Was überzeugt euch am Gendern?

5 Antworten

Von Experte LunarEclipse bestätigt
Frauen werden nicht mitgedacht, wenn von "Handwerker, Lehrer, Erzieher, Politiker" die Rede ist. Dies belegen ganz viele Studien.

Aktiv mitgedacht meist wohl schon. In besagten Studien geht es um un(ter)bewusste Assoziationen.

Was ich in all diesen Studien jedoch vermisse: Dass die weibliche In-Endung ausgehend von den feministischen Bewegungen in den 70er Jahren durchgesetzt wurde.

Du meinst das Binnen-I? Warum sollte das in jeder Studie zum Thema Erwähnung finden? Wie viele Studien kennst du? Oder meinst du das generelle feminine Movierungssuffix -in? Das gibt es nicht erst seit den 60ern.

Denken die Menschen dort dann auch zuerst an Männer oder denken sie Frauen mit, weil sie von ihren Erfahrungswerten wissen, dass Frauen genau so in diesen Berufen etabliert sind?

Dort bestimmen soziale Stereotype die Assoziation: Gibt es eine Rolle, die überwiegend von Männern eingenommen wird, werden überwiegend Männer assoziiert; gibt es eine Rolle, die überwiegend von Frauen eingenommen wird, werden überwiegend Frauen assoziiert.

Was überzeugt euch am Gendern?

Die versammelte Forschung zum Thema und meine Überzeugung, dass ich sprachlich alle Geschlechter nach Möglichkeit gleichermaßen berücksichtigen möchte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – ich forsche als Linguist zum Thema "Gender(n)"
Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 16:08

Erstmal: Vielen Dank für deine Antwort. Anscheinend kennst du dich ganz gut mit Linguistik aus. Tatsächlich meinte ich das Movierungssuffix -in, mir war nicht klar, dass es das schon so lange gibt. Ich stelle mir einfach nach wie vor die Frage, wieso es dieser in-Endung bedarf, um Frauen mitzudenken. Ich würde nach wie vor meinen, dass die Realität primär unser Denken bestimmt, also dass was wir sehen und erleben. Du schreibst ja auch, dass in anderen Ländern die Menschen eher nach ihren Erfahrungswerten gehen, aber macht das nicht auch Sinn? Dass man eben die Schlussfolgerung zieht: "Die Mehrheit in xy Beruf ist männlich, Frauen gibt es hierin auch, aber sie sind unterrepräsentiert, also denke ich zuerst an Männer", wenn man gleichermaßen an Frauen denken würde, die Realität dieses Bild aber gar nicht hergibt, wo ist das dann logischer und nützlicher?

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Adomox  05.02.2024, 16:13
@Inkognito-Fragesteller

Das "Problem" liegt darin, dass sich eine Form zwei Bedeutungen teilt, während eine dritte Bedeutung eine andere Form hat:

Lehrer - Lehrer - Lehrerin

Die zwei ersten Wörter teilen sich ihre Form geschrieben und gesprochen, können aber entweder eine männliche Lehrkraft oder allgemein Lehrkräfte meinen. Die dritte Form meint ausschließlich eine weibliche Lehrkraft. Da sich die beiden ersten Formen nicht nur ähnlich sind, sondern diese identisch sind, wird immer auch die andere Bedeutung aktiviert, auch wenn diese im jeweiligen Kontext gar nicht gemeint ist. Deswegen wird bei s.g. generischen Maskulina eben überwiegend an männliche Personen gedacht und nicht gleichermaßen an alle Geschlechter und - ganz spannend - auch nicht an das, was die Realität oder Vorurteile uns glauben lassen. Studien haben wiederholt gezeigt, dass die Formgleichheit der Maskulina stärker ist als Wissen und Vorurteile.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 16:15
@Adomox

Und genau hierzu habe ich noch nie eine Studie gefunden, die das tatsächlich belegt. Dass Menschen in anderen Ländern, wo es gar nicht die Möglichkeit einer weiblichen Pluralform gibt, sowohl bei "Erzieher" und "Ärzte" z.B. zuerst an Männer denken. Kannst du mir bitte eine Studie verlinken?

