Wie viel Empathie habt ihr im Rettungsdienst?

5 Antworten

Da ist jeder unterschiedlich.

Ich arbeite nicht im Rettungsdienst, habe trotzdem öfters auch mit verletzten Personen zu tun.

Beispielsweise bei einem Verkehrsunfall behält man schon im Hinterkopf, wie es der Person geht. Grade wenn man als innerer Retter im Unfall-PKW sitzt und die Person betreut. Dabei allerdings ruhig und koordiniert zu bleiben ist Professionalität.

Die Einsatzkräfte sind in den Meisten Fällen auch keine emotionslosen Roboter, sondern ebenfalls Menschen. Menschen, die in ihrer Freizeit oder im Beruf sich öfters damit auseinandersetzen müssen. Bzw wollen.

Mir selber setzen besonders Einsätze mit Kindern stärker zu als mit Erwachsenen. Dann kann man aber nach dem Einsatz darüber sprechen. Mit Kameraden, Kollegen und/oder professioneller Hilfe.

Wenn man im Einsatz mal merkt, dass es nicht geht, gibt man seiner Führungskraft Bescheid und übernimmt rückwertige Aufgaben. Wenn man allerdings nur zu zweit auf dem RTW unterwegs ist und die Vitalparameter des Patienten ebenfalls in den Keller feuern, ist das tatsächlich eher ungünstig.

Dass jemand, der absolut kein Blut sehen kann, nicht im Rettungsdienst arbeiten sollte, ist denke ich logisch. Den psychischen Umgang damit kann man aber in den meisten Fällen trainieren.

Adrenalin regelt da auch sehr viel. Da vollbringt man so manche Leistungen, von denen man vorher nicht dachte, dass man das schafft. Sowohl Geist, als auch Körper funktioniert dann einfach.

Woher ich das weiß:Hobby – Cardiotraining, Feuerwehrsport/Treppenlauf unter Atemschutz

Hey :)

Also ich bin kein Sani, aber ich hab auch schon ein wenig Erfahrung in dem Thema durch Praktika oder so.

Ich glaube mein Hauptproblem bei dem war immer, dass ich ja Menschen helfen wollte, und sie nicht leiden sehen will .. natürlich kann man sich das vorher denken, dass das nicht so zusammenpasst, aber ich dachte eben, das wäre nicht so schlimm. Also Anfangs konnte ich bei auch etwas tieferen Schnittwunden o.Ä. auch nicht hinsehen, zumindest nicht ohne ein sehr mulmiges Gefühl, und das hat auch noch lange beschäftigt danach. Aber mit der Zeit, vorallem weil wir im Studium auch viel mit eben bereits gestorbenen Menschen arbeiteten, wurde das alles besser. Dann hat man auch die Vorgehensweisen mehr "im Blut" und konnte dementsprechend auch bei Stresssituationen, oder wenn ich eben das schlechte Gefühl hatte, handeln.

Nun ich weiß nicht, ob bei jeder Person einfach so ein Punkt kommt, ab dem das akzeptabler ist. Es wird immer Fälle geben, die einen mehr mitnehmen und auch weniger. Grundsätzlich ist für mich das kein Problem in der Sparte, solange man eben darauf vertrauen kann, dass du deine Arbeit schon machen kannst. Manchmal kann man eben alleine keine Schulter einrenken oder so.. und ich kann mir vorstellen, dass das für Arbeitgeber auch ein Kriterium ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Medizin Studentin

Man wächst mit seinen Aufgaben. Du gewöhnst dich daran. Für mein Empfinden spricht nichts gegen deine Berufswahl.

Waldemarie 
Fragesteller
 05.10.2021, 16:26

Wie ist das denn bei dir so?

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Maxxismo  05.10.2021, 16:28
@Waldemarie

Ich fahre aktuell nicht im Rettungsdienst. Meiner Erfahrung nach gewöhnt man sich aber schnell an viele Dinge, wenn man plötzlich gefordert wird. Als Praktikant im Rettungsdienst war vieles schlimmer, als später als aktiver Rettungssanni. Und als Student im Medizinstudium musste ich auch manchmal die Augen zumachen. Das hat sich dann aber gelegt. Als Arzt muss man dann halt eh durch, da stellt man sich die Frage nicht mehr.

