Was haltet ihr vom Gendern?

31 Antworten

Beruflich mache ich es, weil ich oft nicht weiss mit welchem Geschlecht ich es zu tun habe.

Privat mache ich es bei Personen von denen ich weiss oder verstärkt annehme, dass es ihnen wichtig ist.

Im engeren Umfeld lasse ich es weg, weil da sowieso alle wissen, dass auch mir völlig egal ist, ob ich in männlichen Allgemeinansprachen eingeschlossen angesprochen werde. Ich weiss wann (auch) ich gemeint bin und das reicht mir dann auch. Umgekehrt wissen diese Menschen aber auch, dass ich sie ohnehin nach ihren Persönlichkeiten beurteile und schätze und nicht nach irgendwelchen plakativen Schubladen, die ich dann sprachlich manifestieren müsste.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

checkpointarea  10.09.2024, 10:18
Beruflich mache ich es, weil ich oft nicht weiss mit welchem Geschlecht ich es zu tun habe.

Wie gut, dass sich grammatikalische Begriffe ("Genus") nicht auf biologische Geschlechter ("Sexus") beziehen. Das vergessen leider viele.

Jihamnedijad  10.09.2024, 10:23
@checkpointarea

Ich weiss es oft auch biologisch nicht.

Am Notebook habe ich keinen Sichtkontakt und manche Namen lassen sich nicht eindeutig zuordnen.

checkpointarea  10.09.2024, 10:27
@Jihamnedijad
Ich weiss es oft auch biologisch nicht.

Eben. Und deswegen nutzt man dann grammatikalische Begriffe, welche alle biologischen Geschlechter miteinbeziehen. Und nicht nur die, siehe beispielsweise "die Couch" oder "der Sessel". Ich hoffe, Du bist jetzt nicht der Meinung, die Couch wäre aufgrund des femininen Genus eine Frau, und der Sessel aufgrund des maskulinen Genus ein Mann. :D

Hallo,

es kommt auf die Form des Genderns an.

Das auf den (Gender)Stern oder sonstige Zeichen reduzierte Gendern sowie das Gendern durch substantivierte Partizipien (Studierende, Mitarbeitende, Lehrende usw.) sowie andere "Wortungetüme" lehne ich ab!

Deshalb nutze, spreche und schreibe ich den Genderstern auch nicht, und es nervt mich ungemein, wenn ich Nachrichtensprecher und Fernsehmoderatoren ihn aussprechen höre - was heißt aussprechen, es ist ja vielmehr eine Kunstpause.

Als Frau bin ich selbstbewusst genug, dass ich keine Lippenbekenntnisse brauche und keine Probleme mit dem generischen Maskulin habe.

Ich nutze allein Beidnennungen (Studentinnen und Studenten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer usw.), und diese auch nicht konsequent und durchgehend Soll heißen, ich nutze sie in der ersten Anrede, gelegentlich auch während eines Vortrages, einer Ansprache, v. a. wenn es um einen mir wichtigen Punkt geht, und am Ende eines Vortrages.

Daneben verwende ich je nachdem, ob ich jemanden duze oder sieze, bei der Anrede die Pronomen du, dein, dir, dich oder Sie, Ihr, Ihnen, Sie. Ansonsten verwende ich die Personalpronomen ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie und die entsprechenden Possessiv- und Objektpronomen.

Das ist meiner Meinung nach völlig ausreichend; für manche Leute sogar schon viel zu viel.

So oder so, es sollte weder eine Genderpflicht noch ein Genderverbot geben.

AstridDerPu

Gendern hat seine Begründung im natürlichen Wandel der Sprache und dem Versuch diskriminierungsfrei zu reden. Es klingt aber auch für meine Ohren oft unschön. Ich betrachte es jedenfalls mit gemischten Gefühlen. Vielleicht ist mein Unbehagen ja auch dem Alter zuzuschreiben.

Interessant an der Diskussion finde ich, wie stark relativ viele Menschen davon getriggert werden. Einige Germanisten betrachten eben Sprache als starres Regelwerk, die wichtiger ist als das reale Leben. Semantik, Semiotik und Pragmatik ist leider immer noch im Deutschunterricht und an Universitäten ein rotes Tuch. Viele haben aber eben genau Probleme mit dem Anspruch, Diskriminierung aufzulösen. Da sehe ich den Hauptgrund für die oft übertriebene Reaktion.


checkpointarea  10.09.2024, 10:24
Interessant an der Diskussion finde ich, wie stark relativ viele Menschen davon getriggert werden.

Nun, darauf kann ich Dir antworten: Mich ärgert alles, was nur scheinbar etwas ändert, was blödsinnig ist, was wissenschaftsfeindlich (siehe die 700 Sprachwissenschaftler, welche sich vor ein paar Monaten an den ÖRR wandten) und demokratiefeindlich (zwischen 70 und 90 % sind dagegen), und was neue Diskriminierungen (siehe "Kund" oder "Kolleg" oder "Dermatolog" oder "Ärzt" als Sexus für Männer) schafft. Grammatikalische Begriffe haben nichts mit biologischen Geschlechtern zu tun, das permanente Verweisen auf die biologischen Geschlechter halte ich für kontraproduktiv (weil es dem anscheinend angestrebten Ziel der Gleichwertigkeit aller Geschlechter entgegensteht) und sexistisch (weil es biologische Gechlechter an Stellen betont, wo diese nicht relevant sind). Außerdem habe ich das Gefühl, dass mich das Gegenüber für dumm hält, wenn er mir beispielsweise den Satz "die Bürgerinnen und Bürger", sofern er diesen überhaupt derart formuliert herausbekommt (siehe aktueller Bundeskanzler), entgegenbringt. Ich stelle mir dann nämlich spontan die Frage, welcher Mensch ernsthaft auf die Idee kommt, es wären nur Männer gemeint,.