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Adomox  05.02.2024, 16:20
@Inkognito-Fragesteller

Gerne. Diese Studie wird in diesem Zusammenhang oft zitiert:

Pascal Gygax , Ute Gabriel , Oriane Sarrasin , Jane Oakhill & Alan Garnham (2008) Generically intended, but specifically interpreted: When beauticians, musicians, and mechanics are all men, Language and Cognitive Processes, 23:3, 464-485, DOI: 10.1080/01690960701702035

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 17:09
@Adomox

So, bin eben vom einkaufen wieder gekommen. Zunächst Danke, jedoch habe ich keinen Zugriff auf diese Studie. Stelle mich blöd an oder wie kann ich die einsehen? Andere Frage: Gibt es die nicht auf Deutsch? Ich weiß jetzt nicht, um was für eine Studie es sich hierbei handelt, aber wenn die 300 Seiten über auf englischer Fachsprache verfasst ist, werde ich wohl scheitern, bzw. müsste sehr viel Zeit investieren, die ich gerade eigentlich nicht habe. Zur Not tue ich es, weil mir das Thema wirklich sehr am Herzen liegt, aber es wäre schon schön, auch mal etwas Verlinkbares zu haben, was sich Menschen aus bildungsferneren Schichten durchlesen können, die überhaupt kein Englisch verstehen.

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Adomox  05.02.2024, 17:20
@Inkognito-Fragesteller

Ah, sorry, die Studie ist über die offizielle Seite leider nicht frei verfügbar - das hatte ich nicht gesehen. Hier ein alternativer Link: klick.

Eine Studie auf Deutsch, die sich aber um eine Sprache dreht, die kein Genus bei Substantiven hat, kenne ich tatsächlich nicht. Studien werden meist auf Englisch veröffentlicht bzw. Studien auf Deutsch bearbeiten i.d.R. auch nur das Deutsche.

Die Quintessenz der benannten Studie lässt sich aber leicht zusammenfassen, in den Worten der Autor*innen (p. 479):

When no grammatical gender information was available, in English, the mental representation of gender was solely based on stereotype information. But when role names were written in the masculine plural form, the results indicated that grammatical information overrode stereotype information in constructing a mental representation of gender. This override happened both in French and in German.

Grob übersetzt:

Wenn keine grammatikalischen Geschlechtsinformationen verfügbar waren, basierte die mentale Repräsentation des Geschlechts im Englischen ausschließlich auf Stereotypinformationen. Wurden die Rollennamen jedoch in der männlichen Pluralform geschrieben, deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass die grammatikalische Information die stereotype Information bei der Konstruktion einer mentalen Repräsentation des Geschlechts überlagerte. Diese Überlagerung fand sowohl im Französischen als auch im Deutschen statt.

.

aber es wäre schon schön, auch mal etwas Verlinkbares zu haben, was sich Menschen aus bildungsferneren Schichten durchlesen können, die überhaupt kein Englisch verstehen

Da stimme ich zu, allerdings sind Fachartikel da die falsche Adresse.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 17:31
@Adomox

Aber hierbei handelt es sich ja wieder um die deutsche Sprache und um die Französische, die auch weibliche Berufsbezeichnungen kennt. Und dann ist das ja gar nicht repräsentativ, verstehst du, was ich meine? (Klar, mit Fachartikeln wird es schwierig, aber so eine wichtige Studie sollte in mehreren Artikeln in einfachen Worten erklärt werden).

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Adomox  05.02.2024, 17:33
@Inkognito-Fragesteller
Wenn keine grammatikalischen Geschlechtsinformationen verfügbar waren, basierte die mentale Repräsentation des Geschlechts im Englischen ausschließlich auf Stereotypinformationen.

und

(Klar, mit Fachartikeln wird es schwierig, aber so eine wichtige Studie sollte in mehreren Artikeln in einfachen Worten erklärt werden).

Welche Art von "Artikeln" schwebt dir da vor? Wer soll die schreiben?

