Wie war das Leben in der DDR?

6 Antworten

Von RayAnderson und bestätigt

Meine Kindheit war ganz normal. Im Kindergarten gab es zwar erste Ansätze der politischen Beeinflussung, allerdings noch recht dezent. Mal ein Lied über die NVA, mal ein Besuch in einem Volkseigenem Betrieb. Und wer malt den schönsten Panzer, so in der Art. In der Schule ging es dann allerdings richtig los. Man wurde Jungpionier, fand das da noch recht abenteuerlich und spannend und hat das auch noch relativ gerne mitgemacht. Es wurde dann aber zunehmend politischer. Später wurde man dann Thälmannpionier und noch später wurde man dann in die FDJ übernommen. Spätestens hier haben die meisten dann dicht gemacht. In der Schule musste man ständig seinen Standpunkt darlegen, im Unterricht hat es sich oft um den richtigen Klassenstandpunkt gedreht, es gab ein Fach namens Wehrkunde, in Versammlungen wurden vorgegebene Diskussionsbeiträge vorgelesen- fast alle haben das nach außen mitgemacht, keinen hat es wirklich interessiert und seine wirkliche Meinung hat man nur privat geäußert. Man wollte sich ja nicht die weitere Entwicklung versauen. Einer, maximal 2 pro Klasse durften Abitur machen. Das waren die mit dem besten Notendurchschnitt und mit dem (nach außen) richtigen politischen Standpunkt. Und Arbeiterkinder wurden bevorzugt.

Die Jungs wurden daraufhin bearbeitet, dass sie mindestens 3 Jahre zur Armee gehen, am liebsten länger (25 Jahre).Wer sich nur für 18 Monate Grundwehrdienst verpflichtete, hatte es später schwerer. Er wurde dann einfach mal heimatfern eingesetzt und kam zu ungeliebten Truppenteilen.

Wir hatten als Jugendliche natürlich andere Interessen. Ich glaube, so sehr hat sich das gar nicht vom Westteil unterschieden. Musik haben wie auf jeden Fall die Gleiche gehört. Ost- Bands waren eher unbeliebt. Es gab auch verschiedene Jugendkulturen (Metal, Waver, Popper, Punks, Gruftis, Skinheads), die mehr oder weniger gesellschaftlich akzeptiert waren. Am schwierigsten hatten es die Punks und Gruftis, die durften sich dann gerne mal vom biederen DDR-Durchschnittsbürger Sprüche anhören, wo mitgeteilt wurde, was Adolf mit ihnen gemacht hätte. Soviel zum verordneten Antifaschismus.

Ansonsten wurde unheimlich viel gesoffen. Das ist mir heute noch irgendwie gegenwärtig.

Das Alltagsleben war eher unspektakulär, die Grundversorgung war garantiert. Manche Dinge gab es nur gelegentlich (Tomatenmark), manche nur mit Beziehungen (Bananen, Räucheraal)

Für Neuwagen musste man sich anmelden, nach nur 15 Jahren hatte man auch schon ein Auto. Gebrauchtwagen waren teurer als Neufahrzeuge. Handwerker und Ersatzteile bekam man nur schwer, beschleunigen konnte man das mit Westgeld.

Eine Wohnung wurde zugeteilt, man musste vorher einen Wohnberechtigungsschein beantragen. Und dann das nehmen, was man bekam. Natürlich bekam man auch nur eine entsprechend große Wohnung. Als Single eine Wohnung mit 2 oder mehr Zimmern? Nur mit Beziehungen.

Es gab eine Wehrpflicht, entgehen konnte man dieser nicht. Bei Antritt des Wehrdienstes sind viele erstmal vom Glauben abgefallen. So viel Menschenverachtung wie bei der Armee habe ich selber vorher und später nie wieder erlebt. Diesen Stumpfsinn durfte man dann 18 Monate, 3 Jahre oder sogar länger ertragen. Hatte man das hinter sich, durfte man kurz aufatmen. Die Armee hätte dann weiterhin eine Rolle im Leben gespielt: Alle paar Jahre durfte man zum Reservewehrdienst wieder antanzen. Der ging zwar nur 3 Monate, aber nervig war das trotzdem.

