Unlösbares Problem: Hat f(x)=x^5 einen Wendepunkt im Ursprung oder nicht?
Hallo,
mich beschäftigt eine dringende Frage:
Die Funktion f(x)=x^5 besitzt ja im Punkt P(0/0) eine Nullstelle. Optisch gesehen befindet sich hier ein Wendepunkt. Der Graph hat an dieser Stelle eine fünffache Nullstelle und wenn man weiß, wie der Graph aussieht, dann weiß man auch, dass sich die Krümmung im Ursprung von einer Rechts- in eine Linkskurve umwandelt. Also sollte dort folglich ein Wendepunkt sein.
Nun aber der Haken:
Die Bedinung für einen Wendepunkt ist, dass die 2. Ableitung 0 ist, dass f''(x)=0 und f'''(x)≠0 ist.
Dies ist bei f(x)=x^5 aber nicht der Fall (also Optisch gesehen, ist hier ja ein Wendepunkt im Ursprung, aber die Bedingung für einen Wendepunkt ist nicht erfüllt):
f'(x)=5x^4
f''(x)=20x^3
f'''(x)=60x^2
Wenn ich 0 in f''(x) und f'''(x) einsetze, komme ich auf Folgendes Ergebnis:
f''(x)=20*0^3=0
f'''(x)=60*0^2=0
Bei der zweiten Ableitung kommt 0 raus. Soweit passt es noch. Bei der dritten Ableitung kommt allerdings ebenfalls 0 raus :O. Die Bedingung, für einen Wendepunkt ist allerdings, dass die dritte Ableitung UNGLEICH 0 ist. Was hat das zu bedeuten? Heißt das, f(x)=x^5 hat doch keinen Wendepunkt im Ursprung? Aber die Krümmung ändert dort doch ihr Verhalten, also muss es doch ein Wendepunkt sein. Oder etwa nicht?
Hat zufällig jemand eine Erklärung für dieses Paradoxon? :O
Die Frage geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf...
Vielen Dank im Vorraus für eure Erklärungen :)
PS: Unser Lehrer wusste auch keine Antwort auf die Frage :O
3 Antworten
f ''(x) = 0 und f '''(x) ≠ 0 sind nur hinreichend dafür, dass an der Stelle x eine Wendestelle ist, aber das ist kein exaktes Kriterium. Wenn f '''(x) auch 0 ist, ist erstmal unklar, was bei der Stelle abgeht.
Eine Möglichkeit, die Frage zu klären, ist die Funktion einfach weiter abzuleiten, bis das Ergebnis an der Stelle x nicht mehr 0 ist. Dann guckst du, bei der wievielten Ableitung das passiert ist. Ist diese Zahl ungerade, dann ist x eine Wendestelle, sonst nicht.
In diesem Fall ist die vierte Ableitung an der Stelle 0 auch gleich 0, die fünfte aber nicht. Da 5 ungerade ist, liegt dort also eine Wendestelle vor.
Eine alternative Möglichkeit wäre das Vorzeichenwechselkriterium, welches bereits in anderen Antworten beschrieben wurde.
Nur als Ergänzung, eine ganze Antwort braucht's glaube ich nicht mehr: Hier sieht man auch ganz schön den Unterschied zwischen einer Implikation und einer Äquivalenz. Auf Nicht-Fachchinesisch:
- Wenn diese Kriterien erfüllt sind, dann handelt es sich um einen Wendepunkt.
- Aber es ist nicht gesagt, dass diese Kriterien immer erfüllt sind, wenn es sich um einen Wendepunkt handelt (und das sind sie im Allgemeinen auch nicht).
Jop, ich hab Mathe studiert ;) Den Hintergrund von der oben genannten Regel lernst du irgendwo in den ersten zwei Semestern im Fach Analysis kennen.