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 17:42
@Adomox

Aber was spricht dagegen, dass man erstmal an Stereotype denkt? Das tut der Mensch doch erwiesenermaßen ohnehin, ist ne natürlich eingebaute Schutzfunktion. Wenn man "Anwalt" hört, denkt man zunächst an "Prestige, hoch gebildet, Anzugträger", wenn man dagegen von "Erzieher" hört, hat man eher Dinge im Kopf wie "T-Shirt und Jeans, kreativ, sehr freundlich" oder was auch immer. Jeder Mensch denkt in Stereotypen und hierbei greifen wir ja auch auf nützliche Erfahrungswerte zurück, die uns davor schützen, falsche Schlüsse zu ziehen. Möchte da die Genderwissenschaft nicht etwas unnatürliches erreichen? Stell dir mal vor es würden ab morgen zu 90% Frauen als Piloten arbeiten und in den Medien würde man auf die in-Endung verzichten, häufig Bilder dieser Pilotinnen zeigen und immer "Piloten" sagen, wenn die Frauen zu sehen sind. Denkst du, dass der Durchschnittsbürger dann nach längerer Zeit immer noch zuerst an Männer denken würde, wenn er auf der Straße gefragt wird, was er von den Piloten so hält? Also ich verstehe schon, dass man erst an Männer denkt, wenn es bspw. heißt "Ich habe gestern eine Gruppe von Handwerkern getroffen", aber das liegt eben daran, dass die Männer dort noch überrepräsentiert sind. Wenn mir dagegen jemand sagt, "In dem Krankenhaus in Lüdenscheid arbeiten super Ärzte", käme mir nicht der Gedanke, dass da ausschließlich Männer arbeiten. Dir schon? Aber es ist schade, dass ich die Studie nicht gänzlich einsehen kann, würde gerne wissen, was die Probanden genau gefragt wurden.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 17:47
@Inkognito-Fragesteller

Ach, habe jetzt deinen Link gesehen und schaue mir die Studie genauer an.

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Adomox  05.02.2024, 17:49
@Inkognito-Fragesteller
Aber was spricht dagegen, dass man erstmal an Stereotype denkt?

Nichts? Lässt sich ja kaum ändern.

Möchte da die Genderwissenschaft nicht etwas unnatürliches erreichen?

Wie genau kommen jetzt die Gender Studies ins Spiel?

Denkst du, dass der Durchschnittsbürger dann nach längerer Zeit immer noch zuerst an Männer denken würde, wenn er auf der Straße gefragt wird, was er von den Piloten so hält?

Ja, da die sprachliche Form der stärkere Einfluss ist - siehe besagte Studien.

Generell ist wichtig, zwischen bewussten Gedanken und un(ter)bewussten Assoziationen zu unterscheiden. Letztere sind es, die in erster Linie in entsprechenden linguistischen Studien untersucht werden. Wie man diese Assoziationen dann bewusst umsetzt und verändert, ist eine andere, eine subjektive, Sache.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 18:05
@Adomox

Ich komme auf Gender Studies, weil diese Untersuchungen doch darunter fallen, oder etwa nicht? Also für mich klangen deine Beiträge so, als würdest du das Gendern befürworten, DAMIT stereotypisches Denken auf lange Zeit überwunden wird.

Also ich versuche gerade die Studie zu verstehen, aber ich scheitere :D Selbst wenn ich es auf deepl eingebe, kommt nur Blödsinn bei rum. Echt schade man :( Weil ich mir einfach nach wie vor nicht vorstellen kann, dass man bei typisch weiblichen Berufen wie "Cosmetician", "art teacher" zuerst an Männer denkt und irgendwie bin ich gerade völlig verwirrt, weil sich ja auch herausgestellt hat, dass man in Stereotype denkt, aber dann denkt man ja doch nicht an Stereotype, wenn man bei Berufen, die in der Mehrheit von Frauen dominiert werden an Männer denkt, allein aufgrund der fehlenden weiblichen grammatikalischen Markierung? Ich bin lost :D

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Adomox  05.02.2024, 18:18
@Inkognito-Fragesteller
Ich komme auf Gender Studies, weil diese Untersuchungen doch darunter fallen, oder etwa nicht?