Was hat mich an der DDR gestört:

  • Das ständige Stellung beziehen. Ständig musste man sich politisch positionieren. Am Besten natürlich für den Staat.
  • Die Zwangsgemeinschaft. Es wurde irgendwie alles im Kollektiv gemacht. Für Einzelgänger war es schwierig.
  • Die ständigen politischen Parolen. Jeder hat sie nachgeplappert, keiner hat daran geglaubt.
  • Das Gespitzel. Das war wirklich eine üble Sache. Das ging bis in den privaten Bereich.
  • Der ständig präsente Mangel und die verfallenden Innenstädte. Die Umweltverschmutzung.
  • Das Stumpfe und Niveaulose.
  • Die Grenze. Es ist schon eine ziemlich üble Sache, ein ganzes Volk einzusperren. Als ich die Grenze in Berlin zum ersten Mal gesehen habe, fand ich das ziemlich schlimm. Dazu kamen noch die Menschen, die an der Grenze getötet und verletzt wurden. Eine Bankrotterklärung für diesen "Staat"

Etwas Positives und auch das Einzige was ich vermisse:

  • Es gab eine sehr interessante Subkultur.

Man musste in der DDR viel bescheidener und eingeschränkter leben als heute in der Bundesrepublik.

Es gab ein miserables Warenangebot, auch bei Lebensmitteln. Oft gab es die einfachsten Sachen nicht. Auf ein Auto musste man über 10 Jahre warten, einen Telefonanschluss hatten nur ganz wenige Leute. Ein Farbfernseher war so teuer, dass sich das die meisten Leute gar nicht leisten konnten.

Man musste als Bürger auf alle demokratischen Freiheitsrechte verzichten. Es gab keine Meinungsfreiheit, keine Reisefreiheit, keine freien Wahlen, keine freien Medien.

Offiziell gab es keine Arbeitslosen in der DDR. Jeder hatte Arbeit, aber man hatte nicht immer was zu tun. Manchmal musste man ein paar Stunden rumsitzen und warten, auf Ersatzteile oder sowas.

Es gab in der DDR keine Drogen und weniger Kriminalität.

Ich musste in der DDR leben, war 22 Jahre, als die Mauer gefallen ist. Ich vermisse eigentlich nur den Zusammenhalt untereinander. Wir waren damals in unserem Arbeitskollektiv eine verschworene Gemeinschaft. Wir waren immer füreinander da und haben uns gegenseitig geholfen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe in der DDR gelebt, weiss eine ganze Menge darüber.
Katinkacat  09.08.2022, 20:01

Die DDR habe ich noch nicht einen einzigen Tag im Leben vermisst.

Die Familien lebten damals enger beieinander. Hier auf dem Dorf übernahmen die Omas die Erziehung der Enkel. Da hatten wir hier eine sehr enge Familienbande.

In den Betrieben ist das Gezänk heute viel schlimmer, das stimmt. Aber in der DDR habe ich das auch nicht ohne Probleme erlebt. In meinem Lehrbetrieb z. B. haben sich schnell Leute geoutet, die mir die Lehrstelle als Industriekauffrau nicht gegönnt haben, da gab es fiese Sticheleien.

Auch wurde bei uns sofort gepetzt, wenn jemand, der krank geschrieben war, in der Kaufhalle zum Einkaufen war. Ich hatte mich mal im Konsum zum Telefonieren angemeldet, um die Betrieb über meinen Krankenschein zu informieren. Nachdem ich zurück im Betrieb war, wurde ich gleich zum Gespräch zitiert, ich sei draußen gesehen worden. Solche Geschichten gab es auch bei anderen.

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Ich vermisse überhaupt nichts - nicht einen Tag habe ich diese Diktatur vermisst.

Ich habe ewig vom Westen geträumt, der nur wenige Kilometer von mir entfernt war.

Wir als Dorfkinder gingen weder in die Krippe noch in den Hort, aber halbtags in den Kindergarten.

Unsere Großeltern lebten in der Nähe, sogar oft mit im Haus, die bekümmerten sich um uns.

Ich bin Katholikin, ich wollte nicht zur Jugendweihe gehen. Das aber hätte mir meine Lehrstelle als Industriekauffrau gekostet.

BRAVOs musste man schmuggeln. Die Freizeitangebote waren hier in der Provinz kaum vorhanden, das ist heute alles sehr viel besser.

Heute kann ich hinfahren, wohin ich will, kann Konzerte besuchen, habe einen sehr viel besseren Lebensstandard.

Die Schule war sehr lastig auf Naturwissenschaften, ich hätte viel lieber eine dritte Fremdsprache erlernt.

Der Mauerfall änderte alles. Endlich dürfen alle selber ihr Leben in die Hand nehmen,

Eins der ersten Dinge, die mir nach der Wende bei den ersten Besuchen in Westberlin auffiel, war der Dreck überall. In den Ecken lag Müll, Wände, Fenster und Sitzgelegenheiten waren besprüht. Sowas gabs in der DDR nicht.