Cool, ich kann es kaum erwarten :) Unsere ehemalige Mathelehrerin wollte mir ihre Bücher von ihrem eigenen Studium ausleihen, vielleicht kann ich das da dann ja nachlesen. (Ich muss sie mal daran erinnern :)) Und Analysis finde ich sowieso interessanter als z.B. Geometrie. Wobei ich auch Geometrie nicht soooo schlecht finde. Ist Analysis beim Studium wichtiger als Geometrie oder ist das gleichwichtig?
Sagen wirs so: Die Schulgeometrie wirst du im Studium nicht wiederfinden.
Du wirst aber trotzdem Geometrie betreiben, nur auf einem deutlich abstrakteren Level. Ab einem gewissen Punkt wirst du Analysis und/oder Algebra verwenden, um Geometrie zu verstehen und umgekehrt ;)
Da die zweite Ableitung gleich 0 ist, kann man nicht sicher sein ob es sich hier um einen Wendepunkt handelt oder nicht. Deswegen muss man Prüfen ob an der Stelle f''(0) ein Vorzeichenwechsel stattfindet. Das kann man leicht prüfen und stellt fest, dass f''(x>0)>0 ist und f''(x<0)<0 ist. Aufgrund des VZ-Wechsels an der Stelle 0 handelt es sich hier um einen Wendepunkt.
Ja, das stimmt wohl. Aber unser Lehrer hat uns erklärt, dass es ebenfalls Bedingung ist, dass f'''(x) ungleich 0 sein muss, damit es ein Wendepunkt ist. Das ist hier ja nicht der Fall. Im Internet steht es genauso. Also dass das eine Bedingung für einen Wendepunkt ist. Was hat das denn zu Bedeuten? Heißt das, die Bedingung, dass f'''(x) ungleich 0 sein muss ist Bullshit?
Ok cool, danke :) Das heißt, wenn ich herausfinden möchte, ob es sich um einen Wendepunkt handelt, reicht es erstmal, wenn ich prüfe ob die zweite Ableitung Null ist und die dritte ungleich 0.
Wenn das mit der dritten aber nicht zutrifft, müsste ich dann aber Trotzdem noch prüfen, ob f''(x) sein Vorzeichen wechselt, um herauszufinden, ob es sich nicht doch um einen Wendepunkt handelt, habe ich das richtig verstanden?
Aber unser Lehrer hat uns erklärt, dass es ebenfalls Bedingung ist, dass f'''(x) ungleich 0 sein muss, damit es ein Wendepunkt ist.
Kann nur hoffen, dass er das so nicht gesagt hat...
Die genaue Wortwahl habe ich mir nicht gemerkt... Als die Frage heute gestellt wurde, meinte er, dass er das bis zur nächsten Stunde noch mal recherchieren möchte. Ich wollte aber nicht so lange warten, weil es mich einfach so brennend interessiert hat :)
dass er das bis zur nächsten Stunde noch mal recherchieren möchte.
Das finde ich nicht sehr überzeugend...
Naja, die Problematik sollte ihm bekannt sein, wenn er den Sachverhalt verstanden hat.
Offensichtlich ist er es nicht gewohnt so neugierige Schüler zu haben ^^
Das zeigt mir nur wunderbar, dass das Vorzeichenwechselkriterium unschlagbar in puncto Anwendbarkeit ist. Du wirst dann ganz einfach auf Vorzeichenwechsel der zweiten Ableitung um die potentielle Wendestelle herum prüfen. Wenn bei x = 0 eine potentielle Wendestelle liegt, muss bei x = -1 und x = 1 eine andere Krümmung vorliegen und damit Vorzeichen in der zweiten Ableitung:
Das ist der Fall. In dem Fall handelt es sich um eine Wendestelle, in der von einer Rechtskrümmung in eine Linkskrümmung gewechselt wird oder anders ausgedrückt: von konkav nach konvex.
Positiv ist außerdem, dass gebrochen rationale Funktionen in der Schule nicht mehr betrachtet werden. Die Gefahr, beim VZW über eine Definitionslücke zu springen ist also nicht mehr gegeben.