Die Untersuchung von Sprache ist ein linguistisches Unterfangen. Gendern ist sicherlich auch durch Ideen der Gender Studies motiviert, die Studien sind dennoch linguistische.

Also für mich klangen deine Beiträge so, als würdest du das Gendern befürworten, DAMIT stereotypisches Denken auf lange Zeit überwunden wird.

Das wäre schön, ja - wird aber nicht durch das Gendern passieren, da Gendern direkt keine Stereotype aufhebt bzw. aufheben kann.

Ich bin lost :D

Im Englischen, also einer Sprache ohne Genus, wurde herausgefunden, dass die Stereotype das assoziierte Geschlecht bedingen: "Mechanic" ist stereotyp männlich, also assoziieren Leute damit Männer. "Beautician" ist stereotyp weiblich, also assoziieren Leute damit Frauen.

Die gleichen Berufe in ihrer deutschen und französischen grammatisch maskulinen Übersetzung (= generisches Maskulinum) lösen überwiegend männliche Assoziationen aus. Bei "Mechaniker" ist das auch aus Sicht von Stereotypen nicht überraschend, bei "Kosmetiker" hingegen schon, da diesen Beruf ja meist Frauen ausüben.

Daher: Sprachliche Form ist stärker als Stereotype.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 18:27
@Inkognito-Fragesteller

Was ich gerade auch gar nicht verstehe: Bei "Nurses" sollen die Probanden auf 30% Frauenanteil in der Branche gekommen sein und bei Dancers auf 32%? Was? :D Und beim Französischen, dass keine weiblichen Berufsbezeichnungen kennt, sollen die Studenten bei "Beauticians", also "Esthéticiens" lediglich 18% Frauenanteil geschätzt haben? Ich verstehe gerade gar nichts mehr. Beim Deutschen wundern mich die Ergebnisse wie gesagt nicht, weil wir eben an die in-Endung gewöhnt wurden.

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Adomox  05.02.2024, 18:30
@Inkognito-Fragesteller

Nimmst du die Zahlen aus Tabelle 1? Falls ja: Die Angaben sind die assoziierten Männeranteile. Heißt für das Beispiel "Esthéticiens": 18% Männeranteil, 82% Frauenanteil.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 18:30
@Adomox

Du schreibst hier doch selbst, dass die Stereotype das assoziierte Geschlecht bedingen? Damit untermauerst du doch, dass die empirische Beobachtung - welches Geschlecht in welchen Berufsklassen am ehesten vertreten ist - dafür verantwortlich ist, ob man bei einem Handwerker zuerst an eine Frau oder einen Mann denkt. Am Ende schließt du aber wieder darauf, dass die Sprache stärker ist. Wenn sie es wäre, könnte sie die Stereotypen ja überwinden?!

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Adomox  05.02.2024, 18:31
@Inkognito-Fragesteller
Damit untermauerst du doch, dass die empirische Beobachtung - welches Geschlecht in welchen Berufsklassen am ehesten vertreten sind - dafür verantwortlich ist, ob man bei einem Handwerker zuerst an eine Frau oder einen Mann denkt.

Für Sprachen ohne Genusmarkierung am Substantiv.

 Am Ende schließt du aber wieder darauf, dass die Sprache stärker ist.

Für Sprachen mit Genusmarkierung am Substantiv.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 18:31
@Adomox

Wieso steht denn dann als Überschrift darüber "Female stereotypes" und dann die jeweiligen Zahlen für die Berufe?

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Adomox  05.02.2024, 18:31
@Inkognito-Fragesteller

"Female stereotypes" soll als Zwischenüberschrift bedeuten, dass die darunter gelisteten Berufe als "stereotyp weiblich" gelten.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 18:45
@Adomox

Aber was ich mich hier ja frage ist folgendes: Wäre die Genusmarkierung nicht mehr so präsent, wie fiele DANN so eine Studie aus? Wenn es also wieder selbstverständlich wird von "Lehrer" zu sprechen, auch wenn wir z.B. zu 90% nur Frauen in diesem Berufsfeld haben. Also wie soll so eine Studie aussagekräftig sein, wenn sie normativ extrem eingefärbt ist?

