(Wie sehr) schadet Atomenergie der Umwelt?

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Zunächst ist es so das jede Großtechnologie der Umwelt schadet. Das ist bei Atomenergie nicht anders als bei alternativen Energiequellen wie z.B. Wind- oder Solarenergie. Die Rohstoffe die erforderlich sind müssen irgendwo her kommen und die Gewinnung insbesondere der selteneren Stoffe ist extrem umweltschädlich. Das gilt sowohl für z.B. Uran wie auch für Seltene Erden. Auch der Bau von solchen Anlagen ist umweltschädlich, wie jeder andere Bau auch. Bei Kernenergie kommt noch hinzu, dass für die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen ein deutlich höherer Bauaufwand erforderlich ist als bei anderen Anlagen.

Das kritische bei der Kernenergie ist aber nicht die reine Umweltschädlichkeit. Neben dem immer noch ungelösten Problem der radioaktiven Abfälle birgt Kernenergie ein inhärentes Risiko. Denn jeder relevante Schaden an einem Kernkraftwerk schädigt in einem extrem hohen Maß die gesamte Umgebung. Bisher gab es dazu drei große Beispiele (Three Mile Island, Tschernobyl, Fukushima) die jeweils extreme Auswirkungen hatten und immense Schäden produziert haben. Um sich gegen die Folgen abzusichern gibt es verschiedene Methoden. In Deutschland sowie auch in Frankreich wurde bzw. wird die Kernenergie schlicht vom Steuerzahler subventioniert. So waren die deutschen Kernkraftwerke nur mit wenigen hundert Millionen Euro versichert. Dreimal darfst du raten wer im Falle eines Falles die Zeche hätte zahlen müssen. In Frankreich gehört der Betreiber zu über 80% dem Staat und ist mit über 40 Mrd. Euro verschuldet. Wer dafür wohl aufkommt? Der Stromzahler im Moment nicht, dafür sorgen französische Gesetze, jedenfalls so lange wie es wirtsschaftlich noch irgendwie tragbar ist. Auch sind die französischen Reaktoren größtenteils marode, es gibt einen Jahrzehntelangen Wartungsstau.

Die technische Nachrüstung auch gegen die immer neu steigende Bedrohungslage (sei es aufgrund von Terror oder einer geänderten Situation in der Welt) erzeugt zusätzliche Kosten. Daher sind Neubauten von Atomkraftwerken auch immens teuer. Bezahlt wird dies bei privaten Betreibern durch staatlich garantierte Mindestabnahmemengen und Strompreise. Dreimal darfst du raten wer das schon wieder zahlt.

Mein Fazit: Kernenergie kann nicht das halten was sie verspricht. Sie ist weder besonders umweltfreundlich, schon gar nicht in der Gesamtbetrachtung, noch billig.

"Ich gehe hier lediglich auf den Klima (Umwelt) und gesundheitlichen Teil ein und beziehe mich auf empirische Daten, wirtschaftliche Fragen beantworte ich nicht."

Kernkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Das bedeutet, dass Atomkraft ein erhöhtes Risiko für Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit darstellt, insbesondere im Falle von Unfällen oder Störungen. Ein Staudamm (Wasserkraftwerk) ist beispielsweise auch eine Hochrisikotechnologie, da er diverse Sicherheit- und Umweltrisiken birgt. Siehe z.B. Dammbruch (Banqiao, China) welcher bis zu 250'000 Tote gefordert hat. Eine Hochrisikotechnologie bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Technologie durch den kleinsten Fehler gleich in die Luft fliegt, ansonsten hätten wir hier eine deutlich schlechtere Bilanz:

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What are the safest and cleanest sources of energy? - Our World in Data

Die Grafik von "OurWorldinData", nebenbei eine äußerst zuverlässige Quelle, berücksichtigen bei den Angaben zu CO2-Emissionen auch Faktoren wie Abbau, Transport und Wartung. Zudem basiert sie unteranderem auch auf Informationen des IPCC (AR5). Die Daten bezogen auf die "Todesrate" bezieht natürlich auch die Tode durch Katastrophen wie Tschernobyl und Fukushima mit ein. Anhand der Grafik mit guten Gewisse behaupten, dass Kernkraft im empirischen Sinne, sehr sicher ist und eine sehr gute umweltfreundliche Energiequelle darstellen würde.

