Ein kurzes Abstract für Lesefaule
- Wie lange dauert das Ausschleichen von Risperidon? Üblicherweise höchstens 10-12 Wochen. Je höher die auszuschleichende Dosis und je sensibler dein Körper, desto länger schleicht man aus. Weiter als über 12 Wochen streckt man die Ausschleichzeit nur in seltenen Einzelfällen. Welche Dauer in deinem Fall notwendig ist, kann nur dein Arzt einschätzen.
- Wann hat man kein Risperidon mehr im Blut? Spätestens 5 Tage nach der letzten Einnahme hat der Körper alles wieder vollständig abgebaut und ist frei von Risperidon (eher sogar noch etwas früher). Warum genau 5 Tage, habe ich unten erklärt.
Ausführlicher
Beim Ausschleichen von Neuroleptika orientiert man sich häufig, vor allem am Anfang, grob an der 3-Wochen-10%-Regel, d.h. die Dosis wird alle 3 Wochen um 10% reduziert. Das ist zwar lediglich eine grobe, pauschale Faustregel, die nur einen ungefähren Rahmen absteckt, kann aber am Anfang beim ersten Reduktionsschritt und falls die Reduktionsschritte und -intervalle durch nichts anderes bestimmt werden, ein sinnvoller Orientierungspunkt sein.
Letzteres kommt aber in der Praxis eher selten vor, denn die Wahl der Reduktionsintervalle hängt in der Realität noch von mehr Faktoren ab und wird daher meist individuell bestimmt. In der Regel wird das Absetzschema auch nicht von Anfang in Stein gemeißelt, sondern in regelmäßigen Kontrollterminen schrittweise abhängig von der individuellen Absetzsymptomatik immer nur häppchenweise um einige Wochen bis zum nächsten Kontrolltermin erweitert, an dem dann der Zustand des Patienten erneut beurteilt und davon ausgehend das Reduktionsschema auf die wieder nächsten Wochen bis zum nächsten Kontrolltermin erweitert wird, d.h. das Schema wird nicht einmal vollständig aufgestellt, sondern agil kontinuierlich geeignet erweitert. Damit kann es eine pauschale Aussage zum Absetzschema wie du sie womöglich erwartest gar nicht geben, denn das wäre genau eine idealisierte, theoretische Faustregel wie die oben benannte, die die Praxis nicht realistisch abbildet, sondern mittelt. Und wer ist schon der Durchschnitt ;-)
Genauer: Initial, d.h. bei der ersten Dosisreduktion orientiert man sich vor allem an der körperlichen Sensibilität, die man anhand des Verlaufs der Einschleichphase beurteilen kann. Hat der Patient etwa bereits beim Einschleichen sensibel mit Nebenwirkungen reagiert, sollte man vorsichtiger vorgehen, ansonsten ist ein erster Reduktionsschritt um direkt 10-15% in aller Regel problemlos möglich. Pro Kontrolltermin wird das Absetzschema ausreichend verlängert, üblich sind Intervalllängen von 3-6 Wochen, bis zur nächsten Dosisreduktion, wobei die Intervalle zum Ende hin häufig gestreckt werden, um potenzielle Absetzsymptome abzumildern, die - sollten sie auftreten - das am wahrscheinlichsten während der letzten Reduktionsschritte tun werden.
Oft schon ab 0,5 mg, spätestens aber ab 0,25 mg wird Risperidon in der Regel dann vollständig abgesetzt. Es gibt Einzelfälle, bei denen wegen stärker ausgeprägter Absetzsymptome ein 0,25 mg-Schritt zu groß ist und dann von Tabletten auf feiner dosierbare Tropfen umgestellt wird. Die Reduktionsschritte können also, falls erforderlich, durch die Umstellung auf niedrig dosierte Tropfen auch theoretisch beliebig klein gewählt werden, sodass so gut wie allen Absetzsymptomen mit ausreichend langen Reduktionsintervallen und ausreichend kleinen Reduktionsschritten begegnet werden kann.
Da die Frage, ab wann du kein Risperidon mehr im Blut hast, auch sehr relevant ist, um zu beurteilen, ab wann kein Interaktionsrisiko mit anderen Medikamenten mehr besteht, möchte ich darauf auch noch eingehen. Dafür müssen wir allerdings kurz ausholen, denn nur den Abbau von Risperidon allein zu betrachten, reicht dabei nicht aus. Hierfür ein kleiner pharmakologischer Exkurs in die Pharmakokinetik von Risperidon, d.h. so viel wie:
Was passiert mit Risperidon nach der Einnahme im Körper? Eine oral eingenommene Risperidon-Tablette landet nach dem Schlucken erst im Magen und dann im Darm. Im Dünndarm zerfällt die Tablette und gibt den Wirkstoff Risperidon frei, der dann von der Dünndarmschleimhaut aufgenommen wird. Bevor das Risperidon allerdings in die Blutbahn gelangt, mithilfe der es im Körper verteilt wird und so das Gehirn erreicht, wo es seine Wirkung entfaltet, muss es zunächst die Leber passieren. Während dieser ersten Leberpassage finden biochemische Prozesse statt, d.h. die in der Leber enthaltenen Leberenzyme reagieren mit dem aufgenommenen Risperidon, wodurch ein Teil des Risperidons durch eine chemische Reaktion in 9-Hydroxy-Risperidon (auch Paliperidon genannt), den sog. wirksamen Metaboliten von Risperidon umgewandelt wird.