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Adomox  05.02.2024, 18:48
@Inkognito-Fragesteller
Wäre die Genusmarkierung nicht mehr so präsent, wie fiele DANN so eine Studie aus?

Würden wir -in extrem selten oder nie benutzen, sehen und hören, würden im Deutschen auch die Stereotype die Assoziationen bestimmen - so wie im Englischen eben auch.

Also wie soll so eine Studie aussagekräftig sein, wenn sie normativ extrem eingefärbt ist?

Die Frage verstehe ich nicht.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 19:16
@Adomox

Nochmal kurz auf die Studie bezogen: Bei der Berufsbezeichnung „Kosmetiker“ vermutet man in Deutschland lediglich einen Männeranteil von 11% OBWOHL eine männliche Genusmarkierung vorliegt. Das widerlegt doch dann bereits, dass wir es von der Genusmarkierung abhängig machen, an welche Geschlechterverteilung wir denken?

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Adomox  05.02.2024, 19:23
@Inkognito-Fragesteller

Nein, das tut es nicht. Die Stereotypwerte sind unabhängig von der sprachlichen Form erhoben worden. In der vorliegenden Studie gelten sie als Variable, als Maßstab.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 19:40
@Adomox

Aber wieso steht denn dann die männliche Form da? Wieso steht das dann in der Tabelle nicht so, wie es den Probanden vorgelegt wurde? Das ist doch ultra verwirrend 😭 Also wurden die Studenten aus Deutschland gefragt, an welchen Anteil sie mehr denken müssen bei "Kosmetiker/Kosmetikerin" und kamen dann für einen männlichen Anteil auf 11%? Oder wie wurden die zu den Berufsbezeichnungen gefragt?

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 20:25
@Inkognito-Fragesteller

Und es wäre doch ne verzerrte Wahrnehmung, wenn man bei einem Beruf, den zu 90% Männer ausüben, genau so Frauen mitgedacht werden? Wieso will man durch Sprache sowas erreichen?

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Adomox  06.02.2024, 06:38
@Inkognito-Fragesteller
Aber wieso steht denn dann die männliche Form da? 

Weil die Tabelle explodiert, wenn man beide Formen aufführt.

Wieso steht das dann in der Tabelle nicht so, wie es den Probanden vorgelegt wurde?

Das ist nicht Sinn und Zweck der Tabelle. Die Erhebung der Stereotypizitätswerte entstammt einer anderen Studie (das steht auch in der Beschreibung der Tabelle).

Das ist doch ultra verwirrend

Wenn man den Text dazu nicht versteht (das soll kein Vorwurf sein), bestimmt.

Also wurden die Studenten aus Deutschland gefragt, an welchen Anteil sie mehr denken müssen bei "Kosmetiker/Kosmetikerin" und kamen dann für einen männlichen Anteil auf 11%? Oder wie wurden die zu den Berufsbezeichnungen gefragt?

Die Methode der verlinkten Studie war: Versuchspersonen wurden Satzpaare vorgelegt, z.B.

(a) Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof.
(b) Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke.

Satz (a) hat ein Maskulinum enthalten (z.B. Sozialarbeiter), Satz (b) hat sich mal auf Frauen und mal auf Männer bezogen. Die Versuchspersonen sollten die Sätze nacheinander lesen und entscheiden, ob der jeweilige Satz (b) eine sinnvolle Weiterführung des jeweiligen Satzes (a) ist. Die Entscheidung wurde per Knopfdruck abgegeben. Analysiert wurde dann einerseits das Verhältnis von passend/nicht passend und andererseits die Zeit, die die Versuchspersonen brauchten, um diese Entscheidung mitzuteilen.