Der IPCC selbst (welcher wie du weisst als Goldstandard bezeichnet wird) sagt, dass Kernkraft gerade in Ländern mit hohem Kohlestromanteil sehr nützlich für die Ersetzung von fossilen Brennstoffen sein kann. Der IPCC betont natürlich aber auch, dass Kernkraft eine besondere Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit, Entsorgung radioaktiver Abfälle, Proliferation und finanzielle Kosten mit sich bringt. Das Problem ist, wir haben Weltweit einen Energieanteil von 60% fossilen Energiequellen:

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Energy Data Explorer - Our World in Data

Diese Map veranschaulicht sehr gut, dass in einem sehr grossen Teil der Staaten zwischen 60% - 100% fossile Energiequellen verwendet werden. Anhand Abb.1 können wir eine ziemlich solide Aussagen treffen. Fossile Energiequellen sind deutlich umweltschädlicher und gefährlicher als Kernkraft. Selbst wenn man ein noch so starker Kernkraftgegner ist, empirische Daten lassen sich nicht leugnen. Eine Studie der NASA hat z.B. festgestellt, dass Kernenergie von 1971 bis 2009 rund zwei Millionen Menschen gerettet und 64 Gigatonne CO2-Äquivalent verhindert hat, aufgrund der Ersetzung von fossilen Energiequellen wie Kohle.

Quote: “   Using historical production data, we calculate that global nuclear power has prevented an average of 1.84 million air pollution-related deaths and 64 gigatonnes of CO2-equivalent (GtCO2-eq) greenhouse gas (GHG) emissions that would have resulted from fossil fuel burning.

Die UNECE gibt einen Wert von 74 Gigatonnen CO2-Äquivalent in den letzten 50 Jahren an, welcher durch die Verwendung von Kernkraftwerken verhindert wurde. Insgesamt so viel, wie weltweit in zwei Jahren durch Energiebezogene Emissionen ausgossen wird

Quote: Nuclear power is a low-carbon energy source that has played a major role in avoiding CO2 emissions. Over the past 50 years, the use of nuclear power has reduced global CO2 emissions by about 74Gt, or nearly two years’ worth of total global energy-related emissions

Daher konnte ich persönlich auch nicht wirklich das Vorgehen in Deutschland nachvollziehen. Natürlich in Zukunft soll also die Kraft von Sonne, Wind und Wasser genutzt werden, um den Strombedarf zu decken. Das ist meiner Meinung nach auch gut so. Erneuerbare Energiequellen haben ein riesiges Potenzial. Das rechtfertigt aber nicht, Kernenergie durch Kohleenergie zu ersetzen. Das wurde nämlich in Deutschland seitdem man Kernkraftwerke rückbaute diverse Male so gehandhabt:

Quote:  "We find that the lost nuclear electricity production due to the phase-out was replaced primarily by coal-fired production and net electricity imports. This lost nuclear production was replaced by electricity production from coal- and gas-fired sources in Germany as well as electricity imports from surrounding countries. (...) Our analysis indicates that the phase-out of nuclear power comes with an annual cost to Germany of roughly $12 billion per year. Over 70% of this cost is due to the  1,100 excess deaths per year  resulting from the local air pollution emitted by the coal-fired power plants operating in place of the shutdown nuclear plants.

The Private and External Costs of Germany's Nuclear Phase-Out | NBER

Nun um auf den Punkt Super-Gau zu kommen. Wieso hat man in Deutschland einen Schlussstrich gezogen? Hauptsächlich aufgrund der Katastrophe von Fukushima, wobei Tschernobyl sicherlich dabei im Hinterkopf war. Fukushima hat laut aktuellen Daten 2,314 Menschenleben gekostet. Tschernobyl wird von der WHO mit 4000 Toten bezeichnet. Darauf ein Zitat der Harvard Universität:

There is no doubt that nuclear power has problems that can cost human lives, but such risks are borne by all major modes of energy production. Therefore, the question shouldn’t be, ‘is nuclear energy deadly?’ Instead, we should ask ‘is nuclear energy more dangerous than other energy sources?

Reconsidering the Risks of Nuclear Power - Science in the News (harvard.edu)

"Empfehlenswerte Quelle"

Nun, wir haben alle die Daten gesehen. Es ist somit sachlich gesehen nicht abwegig zu behaupten, dass Kernkraft insgesamt deutlich "sicherer" ist als der grösste Teil der Energiequellen, welche aktuell noch verwendet werden. Da es bzgl. der Klima- und Umweltdebatte um diesen Anteil geht, wäre Kernkraft durchaus eine gute Überbrückung in diversen Ländern.