Das klingt komplizierter als es ist und heißt am Ende des Tages nur, dass
- ein Teil der Dosis unverändert als Risperidon ins Blut gelangt und
- ein anderer Teil in der Leber durch eine chemische Reaktion zu Paliperidon umgewandelt wird und als Paliperidon ins Blut gelangt.
Obwohl also nur pures Risperidon eingenommen wurde, gelangen zwei verschiedene Substanzen ins Blut, Risperidon selbst und Paliperidon, d.h. es findet sich nur ein Teil der ursprünglich eingenommenen Dosis Risperidon als Risperidon im Blut wieder, der andere Teil als Paliperidon. Paliperidon ist wie die Bezeichnung wirksamer Metabolit bereits suggeriert kein Abfallprodukt, sondern ebenso wirksam wie Risperidon und entfaltet im Gehirn tatsächlich auch praktisch dieselbe Wirkung. Diese bleibt also trotz der teilweisen Umwandlung von Risperidon in Paliperidon erhalten - der wesentliche Unterschied zwischen Risperidon und Paliperidon liegt aber beim Abbau. Denn trotz letztendlich gleicher Wirkung ist Paliperidon chemisch ein anderer Stoff als Risperidon und unterscheidet sich vor allem darin, wie schnell es abgebaut wird, nämlich langsamer. Das eingenommene Risperidon ist also erst dann vollständig abgebaut und aus dem Körper, wenn auch das Paliperidon vollständig abgebaut ist.
Mit anderen Worten: Die Zeit die nötig ist, um die eingenommene Dosis Risperidon abzubauen, entspricht also der Zeit, die nötig ist, um Risperidon und Paliperidon gleichzeitig abzubauen. Um diese Zeit zu berechnen, benötigen wir zunächst die Halbwertszeit beider Stoffe, d.h. die Zeit, nach der der Körper die Hälfte des jeweiligen Wirkstoffs abgebaut hat. Das ist zwar grundsätzlich natürlich abhängig vom individuellen Körper, man kann allerdings Durchschnittswerte angeben: Die Halbwertszeit von Risperidon beträgt 2-4 Stunden, die von Paliperidon 17-23 Stunden.
Nun interessiert uns aber nicht die Halbwertszeit, sondern eigentlich die Auswaschzeit, d.h. die Zeit, bis der Körper einen Wirkstoff vollständig abgebaut hat. Diese entspricht grob fünfmal der Halbwertszeit. Nach Einnahme der letzten Tablette dauert es also noch 10-20 Stunden, bis das Risperidon vollständig abgebaut ist und 85-115 Stunden (= 3-5 Tage), bis das Paliperidon vollständig abgebaut ist. Nachdem du die letzte Tablette eingenommen hast, dauert es also grob höchstens noch 5 Tage, bis alles an Risperidon und Paliperidon deinen Körper verlassen hat.
Ich wünsche dir alles Gute.
(Anmerkung: Wer penibel genau sein will, gerät beim letzten Absatz womöglich kurz ins Stocken, denn zu Recht kann man sich fragen, warum in der Berechnung der Fakt ignoriert wird, dass der wirksame Blutspiegel (= Risperidon-Spiegel + Paliperidon-Spiegel) am letzten Einnahmetag eigentlich höher ist als der, den die eingenommene Risperidon-Dosis allein bewirkt. Denn das durch die Risperidon-Einnahme am vorherigen Tag ins Blut gelangte Paliperidon ist bei der 24 h später folgenden Einnahme später noch zu einem wesentlichen Teil im Blut vorhanden (denn wie oben bereits erwähnt: Paliperidon hat eine Halbwertszeit von 17-23 h, ist also nach 24 h gerade einmal etwas mehr als zur Hälfte abgebaut, d.h. der Blutspiegel hat sich nur etwas weniger als halbiert). Das ist aber ein Missverständnis (zur Beruhigung: ein sehr geläufiges), denn die Auswaschzeit ist gar nicht dosisabhängig (ganz im Gegensatz zur Eliminationsgeschwindigkeit zum Beispiel). Das heißt, dass sich die Höhe des Blutspiegels völlig unabhängig vom tatsächlichen Wert pro Halbwertszeit halbiert hat und nach pauschal fünf Halbwertszeiten praktisch null ist. Damit können wir den konkreten Blutspiegel ignorieren, wenn es wie hier nur darum geht, wann der Wirkstoff abgebaut ist.)