Ergebnisse Englisch: Mehr "passend"-Antworten, wenn die Rolle stereotyp weiblich war und Satz (b) "women" enthielt bzw. wenn die Rolle stereotyp männlich war und Satz (b) "men" enthielt. War die Rolle stereotyp neutral, waren Sätze (b) mit "women" und "men" gleichermaßen als "passend" bewertet. Antwortzeiten waren bei allen Kontexten gleich.

Ergebnisse Französisch/Deutsch: Kein Effekt von Stereotypen. Stattdessen durchweg mehr "passend"-Antworten für Sätze (b) mit Männern. Antwortzeiten im Französischen waren bei allen Kontexten gleich; im Deutschen waren Antwortzeiten kürzer, wenn Satz (b) Männer enthielt.

Und es wäre doch ne verzerrte Wahrnehmung, wenn man bei einem Beruf, den zu 90% Männer ausüben, genau so Frauen mitgedacht werden?

Inwiefern wäre das eine verzerrte Wahrnehmung? Zumal man ja nicht in jedem Kontext gendern muss: Geht es einem wirklich nur um Männer, muss man andere Geschlechter offensichtlich nicht erwähnen.

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Kiseijuu71  05.02.2024, 21:56

Probleme auf der Welt: Rassismus, Krieg, Armut, Klimakrisen etc.

Adomox: ,,Ich möchte durchs Gendern, sprachlich alle Geschlechter gleichermaßen berücksichtigen''

Luxusprobleme..

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Adomox  06.02.2024, 05:34
@Kiseijuu71

Genau, alles andere ist mir nämlich egal. Danke für die überflüssige Unterstellung.

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Ich bin Frau und finde es totalen Quatsch.

Ich fühle mich nicht benachteiligt wenn von Lehrer, Handwerker etc. Gesprochen wird.

Der Kunde und die Kunden. Man benutzt sogar den weiblichen Artikel bei allen Pluralformen.

Keiner braucht das Gendern. Es erschwert den Lesefluss und für Ausländer ist es nur eine Sprachbarriere. Jeder kennt die Interpunktion.

Ein Bsp.

Die Russ:innen finden Krieg schlecht.

der Ausländer denkt: Die Russ und dann ein : Also was kommt jetzt innen finden Krieg schlecht? Was soll der Quatsch! Keine Frau, die ich kenne benutzt diesen Quatsch.

Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 20:53

"Kunden" ist aber ein blödes Beispiel, weil es hier ja keine männliche Endung gibt. Der User Adomox verwies weiter oben auf eine Studie, wonach wohl bewiesen ist, dass eine Mehrheit bei männlicher er-Endung immer zuerst an Männer denkt. Auch bei klassisch weiblich besetzten Berufen. Wenn von "Die Erzieher" die Rede ist, denkt man wohl zuerst an Männer und um das sprachlich zu ändern, verweist man beispielsweise auf Erzieher- und Erzieherinnen. Wobei heute immer zuerst die weibliche Form genannt wird, wieso auch immer?!

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Dass also heute Frauen und Männer bei diesen Begriffen zuerst an die männliche Form denken, liegt ja auf der Hand

Das sehe ich anders.
Es gibt das schöne Beispiel:
"Eine Gruppe von Ärzten unterhält sich im OP." - Was stellst Du Dir gerade vor? Wirklich nur Männer? Ich nicht.

"Die Koryphäen des Kernforschungszentrums erörtern fachliche Problemstellungen"-
Stellst Du Dir jetzt ausschließlich Frauen vor? Ich auch nicht.

Funktionen und Berufe haben kein Geschlecht, die Menschen schon. Ist nur eine Frage, was genau man meint. (historische Ausnahme z.B. Adelige wie König oder Baron).

Laut Einsatzplan ist Pilot (nicht Pilotin) dieser Maschine Frau Müller.
Angela Merkel ist der 8. Bundeskanzler Deutschlands (nicht die 8. Kanzlerin).

