Ritterschlag oder Demütigung?
Liebe Gute-Frage-Gemeinde!
Hieltet Ihr es eher für einen persönlichen Ritterschlag oder eine öffentliche Demütigung, als Jahrgangsbester an der Universität für Verwaltungswissenschaften zu Speyer ausgezeichnet zu werden?
Schreibt bitte, warum Ihr es auf diese oder jene Weise einschätzen würdet.
Gebt, wenn Ihr mögt, gerne auch Euer Alter, Geschlecht, Bildungsgrad und Monatseinkommen an.
Liebe Grüße, ich freue mich auf Eure Antworten!
Euer @omegasau420
7 Stimmen
4 Antworten
Es ist objektiv ein Ritterschlag, aber es kommt drauf an, wo der Laureat herkommt: Wenn jemand aus einfachstem Dorf-Milieu ein solches Prädikat verliehen bekommt und sich das in einem landwirtschaftlich geprägten Umfeld erst einmal rumspricht, wird es ihm dort so gehen wie mir in meiner Heimat -------> ich war für viele der "Akademikertrottel", der zwar allgemein anerkannt gebildet und seriös und finanzstark war, aber andererseits "zu blöd für die Landwirtschaft, das Handwerk und die Fabrik". Jeder berufliche Erfolg war für mich dort eine Art Pseudo-Erfolg, der nicht wertgeschätzt wurde und indirekt in die Richtung einer Demütigung ging.
Schreibt bitte, warum Ihr es auf diese oder jene Weise einschätzen würdet.
Ich beziehe es auf das Milieu, aus dem ich stamme und in dem ich aufwuchs. Alles, was anders war als das, was alle gemacht haben und was MAN machte, war "nix" und kam gleich einer Art Niederlage oder Demütigung; wer eine Auszeichnung im Bereich Verwaltung oder Ähnliches erhielt, wurde eher dafür ausgelacht nach dem Motto -------> war ja klar, für die Feldarbeit war er zu doof, dann kriegt er halt gnädigerweise so was zugemauschelt zum Ausgleich, weil er sonst nix zu bieten hat :-/
Gebt, wenn Ihr mögt, gerne auch Euer Alter, Geschlecht, Bildungsgrad und Monatseinkommen an.
Ich bin 33 Jahre alt, ein Mann und Technischer Redakteur, alles andere leitet sich daraus ab.
Danke, das sind "nur" meine eigenen Erfahrungen in dieser Sache, die teils entwürdigend waren, die ich aber gerade deswegen ungefiltert schildere. Ich habe mir teilweise Sachen anhören müssen, die einfach nur geschmacklos waren und noch nicht mal so eklig wie manches, das andere aufgetischt bekamen.
Ich komme davon abgesehen noch immer nicht von dem Gedanken los, doch noch ein Buch zu schreiben nach dem Motto "Erlebtes und Erlittenes - stolz, KEIN Dorfkind zu sein" oder so was in der Art. Wenn ich mal richtig viel Zeit habe, gehe ich das wahrscheinlich auch an. Konzepte bzw. eher "Pinselstriche" dazu gibt es schon, aber noch nichts Konkretes - so was braucht Zeit; ich weiß es von einer Freundin, die schon mehrere (Fach-)bücher geschrieben hat und mich dazu ermutigt hat, das Projekt mal gezielt anzugehen.
Das wäre ein Buch, das die skurrilsten und abwegigsten Anekdoten bündelt und teilweise auch eine Abrechnung darstellt - die Vorstadt ist ein einziger Abgrund und liefert massenweise Stoff für Geschichten, wenn man da erst mal Jahrzehnte zubringt und die Leute näher und intensiver erlebt, als man es will ... und das aus jeder Perspektive. Erlebtes und Erlittenes eben - und da kommen auch solche Sachen vor.
Ritterschlag ist zwar etwas übertrieben, aber schon eine Ehrung.
Die Leute dort sind ja an der Uni, weil ihnen (fast) allen diese Fachrichtung gefällt. Entsprechend ist es sicherlich für die Person schön, in der gewählten Fachrichtung den besten Abschluss des Jahrgangs zu haben.
Mein Studium wäre es nicht, daher habe ich etwas anderes studiert, aber ich weiß dass jeder andere Stärken, Schwächen und Interessen hat und würde der Person, wenn ich dort wäre oder ich sie kenne, auch gratulieren.
Eine Freundin von mir aus dem Studium und eine andere Bekannte haben auch um den Titel unserer Uni "konkurriert", war ein sehr knappes Rennen und hing letztlich an einer Klausur. Die andere hat gewonnen, wir haben ihr ernstgemeint gratuliert und drauf angestoßen.
Beim Schulabschluss war ich Jahrgangsbeste, ist schon was besonderes extra erwähnt und nach vorne gerufen zu werden.
Zu mir: Akademikerin, w, 29, Einkommensreichste 10%.
Weder das eine noch das andere
Du hast eine Leistung erbracht, diese wird honoriert.
Mehr nicht.
Ich gratuliere!
Bist Du jetzt etwa diplomierter Bürokrat?
Nein, es handelt sich lediglich um ein Gedankenexperiment. In Speyer war ich noch nie.
Vielen Dank für deine profunde und differenzierte Antwort. Du vermittelst eine spannende Perspektive.