Zugucken ist oft schlimmer als selbst machen. ;-)

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Meiner Meinung nach ist eine der wichtigsten Eigenschaften eines Mitarbeiters im Rettungsdienst die gesunde und professionelle Distanz zu Patienten. Empathie ist gut, aber auf gar keinen Fall darf man die Patienten an sich heran lassen.

Dies ist eine der Voraussetzungen, um den Beruf lange ausüben zu können und dabei nicht psychisch zu erkranken. Psychotherapeuten, Bestatter, Pflegekräfte, Sozialarbeiter sind alle im unterschiedlichen Maße auf die korrekte Funktionalität dieser Barriere angewiesen. Wenn ich alle (oder viele) Schicksale, auch wenn die wenigsten Rettungsdiensteinsätze mit wirklichen "Schicksalen" zu tun haben, an mich heran lassen würde, würde meine Seele "überlaufen". Ich habe dazu mal einen Artikel eines renommierten Fachmagazins gefunden:

https://www.skverlag.de/rettungsdienst/meldung/newsartikel/wenn-das-stressfass-ueberlaeuft-umgang-mit-psychischen-belastungen-im-einsatz.html

Und diese dort genannten psychischen Störungen sind nicht selten im Umfeld des Rettungsdienstes.

In den letzten Jahren ist das Bewusstsein, die Verantwortung der Seele der Einsatzkräfte gegenüber zum Glück stark gewachsen. Es wurden PSU-Teams geschaffen, Vorgesetzte und Kollegen sind sensibilisiert worden, Betriebsräte und -ärzte sind greifbarer. Trotz allem bleibt die Hauptverantwortung bei dem Mitarbeiter und den direkten Kollegen, eine Überlastung zu bemerken.

Eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist essentiell für die seelische Hygiene: keine namentliche Vorstellung gegenüber Patienten, keine körperliche Nähe, niemals private Nummern (IG-Account, Snapchat, was auch immer) heraus geben, außer aus Fällen der Weiterbildung nicht nach dem weiteren Verbleib der Patienten erkundigen. Einsätze abzuschließen ist enorm wichtig, um auch der seelischen Situation eine Trennung zu ermöglichen: am Krankenhaus kurz Pause, meinetwegen eine rauchen, kurze Nachbesprechung, auch wenn der Feierabend ruft. Nach Dienstschluss auch auf der Wache noch einmal kurz mit den Kollegen die Schicht abschließen, "sich von dem erlebten zu lösen", hilft.

Ich weiß nicht, wie lange du schon im Rettungsdienst arbeitest, aber solche Situationen sind jetzt nicht all zu selten und du solltest sie beherrschen. Luxationen, Frakturen, offene Traumata, sind doch recht häufig anzutreffen und jeder Mitarbeiter im Rettungsdienst muss sie beherrschen. Wenn man jedes mal die Schmerzen des Patienten dahinter visualisiert, ist kein distanziertes und professionelles Handeln möglich. Manchmal geht es leider nicht anders, den Patienten bezüglich der Analgesie vertrösten zu müssen. Das die Situation dann stressig wird, ist nicht immer zu vermeiden.

Ist das Normal? Tut ihr das, bzw. habt ihr das auch? Sollte man das haben?

Ehrlich gesagt: nein und ich kenne keinen Kollegen, der das so sieht. Das ist jetzt keine Kritik an dir persönlich oder gar ein Vorwurf. Ganz im Gegenteil sogar, ich mag Menschen mit sensiblen Charakteren. Aber das Arbeitsumfeld "präklinische Notfallmedizin" ist dann vielleicht nicht das richtige. Das ist keine Schande und dafür muss sich niemand schämen, es gibt hunderte andere Berufsbilder, in denen man sich einbringen kann und Menschen helfen kann. Leider ist es im Rettungsdienst nämlich oft das Gegenteil: Menschen wollen sich nicht helfen lassen und Mitarbeiter mit einem "Helfersyndrom" (ja, mir ist bewusst, dass das ein negativ besetztes Wort ist, ich benutze dieses nur zur Umschreibung!) stören sich daran oft mehr als es die Situation erfordert. Beispielsweise ein stadtbekannter Alkoholiker wird am Tag von den Kollegen der hiesigen Innenstadtwache fünf bis zehn Mal angetroffen. Er will nicht ins Krankenhaus. Wenn man sich jedes Mal einen Kopf um seine Lebensgeschichte und weitere Lebensgestaltung, sein Schicksal Gedanken machen würde, würde man sich jedes Mal stressen. Das lohnt nicht. Wir sind dafür da, jedem Menschen effektiv und professionell aus einer Notlage zu helfen, dafür müssen wird den Kopf frei haben.