Zu anderen Ländern braucht man gar nicht erst zu reisen. In der DDR sagte eine Frau ganz selbstverständlich: "Ich bin von Beruf Dreher" ohne komische Gegenfrage nach dem Geschlecht.
Da gab es auch keine Pionierinnen und FDJlerinnen.
Niemand fühlte sich übergangen.
Dass heute jemand denken könnte, eine Frau kann kein Goldschmied sein, weil es sonst eine Goldschmiederin wäre, ist das Ergebnis des falschen Genderns.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Vor über 40 Jahren als Klassenkasper 10. Klasse absolviert.
Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 20:54

"Funktionen und Berufe haben kein Geschlecht, die Menschen schon."

PolitikEr, HandwerkER, ErziehER, LehrER

Klar gibt es hier ein Geschlecht.

Bei Ärzte/Piloten und Koryphäen fällt das Genus tatsächlich weg, deswegen sind das blöde Beispiele, meinst du nicht?

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RonaId  05.02.2024, 20:59
@Inkognito-Fragesteller

Ich meine kein natürliches Geschlecht. Das alles ein grammatisches Geschlecht hat (auch die Koryphäe), sollte klar sein.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 21:02
@RonaId

Aber im Deutschen haben Berufsbezeichnungen ein Genus. Im Englischen und Französischen beispielsweise nicht. Weiter oben hat ein User ne Studie verlinkt, wo wohl gezeigt wurde, dass die Mehrheit bei Sprachen mit Genusmarkierung bspw. bei "Erzieher" IMMER zuerst an Männer gedacht werden würde, selbst wenn nur noch Frauen diesen Job ausführen, eben wegen der Endung und weil wir ja auch die in-Endung kennen.

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RonaId  05.02.2024, 21:15
@Inkognito-Fragesteller

Aber wie gesagt, es gab eine Zeit, in der das generische Maskulinum bei Berufen ebenso wenig mit dem Sexus in Verbindunggebracht wurde, wie das generische Femininum bei "Koryphäe". Das Gendern trug eher dazu bei, die Assoziation des Genus mit dem Sexus zu verstärken. Z.B. Studenten waren damals immer alle Geschlechter, niemand hat gedacht, es könnten nur Männer gemeint sein und niemand käme auf die Idee, da ein "innen" anzuhängen.
Von "Studierenden" zu sprechen, halte ich übrigens für besonders unsinnig.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 21:40
@RonaId

Danke für deine weitere Antwort, mir qualmt mittlerweile der Kopf :D Gibt es denn Untersuchungen dazu, wonach früher Frauen genau so mitgedacht wurden? Falls nicht, woher weißt du dann, dass die Mehrheit die Frauen gleichberechtigt mitgedacht hat? Ja, mir erschien "Studierende" bislang auch völlig unsinnig, aber je mehr ich mir hier durchlese, desto verunsicherter werde ich. Beispielsweise auch von solchen Blogeinträgen: https://www.gespraechswert.de/gendersprache-umfragen/

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RonaId  05.02.2024, 22:03
@Inkognito-Fragesteller

Mit statistischem Material kann ich nicht dienen, ich weiß nur, dass auf die Frage "Wie heißen Deine Lehrer?" nicht nur die Männer genannt wurden.
Ich komme mal vom Gendern weg, weil es da ein grundsätzliches Sprachproblem gibt.
Ein Tag hat 24 Stunden und besteht aus Tag und Nacht.
Die Nacht ist hier "unterrepräsentiert".
Man könnte sie ja grundsätzlich mit nennen.
"Noch 60 Tage ist es bis Ostern" - "Und Nächte?"
"Ich denke jeden Tag an Dich ." -"Und nachts nicht?"
Mach das mal ganz konsequent, und irgendwann schließen wir die Nächte aus, wenn wir von Tagen reden. Und konsequent heißt auch "Alles Gute zur/zum Geburtstag/-nacht."
"Und eines Tages/einer Nacht (bitte nicht eines Nachts!) geschah es dann."
Ich hoffe, Du verstehst, was ich meine.

Aber ist die Nacht wirklich unterrepräsentiert?
Sie hat eine eigene Bezeichnung, während sich der Tag diese stellenweise mit der Nacht teilen muss! 😁

Gute Nacht!

