Wie verarbeitet ihr ausschweifende Erzählungen?
Es gibt Menschen, die berichten von Erlebtem ausführlich.
Könnt ihr mit dieser Informationsflut umgehen?
Könnt ihr die entspannt komplett aufnehmen?
Wie verarbeitet ihr diese?
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass solche Erzähler ihr Gegenüber in das Erlebte "mitnehmen" wollen. Man soll "dabei gewesen sein", um mitfühlen zu können.
Nun gibt es aber auch die Menschen, die den Informationsfluss in ihrer Wahrnehmung in "wichtig" und "unwichtig" aufteilen, um am Ende nur eine Sachinformation zu haben, für die sie dann im besten Fall eine Lösung anbieten können. Gab es denn überhaupt ein Problem?
Letztere waren eben nicht dabei und wollen vielleicht auch nicht dabei gewesen sein? Oder sind sie selbst zu "voll"?
Oft passiert dabei ein Nebeneffekt:
Dem Zuhörer ist der Erzähler zu anstrengend, weil er zu viel Information liefert. Der Erzähler fühlt sich aber nicht abgeholt und wahrgenommen und verfällt dann in Erklärungsnot, liefert also noch mehr Informationen. Der Zuhörer schaltet irgendwann ab und sieht sich in seinem Bedarf eben auch nicht wahrgenommen. Am Ende sind beide gefrustet.
Habt ihr schon praktikable Lösungswege gefunden, um nicht immer wieder in diese Muster zu verfallen?
6 Antworten
Das geht mir auch oft so, weil ich gewohnt bin, Information in konzentrierter Form zu verarbeiten. Zu deinem Problem fallen mir die folgenden Punkte ein, die helfen könnten:
- Kommunikation dient nicht nur der Übermittlung von Informationen, sondern auch der von Emotionen (z. B. akustischen "Streicheleinheiten"; hab ich in den ersten Ehejahren von meiner Frau gelernt).
- Gegen ausschweifende Erzählungen hilft kein Zeitdruck, weil das den Erzähler stresst und es ihm dann oft noch schwerer fällt, zum Punkt zu kommen.
- Bei Zeitknappheit den Erzähler nicht bloß abweisen, sondern ihm einen andern Gesprächstermin anbieten, wo man genug Zeit hat.
- Dem Erzähler ohne Zeitdruck konzentriert zuhören. Dabei nicht nur auf die Information achten, die er vermeintlich vermitteln will, sondern auch auf andere Botschaften, z. B.: "Ich bin froh, dass jemand sich Zeit für mich nimmt", "zeig mir, dass du mich magst", "erzähl ich nicht humorvoll/interessant/unterhaltsam/... ?" etc.
- Dem Erzähler positiv rückmelden, was er vermutlich hören will.
- Immer wieder einhaken und den Erzähler nach noch ausschweifenderen Details fragen (paradoxe Intervention).
- Immer wieder einhaken und dem Erzähler selbst noch ausschweifendere Dinge erzählen ("das erinnert mich daran, wie ich einmal ...")
- Den Erzähler dazu bringen, dass er noch viel mehr Zeit für seine Erzählung braucht, als er eigentlich wollte, so dass ihm selbst die Zeit ausgeht (wg. Feierabend, letzte S-Bahn, Lokal schließt, er muss noch was erledigen, etc.). Also ihn unbedingt dazu bringen, dass er selbst darum bittet, zum Ende zu kommen! (Paradoxe Intervention)
Viel Erfolg!
Das ist ja mal wirklich eine coole und kompetente Antwort! Ich frag mich zwar, wer das umzusetzen vermag und vor allem auch, ob diese paradoxe Intervention tatsächlich dauerhaft einen Korrektureffekt hat, aber wenn man das mit einer guten Portion Humor angeht, könnte das ja richtig witzig werden :)
Also ich habe solche Leute in meiner Familie. Und warum sollte man von der Informationsflut überfordert sein? ist mir noch nie passiert. Aber ich langweile mich, da so viel Überflüssiges erzählt wird.
Manchmal frage ich dann gezielt nach und ja, unhöflich, aber ich hole sie wieder zum Thema zurück, wenn sie abdriften.
Man kann sie darauf ansprechen, hat aber bei meinen noch nie etwas gebracht. Ist eben ihre Art zu erzählen. Sicherlich könnten sie dran arbeiten, in dem sie sich mal aktiv zuhören. Dann dürfte es ihnen selber auffallen. Doch die meisten Leute reflektieren sich nicht. Und somit ist eine Änderung nicht möglich.
Kein Problem, dass du nachfragst. Das unhöflich bezog sich auf das zum Thema zurückholen. Die Leute merken das nämlich und könnten dann eingeschnappt sein.
Warum Leute sich nicht kurzfassen können - keine Ahnung. Ich filtere scheinbar direkt die wichtigen Dinge raus und lösche die unwichtigen. Ist meistens keine bewußte Entscheidung.
Bei meinen Leuten merke ich, dass sie sich einfach verzetteln. Sie beschreiben dann das grün mit ca 2 Sätzen statt einfach zu sagen: "die Pflanze hatte eine schöne, grüne Farbe". Ist natürlich ein blödes Beispiel.
Ich fasse mich (meistens) kurz und formuliere sachlich. Wenn ich weiß, dass der Gesprächpartner erst abgeholt werden muß. Mach ich das. Teilweise, indem ich frage wo er steht und dann von dort beginne.