Huh, seit wann werden die nicht mehr betrachtet? Das ist mir neu :O
Die stehen doch im Lehrplan... Haben wir neulich erst im Unterricht behandelt.
Welches Bundesland? In NRW ist das raus, daher auch keine Quotientenregel mehr für's Ableiten.
Bayern (der "Sonderstaat"). Quotientenregel haben wir gemacht. Ich finde die etwas umständlich und versuche sie meist über die Kettenregel oder anderweitig durch kürzen zu umgehen, da es einfach lange dauert. Bei uns kommt das dran. Allerdings müssen wir soweit ich weiß keine Polynomdivision können, und bekommen den Term in beiden Formen angegeben, so dass man die schräge Asymptote (falls vorhanden) direkt ablesen kann. Genau weiß ich es aber nicht, ob das auch offiziell so im Lehrplan steht, oder ob es nur inoffiziell so ist, weil es bisher noch nie drankam...
Ja, Bayern, hätte ich mir denken können...
Jemand aus Bayern wird sich evtl. jetzt benachteiligt fühlen, im Studium wird der Schock dann aber nicht so groß sein...
Ich finde es übrigens super, wie du dich hinter die Problematik klemmst und nicht einfach mit "sieht man doch" zufrieden gibst!
Wieso sollte sich jemand aus Bayern deswegen benachteiligt fühlen?
Ich finde es übrigens super, wie du dich hinter die Problematik klemmst und nicht einfach mit "sieht man doch" zufrieden gibst!
Naja, es interessiert mich nun mal. Ich hoffe ich werde beim Studium noch mehr Details darüber erfahren :)
OK, dankeschön, aber was ist dann mit der Bedingung, dass die dritte Ableitung nicht 0 sein darf? Ist die Bedingung dann also Bullshit??? Oder ist die dritte Ableitung an der Stelle gar nicht 0? Was hat das zu bedeuten? :O
Inwiefern gibt es das gleiche Problem auch bei Extrema? Hättest du da ein Beispiel dafür? Du meinst, dass wenn z.B. die erste Ableitung 0 ist, es trotzdem nicht gleich eine Extremstelle ist, weil es ja auch ein Terassenpunkt sein kann? Und damit es KEIN Terassenpunkt ist, müsste die zweite Ableitung ja ungleich 0 sein. Das heißt, wenn die zweite Ableitung NICHT 0 ist, die erste Ableitung aber 0 ist, handelt es sich um ein Extremum. Aber in welchem Fall würde dieses Problem da dann auftreten?
Ein konkretes Beispiel wäre f(x) = x^4. Die ersten beiden Ableitungen sind beide 0 an der Stelle x = 0, aber die Funktion hat offensichtlich einen Tiefpunkt bei T(0|0).
Hm, Ok, das macht Sinn :) Ich glaube bei f(x)=x^4 wäre das der Fall, kann das sein? Ich habe gerade die Vermutung, dass solche Ausnahmefälle immer bei Polynomfunktionen auftreten, wenn alle Glieder abgesehen von dem mit dem höchsten Exponenten 0 als Faktor haben, und das Glied mit dem Höchsten Exponenten 1 als Faktor hat. Also f(x)=x^3 , f(x)=x^4, f(x)=x^5 usw:
Danke magischer Grill, ich hole schon meine Veggie-Würstchen.
Oh wow, ich hatte den selben Gedanken und den Kommentar hier gar nicht gesehen :O.
Gut; es ist ohnehin besser, wenn du von alleine auf diese Idee kommst :-)
Ja, dieses Problem mit f '(x) = f ''(x) = 0 kann bei "mehrfachen Nullstellen" auftreten. Die Funktionen x^3, x^4, x^5, ... sind Spezialfälle davon.
De facto hättest du dasselbe Problem auch bei f(x) = (x - 1)^3 oder allgemeiner bei
f(x) = g(x) * (x - k)^3, wobei k irgendeine Zahl ist und g(x) eine polynomielle Funktion. In all diesen Fällen ist f'(k) = f ''(k) = 0.