Geraldianer  10.09.2024, 11:03
@checkpointarea
siehe die 700 Sprachwissenschaftler, welche sich vor ein paar Monaten an den ÖRR wandten)

Ich würde nicht leichtfertig wiedergeben, was die Springerpresse so verbreitet.

Ansonsten wundert mich einfach die Vehemenz, mit der auf das Gendern eingedroschen wird. Ich glaube nicht, dass viele Leute gendern. Aber es stört mich eigentlich nicht. Sprache hat sich immer verändert. Ich zweifle, dass Gendern sich in der heutigen Form durchsetzt. Aber ich verstehe diese Aufregung nicht.

Außerdem habe ich gerade aufgrund meiner wissenschaftlichen Ausbildung ein Problem mit Leuten, die Regeln über die Pragmatik der Sprache stellen. Und da schließt sich der Kreis. Lateinlehrer, Deutschlehrer, BWLer, Ingenieure und Germanisten betreiben keine empirische Wissenschaft, sie leben von der Regelkunde. Anders als Linguisten. Die wissenschaftlich argumentieren.^^

checkpointarea  10.09.2024, 11:11
@Geraldianer
Ich würde nicht leichtfertig wiedergeben, was die Springerpresse so verbreitet.

Wenn Du mir eine seriöse Seite nennst, sehe ich mir diese genauer an. Diese ist nicht seriös, denn Sternchen haben in Wörtern nichts zu suchen, und Begriffe wie beispielsweise "Ärzt" gibt es nicht.

Ansonsten wundert mich einfach die Vehemenz, mit der auf das Gendern eingedroschen wird.

Ich habe Dir meine Gründe genannt.

Aber es stört mich eigentlich nicht.

Klingt für mich aufgrund des dick markierten Wortes nicht sehr überzeugend. Mich stören Analphabeten auch nicht, solange sie mir nicht den Vorwurf frauen, - und diversenfeindlichen Verhaltens machen, sobald ich gegen geltende Rechtschreibregeln (und auch Logik) verstoße.

Sprache hat sich immer verändert.

Zum Glück. Aber sie ändert sich vom Volk aus, nicht von "oben". Außerdem ändert sie sich hin zu besserer Verständlichkeit und Effizienz. Wer gendert, macht aus dem Satz

"Einer ist Zuhörer, der andere ist Vorleser"

den Satz

"Eine*r ist Zuhörer*in, der/die andere ist Vorleser*in"

Ich habe "im echten Leben" noch nie jemanden so reden gehört - Du etwa? Und das hat auch gute Gründe, denn die Kerninformationen gehen damit unter. Zusätzlich werden Barrieren für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen geschaffen, und nonbinäre Menschen ausgeschlossen. Was soll das?

Übereifrige Genderbefürworter unterstellen pauschal allen Männern, die an der bisher geltenden deutschen Sprache festhalten, dass sie vorsätzlich Frauen benachteiligen, indem sie das generische Maskulinum verwenden, wenn es um Menschen- oder Berufsgruppen geht, in denen beide biologischen Geschlechter vertreten sind. Darüber hinaus vermischen und verwechseln sie grammatikalischen Genus, also das Geschlecht eines Wortes, mit dem biologischen Sexus einer Person.

Umfragen ergeben, dass 99% aller Deutschen Gleichberechtigung und Inklusion befürworten, aber 75% sprechen sich dagegen aus, dass dazu als MITTEL das Gendern verwendet werden soll. Dazu gehören auch sehr viele der Menschen, die von Gleichberechtigung und Inklusion profitieren würden. Selbst DIE sind also gegen das Gendern.

Es gibt zwar Wörter, bei denen Genus und Sexus übereinstimmen wie bei Frau, Mutter, Tochter, Schwester, Tante, Oma oder Nichte, aber es gibt eben auch viele Wörter, wo das nicht der Fall ist wie Sonne, Ader, Leber, Niere, Richtung, Abteilung, Idee, Fantasie, Schale, Beere, Traube usw.

Ebenso gibt es grammatikalisch männliche Wörter, die nicht das Geringste mit dem biologischen Mann zu tun haben wie Plan, Himmel, Auftrag, Schlitten, Baum, Boden, Keller oder Schnee.

Genderbefürworter sind angesichts ihrer Bemühungen, die Sprache zu verändern, davon überzeugt, dass die Abschaffung des generischen Maskulinums in der Gesellschaft für eine gerechtere und höhere Anerkennung der Rolle der Frau sorgen wird. Vereinfacht formuliert soll also die häufigere Nennung weiblicher Wortformen dazu führen, dass Frauen gerechter behandelt werden. Diese Überzeugung kann man nur als absurd bezeichnen. Noch nie hatte ungerechte, ausbeuterische, sexistische Behandlung von Frauen ihre Ursachen in der Sprache. Also kann auch nicht durch die Sprache ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen. Bezeichnenderweise hat sich in den letzten 100 Jahren die Gesellschaft in moralischer Hinsicht ganz enorm positiv und progressiv verändern können, obwohl ihre Sprache nahezu unverändert blieb. Man erreicht bei Anwendung der bis dato vorgeschlagenen Neuschöpfungen mit Genderstern, Binnen-I und ähnlichen Lösungen nur, dass weibliche Wortformen optisch und akustisch absolut dominant erscheinen und die männlichen Formen mit Endung -er fast völlig verschwinden. Das hat mit Gerechtigkeit und Ausgewogenheit nichts mehr zu tun. Das ist eine weibliche Sprachdiktatur.


Muss jeder selbst entscheiden. Ich halte nicht allzu viel davon, aber beruflich mache ich es hin und wieder.