Hängt Stottern mit der Intelligenz zusammen?

10 Antworten

Von Experten Avicenna89 und DianaValesko bestätigt

Nein, aber sie werden oft nicht ernst genommen oder für dumm gehalten werden, obwohl ein Sprachfehler nicht auf mindere Intelligenz hindeutet - es gibt Vorurteile ohne Ende und das ist nur eines. Fernsehsendungen leben übrigens oft genug davon, dass Klischees ohne Ende wieder gegeben werden, um gesellschaftliche Stereotypen zu befriedigen und vielleicht auch die Leute zum Lachen zu bringen bzw. ihnen zu präsentieren, was sie sehen wollen.

Stotterer werden oft auf das Stottern reduziert und nicht als vollwertige Menschen angesehen. Übrigens ist das ein Thema, mit dem auch starke Dialektsprecher zu kämpfen haben, die zudem als hinterwäldlerisch und ungebildet angesehen werden - da ist die Gesellschaft voller Ressentiments.

Kenne zwei Stotterer näher; einer hat das ganz gut in den Griff gekriegt und ist um die 50, der Andere ist mit Mitte 20 nicht in der Lage, ein normales Gespräch zu führen und wird überall für behindert oder dümmlich gehalten, obwohl er eigentlich durchaus was zu bieten hat, wenn man ihn näher kennen lernt. Der Bub musste mangels Alternativen (der hätte eigentlich auf eine Sprachheilschule gehen müssen) im Ländlichen Raum auf eine herkömmliche Förderschule für Lernbehinderte gehen, wo er unter wirklich "behinderten" Kindern beschult wurde und ging mit seinen Eltern zur "Lebenshilfe für geistig Behinderte", wo er teilweise mit auf den Rollstuhl angewiesenen, inkontinenten und lebensverkürzt erkrankten Kindern mit schwerster geistiger Behinderung in Gruppenstunden rumsaß; der wurde in seinem Heimatort immer ausgegrenzt und gilt heute noch als behindert (kenne das seit der Bub vielleicht acht Jahre alt ist) - ganz großes Fragezeichen, ob ihm und seinem Selbstbewusstsein diese Odyssee gut getan hat...! Aber da sind eher die Eltern dran schuld.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Bei Leuten mit einem starken Akzent ist mir das auch schon aufgefallen. Deshalb auch meine Vermutung das es bei Stotterern ebenso ist. Vielen Dank für deine Antwort 😊

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@Loka95

Ein prominenter Ex-Stotterer war übrigens der Moderator Dieter-Thomas Heck. Ich habe mal gelesen, dass er durch ein Kriegstrauma zu stottern begonnen habe. Will sagen - teilweise kann so etwas auch durch prägende Ereignisse von schwerwiegendem Charakter ausgelöst werden. Dieter-Thomas Heck bekam das Ganze wohl durch das Singen wieder in den Griff - und wenn man die ganzen ZDF-Sendungen sieht, die er in all den Jahren auf unnachahmliche Art gestaltet hat, dann merkt man da nichts mehr von.

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@rotesand

Das ist echt interessant, danke 👍

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Danke für dein empathisches Statement. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jede Art von Sprachentwicklungsverzögerung zu massiver Ausgrenzung bei Gleichaltrigen führt. Unsere Gesellschaft ist zu wenig sensibilisiert, dass Sprachstörungen nichts mit Intelligenz zu tun haben.

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@tanzella

Ja, das kommt hin. Ich persönlich habe noch die Erfahrung gemacht, dass "Dialektschwätzer" oder auch Leute mit deutlichem Akzent jeder Art ausgegrenzt werden oder zumindest nicht so wirklich ernst genommen. Die Gesellschaft behauptet gern, tolerant zu sein, ist es aber in vielen Fällen nicht.

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Mit Intelligenz hat das nichts zu tun. Häufig ist das glaube ich eine Art Nervosität oder sonstige innere Anspannung, die die betroffenen stottern lässt.

Danke, das habe ich auch vermutet 😊

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@Loka95

Man stottert übrigens auch nicht, weil man nervös ist, aber man wird evtl. nervös vor Sprechsituationen, weil man weiß, dass man sehr wahrscheinlich wird stottern müssen.