Aber das ist letztlich nur ne Kleinigkeit, verglichen mit den gesellschaftlichen Unterschieden.

Das Leben in der DDR war sicher, organisiert. Sorgen um Arbeit, Geld, Wohnung oder Lebensmittel waren ebenso fremd wie Sorgen um medizinische Versorgung, Kindergartenplätze usw.

Das alles hatte natürlich einen Preis: Man blieb auf Reisen in sozialistische Bruderländer beschränkt, wenn man nicht wichtige Positionen in wichtigen Betriebsbereichen bekleidete oder anerkannter Künstler war. Kritik an der Politik und Gesellschaft konnte man nicht risikolos öffentlich äußern, nur unter Freunden und hinter vorgehaltener Hand.

Alle Bereiche des öffentlichen Lebens strotzten vor ideologischer Propaganda. Daran gewöhnte man sich schon als Kind. Das ging in ein Ohr rein und kam aus dem anderen wieder raus. Man wusste, was Lehrer bei solchen Themen hören wollten, leierte die Sprüche runter, ohne dran zu glauben und gut.

Wegen den vielen wirtschaftlichen Mängeln wussten sich die Leute provisorisch und mit Erfindungsgeist zu helfen - und das auch GEGENSEITIG. Die Menschen gingen viel offener, unverkrampfter und besser miteinander im Alltag um, als man es sich in unserer heutigen Neidgesellschaft vorstellen kann.

Die echten Schattenseiten des Regimes und das Ausmaß der Bespitzelung der eigenen Bürger habe ich nie kennengelernt. Einzige Ausnahme war mein Dienst an der innerdeutschen Grenze als Grenzsoldat. Das konnte ich mir nicht aussuchen und da musste ich durch. Schießen musste ich glücklicherweise nie auf Flüchtlinge.

MicMax10  02.08.2022, 17:46

Bis auf den ersten und den letzten Absatz stimme ich Dir voll zu. Westverwandtschaft hast Du nicht gehabt. Und zu dem Dreck, den Du beschreibst, schau mal hier:

"Die Altstadt stirbt" - Halle (Saale) im Bereich der Geiststraße - YouTube

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421054  02.08.2022, 17:48
@MicMax10

Ich hatte Westverwandtschaft (Filderstadt/Stuttgart), die uns regelmäßig besuchte. Marode Bausubstanz hat nichts mit weggeworfenem Verpackungsmüll und Schmierereien zu tun.

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421054  02.08.2022, 18:02
@MicMax10

Noch ein kleiner Nachtrag: Dass heute irgendwelche Leute, die mich nicht kennen und nicht die geringste Ahnung von meinem Leben haben, trotzdem erklären wollen, wie meine Vergangenheit war, indem sie mich vermeintlich berichtigen und darüber spekulieren, ob ich etwas hatte oder nicht, ist auch so eine typische "West"-Sache. Arroganz in Kombination mit Unwissenheit. Ganz, ganz dünnes Eis, mein Lieber.

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Nomex64  02.08.2022, 19:56
@MicMax10

Halle, also die Altstadt nicht HaNeu, war aber selbst für die DDR schon sehr besonders.

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guenterhalt  08.08.2022, 13:02
@MicMax10
Und zu dem Dreck, den Du beschreibst, ....

so dreckig war es wirklich nicht, das wurde durch große Plakate und Werbetafeln verdeckt. Die Hauswände waren bunt angemalt. Es hat einige Zeit gedauert, bis zu erkenne war, dass das Schmierereien waren.
Dann die Gegend um die Gedächtniskirche.
Da kam mir schon der Gedanke, dass in der DDR nicht alle gelogen war.
Hier einer mit einer Schnapsflasche, da einer, der offensichtlich auf der Bank wohnte, der nächste muss wohl das in der DDR nur vom Namen bekannte Kokain oder Heroin oder ... genommen haben.
So wurden und Teile des Lebens im Westen beschrieben. Jetzt konnte ich es selbst sehen.

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amdros  06.08.2022, 18:05

Bis auf einige, allerdings unbedeutende Aussagen Deinerseits, kann ich Deiner Antwort reines Gewissens zustimmen entgegen einiger, die die DDR in Grund Boden stampfen.

Wenn man sich als ehem. DDR Bürger zu Wort meldet, sollte man zu solchen Fragen doch bitte auch bei der Wahrheit bleiben!

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Entspannter auf jeden Fall denn Stress gab es erst richtig nach 1989.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Udavu  06.08.2022, 15:13

Für Volvo und Mazda Fahrer waren sogar die schlechten Straßen gut.

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