Zusatz Atommüll:

Das ist definitiv ein Problem. Jedoch betreiben wir bereits seit fast 100 Jahren Kernkraftwerke und somit seither auch diesen Müll. Diesen Müll müssen wir loswerden, der verschwindet auch nicht einfach von selbst, wenn wir plötzlich keine Kernkraftwerke mehr hätten. Atommüll ist ein Problem, weil wir nicht wirklich wissen was wir damit machen sollen (oder können?). Wenn wir Technologien entwickeln würden, welche dafür eine Lösung bringen, wäre Atommüll kein wirkliches Problem mehr. Ich halte es jedenfalls für falsch, radioaktive Abfälle, die das größte Problem der Kernkraft darstellen, einfach in Endlagern für hunderttausende oder Million Jahre zu verbuddeln. Das ist meiner Meinung nach keine Lösung des eigentlichen Problems, sondern lediglich eine "Verlagerung". Es wäre aus meiner Sicht besser die Abfälle für die nächsten Dekaden offen unter Aufsicht zu lagern mit dem Ziel, Technologien fertig zu entwickeln, die eine Transmutation der Abfälle technologisch effizient zu ermöglichen. Danach kann man sie gerne verbuddeln, oder sonst wo (je nach Entwicklung) verwenden. Ideen und Prototypen liegen vor:

MYRRHA: An accelerator driven system to manage radioactive waste | IAEA

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor of Science in Earth and Climate Sciences
 - (Technik, Geld, Deutschland)  - (Technik, Geld, Deutschland)

Naja gut ist es sicher nicht.

Man muss das Uran erst mal ausbuddeln.

Der Betrieb an sich ist eher unproplematisch.

Bisschen blöd ist halt der Radioaktive Abfall der n paar 100.000 Jahre strahlt und den irgendwie keiner in seinem Garten verbuddeln mag.

Und wenn so ein Ding hochgeht ists meistens auch nicht so gesund für Mensch und Tier.

Aber ich denke Kohle Öl und Gas sind schlimmer.

Massiv: Der Grundstoff Uran muss auch erst im Bergbau gewonnen werden, da wird durchaus Natur zerstört und schon da fällt jede Menge Abfall an, der "Oho" enthält. Es folgt die Aufbereitung zu Brennstäben, bei denen erneut Strahlenmüll anfällt. Im Regelbetrieb eines AKW darf eine erstaunliche Menge an Strahlung entweichen, das ist auch nicht ohne. Am Ende bleibt ein verbrauchter Brennstab übrig, der Tausende von Jahren bewacht werden muss, vom Müll für den Abriss des AKW, dem Kühlwasser etc. ganz zu schweigen. Nur weil verhältnismäßig wenig Kohlendioxid entsteht, ist eine Technologie noch lange nicht ökologisch ...

Und Dinge wie Störfälle etc. habe ich noch gar nicht betrachtet.

Langsam sollte sich doch wirklich rumgesprochen haben, dass AKW einfach ungeeignet sind, wenn man auf regenerative Energie umstellen will.

Und zwar, weil sie nicht unproblematisch heruntergeregelt werden können. Sie müssen immer mit mindestens 50% laufen, wenn man sie nicht gleich ganz abschaltet - was aber dann bedeutet, dass sie für einige Zeit komplett ausfallen, denn man kann sie auch nicht von jetzt auf gleich wieder einschalten.

Das bedeutet, dass an Tagen, an denen die Sonne scheint und der Wind geht, und somit der größte Teil des Stromverbrauchs regenerativ gedeckt werden könnte, plötzlich Windanlagen gestoppt und PV vom Netz genommen werden muss, damit zusammen mit dem Atomstrom nicht plötzlich zu viel Strom im Netz ist.

Das gilt für Kohlekraftwerke ähnlich. Gut regelbar ist von den fossilen Energiequellen nur Gas, daher ist Gas ab einer gewissen Menge potenziell vefügbarer regenerativer Energie die beste Lösung für die Grundlast.

Dass Atomkraft aus vielen anderen Gründen auch noch Mist ist, spielt da noch nicht mal eine Rolle.

Woher ich das weiß:Hobby – kann googeln…