Das macht es mit der Wahrnehmung so schwierig. Die meisten Menschen vergleichen Stottern mit den Verhasplern oder ähnlichem, was jeder Mensch mal beim Sprchen hat. Da liegt es dann meist tatsächlich an Unkenzentriertheit oder Aufregung. "Richtiges" Stottern wird davon aber nicht verursacht. Angst und Nervosität können so genannte Begleitsymptome von Stottern sein. Man entwickelt diese, aus schlechten Erfhrungen heraus, wenn man z.B. ausgelacht wurde für sein stotterndes Sprechen.

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Nein. Stotterer sind nicht dümmer.

Biden z.B. was früher ein massiver Stotterer, und der Grund warum sich seine Reden manchmal etwas seltsamen anhören sind verschiedene Sprechtechniken um das Stottern zu vermeiden.

Der Vollständigkeit halber:

Natürlich gibt es auch dumme Stotterer. Aber das hat nichts mit den Sprechproblemen zu tun. Es gibt halt einfach Idioten.

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@Tuehpi

Wenn dieses Sprachproblem durch mangelnde Intelligenz hervorgerufen werde würde, wäre es ein Wunder, dass so viele Politiker flüssig sprechen.

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Nein, stotternde Menschen müssen nicht zwangsläufig weniger intelligent sein.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Damit lebender von Geburt an.

Sprache ist ein Instrument, das es uns Menschen seit jeher erlaubt, Gedanken, also die Ergebnisse und Prozesse unseres Intelligentseins präzise zu teilen. Wir sind es von Intellektuellen gewohnt, dass sie sich eloquent ausdrücken und in der Lage sind, komplexe Sachverhalte für die Normalmenschen aufzubereiten und zu kommunizieren. Diese Gewohnheit ist jedoch ein Henne-Ei-Problem. Schließlich werden für die öffentliche Kommunikation ja auch diejenigen Experten unter einer größeren Menge von Intellektuellen ausgewählt, die sprachlich einen guten Ausdruck haben. Also den Laien werden eigentlich nur die Intellektuellen als solche verkauft, die über ihre fachlichen Fähigkeiten hinaus auch noch gut reden können und dadurch ergibt sich ein verzerrtes Gesamtbild.

Nichtsdestotrotz führt dieser Wahrnehmungsfehler zu dem Fehlschluss, dass ein schwächerer sprachlicher Ausdruck mit einer geringeren Intelligenz einhergeht. Sehr oft beobachtet man das auch, wenn Einheimische mit Migranten reden (oder noch viel absurder gestaltet sich das, wenn ein Deutscher in Italien Urlaub macht, der einheimische Kellner halbwegs Deutsch kann und der Deutsche ihn dann so behandelt als wäre er irgendwie "dumm", dabei ist es ja dann offensichtlich der Italiener, der die größere intellektuelle Leistung an den Tag legt). Ich arbeite viel mit internationalen Akademikern zusammen und weiß, dass ein "dummer" Ersteindruck ganz stark von der verbalen Perzeption des Gegenübers geprägt wird und nach einem Kennenlernen ins Gegenteil gedreht wird, wenn man sich eingesteht, dass der Gegenüber in einer komplizierten Fremdsprache wie dem Deutschen als Nicht-Muttersprachler sicherlich kein leichtes Los hat und dennoch die in meinem Umfeld üblichen akademischen Höchstleistungen erbringt.

So ähnlich ist es sicherlich auch beim Stottern (oder anderen Sprachfehlern). Das Gehirn ist ja kein monofunktionales Ding, das komplett geschädigt ist, wenn es an einer bestimmten Stelle (Sprachzentrum) einen kleinen Schaden hat. Ich weiß selbst aus Erfahrung als Tutor in naturwissenschaftlichen Laborkursen mit stotternden Mitstudenten, dass es mitunter viel Geduld erfordert, den Leuten zuzuhören und das langsame Zuendebringen der Gedanken (wobei die Gedanken ja meistens schon längst fertig sind, wenn man einen Satz dazu formuliert) als langsames Denken fehlinterpretiert wird. Wenn man stotternde Leute aber an einer schriftlichen Klausur teilnehmen lässt, die bspw. viel mathematische Berechnungen erfordert, benötigen sie meist nicht mehr Zeit zum Denken und Lösen als Nichtstotternde.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Vielen Dank für die ausführliche Begründung 😊

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