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Was ich in all diesen Studien jedoch vermisse: Dass die weibliche In-Endung ausgehend von den feministischen Bewegungen in den 70er Jahren durchgesetzt wurde. Dass also heute Frauen und Männer bei diesen Begriffen zuerst an die männliche Form denken, liegt ja auf der Hand und bedarf eigentlich überhaupt keiner Untersuchung.

Ich verstehe dieses Argument nicht so ganz.

Frauen hatten früher gar nicht die Möglichkeit die Universität zu besuchen bzw. eine Ausbildung/Lehre zu machen und bestimmte Berufe zu ergreifen. Zudem durften sie sich auch nicht politisch einbringen, oder eben nur so weit, wie es der Ehemann erlaubte.

"Weibliche Berufe" erkannte man demnach schon an der Bezeichnung, weil man Berufe strikt nach Geschlecht trennte. Für Mädchen und Frauen war z.B. der Beruf Magd, Kinderfrau, Zofe, Empfangsdame, Hebamme, Amme, Hausfrau, Kräuterfrau oder "Kräuterhexe" möglich.

Erst durch die Frauenbewegung kam man auf die Idee, dass auch eine Frau Arzt, Chemiker, Ingenieur oder Mechaniker werden könne. Deshalb brauchte man für diese Berufsbezeichnungen dann auch die weibliche Endung. Ich bin dafür!

Das Hauptargument in diesem Diskurs lautet ja: Frauen werden nicht mitgedacht, wenn von "Handwerker, Lehrer, Erzieher, Politiker" die Rede ist. Dies belegen ganz viele Studien. 

Stimmt.

Was dagegen spannend wäre: Wie sieht es in anderen Ländern aus, in denen es diese weibliche Endung in der Sprache nicht gibt.

Weiß ich nicht.

Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 16:13

"Erst durch die Frauenbewegung kam man auf die Idee, dass auch eine Frau Arzt, Chemiker, Ingenieur oder Mechaniker werden könne. Deshalb brauchte man für diese Berufsbezeichnungen dann auch die weibliche Endung. Ich bin dafür!"

Die Frauenbewegung hat sicherlich dazu beigetragen, Geschlechterstereotype und -beschränkungen in vielen Bereichen der Gesellschaft zu hinterfragen und zu bekämpfen. Allerdings gab es auch vor der Frauenbewegung Frauen, die in diesen Berufen tätig waren, wenn auch oft unter widrigen Umständen oder mit eingeschränkten Möglichkeiten. Deine Aussage unterschätzt den Beitrag von Frauen in verschiedenen Berufen vor der Frauenbewegung.

Zum Thema, dass du nicht weißt, wie es in anderen Ländern aussieht: Wie kannst du dann aber überzeugt davon sein, dass es eine weibliche Markierung in der Sprache bedarf, um für Gleichstellung und Transparenz zu sorgen?

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orangade  05.02.2024, 16:18
@Inkognito-Fragesteller
 Deine Aussage unterschätzt den Beitrag von Frauen in verschiedenen Berufen vor der Frauenbewegung.

Sie hatten aber nie das gleiche Ansehen wie Männer und bekamen nicht dieselbe Anerkennung dafür! Es waren Randerscheinungen, die eher geduldet wurden, anstatt sie zu fördern.

Zum Thema, dass du nicht weißt, wie es in anderen Ländern aussieht: Wie kannst du dann aber überzeugt davon sein, dass es eine weibliche Markierung in der Sprache bedarf, um für Gleichstellung und Transparenz zu sorgen?

Sprache formt die Art zu denken. Ich kann aus Sicht einer deutschen Frau sagen, dass ich mich eben NICHT gemeint und NICHT angesprochen fühle, wenn man nur die männliche Form nennt.

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Inkognito-Nutzer   05.02.2024, 17:13
@orangade

Also wenn du jemanden sagen hörst "Die Ärzte in dem Krankenhaus in Lüdenscheid leisten tolle Arbeit" denkst du echt nur an Männer? Wieso ist das dann bei mir nicht der Fall? Ich begreife das einfach nicht.

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