Falls du dich trainieren wilst: besuch einen Rhetorikkurs. Ein guter Dozent kann dir viel beibringen.
Ich habe eine Kollegin, die vom Hölzchen über das Stöckchen kommt, weit ausholt, bis sie selbst vergessen hat, was die Quintessenz ist.
Das macht mich sehr oft nervös, da die Telefonate 2 Stunden andauern können mit Füllwörtern, Ausschmückungen und Infos, die nichts zum Thema beitragen, oder über ihre Nachbarn und Dinge gehen, die mich nicht interessieren.
Da hilft wirklich nur ein "Filter", bei dem ich die Key words heraus filtere und memoriere, die Nebenschauplätze blende ich aus.
Ich verarbeite das Gesagte direkt im Gespräch. Wenn ich danach noch nachdenke, ist sehr viel Tageszeit vergangen. Aus dem Gespräch ziehe ich die Prioritäten.
Natürlich muss ich diese Logorrhoe abschalten innerlich, sonst wird mir das einfach zu viel.
Damit ich eine Beschäftigung bei den Monologen habe, schreibe ich nebenbei Briefe, oder recherchiere medizinische Dinge.
Es hilft nichts, man muss da durch, denn wenn sie nicht ihr ganzes Programm abgespult hat, bin ich am nächsten Tag wieder dran.
Du kannst versuchen, die Nebensächlichkeiten auszublenden, oder zu sagen, dass Du wenig Zeit hast und nur die Kurzfassung anhören kannst.
Wichtig ist ebenfalls, nicht alles so nah an Dich heran zu lassen.
Alles Gute für Dich.
Also 2 Std. "Programm" ist schon echt heftig und im Job natürlich auch unangebracht!
Ich kenne von mir beide Verhaltensweisen, also mal ausschweifen und mal kurz und knackig. Bzgl. des Ausschweifens ist das jetzt kein Drama, weil ich kein Problem damit habe, wenn mir jemand freundlich gesonnen ist und gezielt nachfragt. Ich lasse auch andere zu Wort kommen und verfalle dann sogar in die Rolle des "seelischen Abfalleimers" und kann das auch gut aushalten. Da ist dann eben jemand "über-voll". Mit manchen Leuten gelingt die Gesprächsführung genial gut, so richtig mit aktivem Zuhören und kurzer Reflektion, wie man verbleibt. Mit anderen suche ich immer noch für mich den maßvolleren Umgang. Ich suche aber immer noch nach Erklärungen, warum es manchmal so schwer ist, die relevanten Infos zu transportieren.
Das liegt ja nicht unbedingt an uns, das Gegenüber hat ja auch Muster. Alles Überkübeln, ohne Rückfrage, wie es einem selbst geht, keine Rücksicht nehmen, ob das Essen auf dem Tisch steht, das sind sehr egoistische Züge.
Da kann man nicht immer die Kurver bekommen und die relevanten Infos transportieren. Es scheitert ja auch daran, wenn das Gespräch beendet wird, dass das Gegenüber weiter redet.
Und was macht man mit Menschen, die auf die Frage, wie es ihnen geht, nicht wirklich antworten? Ich weiß in diesem Fall, dass die Person auch bei anderen abblockt. Da entsteht dann so eine Gesprächspause, die im kleineren Kreis schon auf verschiedenste Weise versucht wurde, zu überbrücken. Mal mit einer Frage zum Alltagsgeschehen, mal mit "Hast du mitbekommen ...?", mal mit dem eigenen Erzählen.
Ich wundere mich wirklich, denn eigentlich hieß es mein ganzes Leben, dass ich unglaublich kommunikationsbegabt sei, aber in den letzten Jahren empfinde ich das als zunehmend schwieriger. Es gibt ja auch die, die auf eine Frage mit der Gegenfrage "Was willst du denn wissen?" reagieren. Das hat mich ja früher voll genervt, aber bei manchen Leuten würde ich das jetzt doch wirklich gerne selbst anwenden.
Bei Menschen, die mundfaul sind und keine Auskünfte geben wollen, sage ich der Höflichkeit halber, ich hoffe, Dir gehts gut. Oder die Frage wird ausgelassen, wenn das Gegenüber sich nicht nach meinem Befinden erkundigt.
Man braucht sich nicht verbiergen und Kommunikation generieren, wenn sich das Gegenüber gar keine Mühe gibt, das muss man aber erst lernen. Man kann schon Gegenfragen stellen-
Nö, gab ich nicht.🙄
Ich würde demjenigen wohl irgendwann mal sagen er solle zum Punkz kommen.
Was denkst du, ist die Ursache?
Gezieltes Nachfragen finde ich nicht unhöflich. Ich frage mich nur, warum das "Überflüssige" erzählt wird. Das ist doch in dem Moment in deren Gehirn und scheint für sie eine wichtige Information zu sein?
Sorry, wenn ich nachfrage, aber mir ist das total wichtig :) Wenn wir früher mit der Schule im Kino waren und später eine Nacherzählung schreiben mussten, konnte ich das nie. Beruflich musste ich aber viel später mal eine Arbeitsprobe abliefern und da wurde kritisiert, dass ich viel zu knackig auf den Punkt geschrieben habe. Ich ertappe mich heute noch dabei, dass ich in beide Verhaltensweisen verfalle, aber offensichtlich nicht so dramatisch, dass ich andere nicht zu Wort kommen lasse. Trotzdem will ich ein besseres Maß finden.