Was denkt ihr über jmd. der da so ist?

Hart gesagt: dass der Rettungsdienst nicht das richtige Umfeld für dich ist.

Bin ich deswegen vielleicht besser im Krankentransport aufgehoben?

Krankentransport ist eine der Aufgaben des Rettungsdienstes. Hier besteht ein eklatanter Unterschied zur Notfallrettung: man fährt die meisten Patienten öfter, ist länger mit ihnen zusammen und nimmt mehr an den Schicksalen teil. Man unterhält sich mehr mit den Patienten auf "nicht-fachlicher-Ebene", weil viel weniger einsatzbezogene Kommunikation anfällt, wenn ich Omi Müller zur Dialyse bringe, mache ich keine Anamnese oder nähnliches mit ihr. Auf Grunde dessen befürchte ich, dass dich als sensible Person eine Stelle im reinen Krankentransport noch mehr belasten würde. Zudem weiß ich nicht, in welcher Gegend von Deutschland du dich befindest, ob es dort überhaupt Leistungserbringer gibt, die reinen Krankentransport anbieten.

Wie gesagt, ich weiß nicht, wie lange du bereits im Rettungsdienst arbeitest und in wie weit du es schaffen kannst, dir ein gesundes, dickeres Fell an zu legen. Das sind Faktoren, die nur du dir selbst beantworten kannst. Ich fände es eben so ratsam, dieses Thema auch mit (vertrauenswürdigen) Kollegen deiner Dienststelle, mit denen du bereits im Einsatz warst, zu besprechen. Die kennen dich direkt und können die Situation viel besser einschätzen, als wir hier. Eine Meinung aus einem anderen Blickwinkel ist immer enorm wichtig bei solchen Fragen.

Ich möchte noch anmerken, dass ich nicht psychologisch geschult bin, sondern hier einfach nur meine persönliche Einschätzung nach 11 Jahren Rettungsdienst mitteile. Hoffentlich konnte ich dir mit dieser Antwort ein Stückchen weiter helfen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Waldemarie 
Fragesteller
 05.10.2021, 19:24

Hei, ehrliche Worte, aber ein paar Punkte haben mir beim (Über-)Denken geholfen.

Ich wollte tatsächlich nie etwas in Richtung Rettungsdienst machen. Bin Dozentin und darüber irgendwie reingerutscht. Ist aber nix was ich hauptamlich mache und machen werde. Bin seit letztem Jahr dabei.

Die Menschen und ihre Geschichten vergesse ich schnell. Falls da jmd. Schicksalsschläge hat nimmt mich das halt garnicht mit - was nicht böse gemeint ist. Ich quatsch halt gern mit Patienten. Aber das tu ich mit jedem gerne :D. Was ich meine ist der reine körperliche Schmerz. Das trifft mich. Bin selbst schmerzempfindlich, vielleicht liegts daran.

Ja bei uns gibts Anbieter außschließlich mit Krankentransport. Und das fast wie Sand an Meer :)

Danke für die Tipps im Text!

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iwaniwanowitsch  05.10.2021, 19:29
@Waldemarie

Okay, gerne, das freut mich, wenn ich dir etwas Hilfe bieten konnte.

Die Menschen und ihre Geschichten vergesse ich schnell. Falls da jmd. Schicksalsschläge hat nimmt mich das halt garnicht mit - was nicht böse gemeint ist.

Das kann man auch nicht als "böse" auffassen. Ist halt die notwendige Distanz.

Ich quatsch halt gern mit Patienten. Aber das tu ich mit jedem gerne :D.

Hm, das klingt jetzt doch wieder sehr positiv in meinen Augen!

Bin selbst schmerzempfindlich, vielleicht liegts daran.

Das kann da tatsächlich etwas mit zu tun haben.

Kein Ding!

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Ich bin zwar nicht im Rettungsdienst aber bei mir ist das ähnlich. Mir tun die Leute leid. Aber zu gucken kann ich schon.