dem öffentlichen Zurschaustellen sexueller Vorlieben haben.

Ihren Einwand habe ich meiner Tochter auch erklärt und eben auch auf meine Bekannten hingewiesen. Aber vorher war es nie ein Thema, weil es eben Menschen wie alle anderen auch sind.

Natürlich wird Homophobie erlernt, d.h. durch Erziehung und Sozialisation angeeignet. Niemand wird homophob geboren. Aber ich verstehe nicht, was das mit abrahamitischen Religionen zu tun haben soll. Es gibt Christen, Juden und Muslime, die überhaupt nicht homophob sind - genauso wie es Atheisten und Anhänger anderer Religionen gibt, die Homosexualität verabscheuen. Kein Mensch ist eine Bibel, eine Tora oder ein Koran auf zwei Beinen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Das hat wahrscheinlich sowohl kulturelle als auch biologische Hintergründe.

Untersuchungen zeigen immer wieder, dass konservative sich schneller ekeln als eher progressive Menschen.

https://www.welt.de/kmpkt/article191735079/Biologie-Diese-Reaktion-unterscheidet-Konservative-von-Liberalen.html

Die Frage ist jetzt, ob sie sich ekeln, weil sie es anerzogen bekommen haben, dass Homosexualität "schmutzig" ist oder ob das Gehirn von Natur aus eine Verbindung schafft.


Ulisses1und6  05.05.2025, 18:03

Es gibt viele Vertreter aus Psychologie und Erziehungswissenschaft, die sagen "Ekel" sei anerzogen.

(Bitte fragt mich nicht nach Namen; da ich selbst so gut wie gar keinen Ekel kenne war ich immer sehr hellhörig bei dem Thema und in meinem Studium ist die These häufiger mal gefallen.)

JeyEm2  05.05.2025, 18:35
@Ulisses1und6

Danke, aber an Autoritätsargumenten (Experte xy hat gesagt) habe ich keinerlei Interesse. Da brauche ich schon Studien, logische Herleitungen oder zumindest Argumente mit Begründungen.

Das Ekelgefühl wurde auch schon bei Bonobos festgestellt. https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/koennen-sich-tiere-ekeln/

Zusätzlich ist der Gesichtsausdruck bei Ekel kulturübergreifend gleich. Etwas, was kulturübergreifend existiert, ist sehr unwahrscheinlich, dass es erlernt wurde.

Schon Babys haben eine sogenannte Distaste-Funktion, die Ekel bei gewissen Geschmacksrichtungen auslösen.

Wovor man sich ekelt scheint aber zumindest z.T. erlernt zu sein. Man sieht das ja bei verschiedenen Kulturen, die sich z.T. vor unterschiedlichen Dingen ekeln. Übergreifend scheint aber der Ekel vor Körperausscheidungen zu sein.

https://www.dasgehirn.info/denken/emotion/die-erforschung-des-ekels

https://www.mdr.de/wissen/warum-wir-uns-ekeln-ekel-ueberwinden-100.html

Die Parasitentheorie macht hier Sinn, genauso wie der Schutz vor schlechtem Essen.

Ich kann mir bei zumindest männlicher Homosexualität vorstellen, die in der Regel weltweit und historisch stärker verfolgt wurde, dass hier eine Verbindung zum Analsex besteht und somit zu Körperausscheidungen und dass diese Verbindung bei einigen Ekel auslöst. Daneben glaube ich aber auch, dass der Ekel gegen Homosexualität auch eine starke erlernte Komponente hat.

Ulisses1und6  05.05.2025, 20:05
@JeyEm2

Ich glaube du missverstehst die These, (habs auch nicht Präzise ausgedrückt). Es geht nicht darum das Ekel an sich anerzogen/sozialisiert ist sondern Ekel vor bestimmten Dingen. Da aber in deinem Deinen Baby-Beispielen auch von Reflexen die Rede ist, möchte ich die These auch nicht weiter verteidigen sondern erst einmal recherchieren dazu. Im Prinzip sagst du ja das gleiche, das Ekel vor bestimmten Dingen zum Teil erlernt ist und Beweist das durch den Kulturvergleich. Also in jedem Fall vielen Dank für die vielen Infos und Links.

Proletator  05.05.2025, 17:44

Die Frage ist eher, ob das schon Homophobie ist. Um nicht homophob zu sein, reicht es dafür schon aus, tolerant gegenüber Homosexuellen zu sein und sie in Ruhe zu lassen? Oder muss man dazu auch homosexuelle Handlungen abfeiern und darf sich nicht davor ekeln? Man kann auch als Konservativer (es gibt btw..auch homosexuelle Konservative) Homosexualität als Laune der Natur akzeptieren, aber trotzdem unterschiedliche Ansichten haben z.B. zur Homo-Ehe oder Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare. Die Frage ist, wo zieht die Gesellschaft die Grenze zwischen legitimen und illegitimen Umgang mit Homosexualität. Ich finde, es ist kein Verbrechen und durchaus legitim, sich vor Homosexualität zu ekeln (ich selbst tue das nicht), solange man Schwule und Lesben in Frieden lässt und ihnen nicht das Leben schwer macht.

JeyEm2  05.05.2025, 18:42
@Proletator

Kommt immer darauf an wie Homophobie definiert wird. Ich nehme jetzt einfach mal die Definition, die auf negativen Emotionen bzw Abneigung basiert.

Meiner Meinung nach muss man es Leuten hoch anrechnen, die gegen etwas sind, es aber trotzdem tolerieren.

Bei der Adoption von Kindern muss man einfach Mal schauen, was Untersuchungen zeigen. Hier kenne ich mich nicht aus. Ich weiß nur, dass Kinder, die ohne Eltern aufwachsen oft kriminell werden und psychisch krank sind.

Falls Kinder also bei homosexuellen Paaren eine bessere Zukunft hätten, selbst wenn sie bei einem normalen Pärchen eine noch bessere Zukunft hätten, dann finde ich das Adoptionsrecht gut.

Ich würde das quasi vom Wohle der Kinder abhängig machen. Dort, wo sie statistisch die bessere Zukunft haben, sollen sie hin.