Aber dahin kommst du später noch ;)
Ja, dieses Problem mit f '(x) = f ''(x) = 0 kann bei "mehrfachen Nullstellen" auftreten. Die Funktionen x^3, x^4, x^5, ... sind Spezialfälle davon.
Inwiefern sind das Spezialfälle?
Aber dahin kommst du später noch ;)
In der Schule oder beim Studium?
Inwiefern sind das Spezialfälle?
Ich hab dir ja gesagt, dass f(x) = g(x) * (x - k)^3 immer f '(k) = f ''(k) = 0 zur Folge hat.
Und die Funktionen x^3, x^4, x^5, ... sind alle von dieser Form:
x^3 = 1 * (x - 0)^3, [hier ist also g(x) = 1 und k = 0]
x^4 = x * (x - 0)^3, [g(x) = x]
x^5 = x^2 * (x - 0)^3, [g(x) = x^2]
...
In der Schule oder beim Studium?
Mehrfache Nullstellen werden manchmal in der Schule behandelt, aber eigentlich dachte ich eher ans Studium.
Achsoooo, ich habe die Antwort falsch verstanden, ich dachte, die Fälle wären nochmal ein speziellerer Spezialfall oder so :)
Jetzt weiß ich wie es gemeint war :)
Also mehrfache Nullstellen hatten wir in der 10, allerdings haben wir da nicht die Eigenschaften besprochen. (Ableiten lernt man ja erst in der 11.)
Es muss aber nicht unbedingt eine Nullstelle sein oder?
Also es kann ja auch sein, dass der Graph noch nach unten oder nach oben verschoben ist. Z.B. hat man bei f(x)=x^5+1 keine Nullstelle, aber trotzdem einen Wendepunkt. :) Also man hat schon eine Nullstelle, aber der Wendepunkt liegt bei P(0/1).
Absolut korrekt. "Dreifache Nullstellen" sind hinreichend für f '(x) = f ''(x) = 0 (für wenigstens eine Zahl x), aber nicht notwendig [um den Kreis zu schließen :-D]
Beachte aber, dass dennoch an der Stelle x = 0 eine mehrfache Nullstelle von f '(x) vorliegt.
Von f'(x) ja, aber man betrachtet ja meistens den eigentlichen Funktionsgraphen und nicht den Ableitungsgraphen. Aber von f'(x) ist es natürlich eine Nullstellen, sonst könnte es ja kein Wendepunkt sein :)
Was meinst du? Eine Wendestelle w muss nicht f '(w) = 0 erfüllen.
Dass sowas passiert ist so speziell, dass es sogar nen eigenen Namen dafür gibt: Ein Wendepunkt (w|f(w)) mit f '(w) = 0 heißt auch "Sattelpunkt".
Oh, oups, ich meinte natürlich einen "Terassenpunkt (=Sattelpunkt - ich finde Terassenpunkt hört sich irgendwie besser an, bei Sattelpunkt muss ich irgendwie immer an so einen Pferdesattel denken). Also in dem Fall wäre es auch ein Terassenpunkt. Aber du hast natürlich recht, bei einem Wendepunkt muss die erste Ableitung nicht 0 sein :) Nur hier in dem Fall ist es so, weil es sich eben um einen Sattelpunkt handelt.
Das wäre übrigens noch so ein Fall: ein Sattelpunkt ist automatisch ein Wendepunkt, ein Wendepunkt ist allerdings nicht immer ein Sattelpunkt :)
Wenn du dir z.B. den Wikipedia-Artikel zu "Sattelpunkt" (oder Terassenpunkt oder whatever) anschaust, wirst du feststellen, dass die Umgebungen von Sattelpunkten im mehrdimensionalen tatsächlich Ähnlichkeiten mit Pferdesatteln aufweisen ;-D
Cool, danke :) Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung. Mich würde so sehr der Hintergrund hinter all dem interessen und auch mehr Details. Du hast Mathe studiert? Ich glaube das werde ich auch tun :)