Unverständliches Reflexivpronomen in Ovid Ars Amatoria?
Nochmal salvete liebe Lateiner,
folgender Satz aus Ovids Ars Amatoria:
Forsitan et primoveniet tibi littera tristis, et ea, quae roget, ne se sollicitare velis.
Meine Üs:
Und vielleicht wird für dich zuerst ein trauriger Brief kommen, der dich bittet (für mich ist quae roget ein Relativsatz mit konsekutivem Nebensinn: von der Art, dass er bittet...), dass du sie nicht erregen willst.
Aber warum se? Das Refelxivpronomen macht für mich hier einfach null Sinn. Egal ob ich sage, es bezieht sich auf das Subjekt des ne Satzes, das des Relativsatz oder vom des Hauptsatzes. Beim ne Satz ist es ja der, der den Brief erhält, macht null Sinn, wenn es der übergeordnete Relsatz oder Hauptsatz ist, wäre es der Brief. Wenn er sich in echt auf die Absenderin bezieht (sie wird im Kontext zwei Sätze zuvor das letzte mal erwähnt) müsste nicht eam stehen?
Vielen Dank!
2 Antworten
'Forsitan et primoveniet tibi littera tristis, et ea, que roget, ne se sollicitare velis.'
Aus dem Französischen kenne ich die Möglichkeit, mit dem Reflexivpronomen 'se' auch etwas passivisch auszudrücken.
Wenn man 'sie, die fragt' mit ==>bitten statt fragen übersetzt, folgt die Wendung 'sich keine Sorgen zu machen '.
Der ganze Satz bekommt durch 'se' eine passivische Anmutung.
'Vielleicht erhalten Sie zuerst einen traurigen Brief, in dem Sie gebeten werden, sich keine Sorgen zu machen.'
Hilft dir das weiter?
Mit Französisch hat das nichts zu tun. Die lateinische Sprache setzt das Reflexivum, wenn es sich auf das Subjekt bezieht.
Caesar putat se maximum esse. = Caesar glaubt, dass er der Größte sei (= er selbst, er, der das glaubt, daher se und nicht eum).
Also ist der Satz so zuverstehen: Vielleicht wirst du daraufhin auch einen traurigen Brief bekommen, und zwar einer in der Art, dass sie dich darum bittet, dass du sie (= die, die darum bittet, sie selbst, nicht eine andere dritte) in Ruhe lassen sollst. #
Alles klar?
Stimmt - aber bedenke: quae ist auch bei mir auf epistula bezogen; "und zwar einer, der .... freier: in dem sie (die Schreiberin des Briefes) bittet..... ". Natürlich bittet grammatikalisch der Brief, aber wir im Deutschen sagen halt nun mal eher: ein Brief, in dem jemand bittet..... als : ein Brief, der (selbst)bittet ...
Ich mag wörtliche Übersetzungen, die gegen die Idiomatik der Zielsprache formulieren, überhaupt nicht.
Allerdings: Den Kontext hast Du nicht mitgeliefert. Sollte der Antwortbrief tatsächlich von einem Mann kommen (was ich nicht glaube, ist aber theoretisch möglich, man muss halt den Kontext haben), dann wäre freier zu übersetzen: "in dem er darum bittet ..."
Hallo, wirklich vielen Dank für die Antwort,
ich unterschreibe sofort, dass sich das Reflexivpronomen auf das Subjekt bezieht… aber ich weiß nicht, wo SIE grammatikalisch Subjekt ist. Genau das ist ja mein Problem. Ich sehe den Sinn genauso. Aber deine Übersetzung ist für mich nicht nachvollziehbar. Was ist das quae? Worauf beziehst du es? Du nimmst da eine ,,sie‘‘ rein. Ich verstehe nicht, wo die herkommt.
Ich erklär mal meine Gedanken:
Hauptsatz, ,,Teil 1‘‘: Et forsitan tibi venerit littera tristis e
Und vielleicht wird für dich ein trauriger Brief kommen (Subjekt: Brief)
Hauptsatz ,,Teil2‘‘ et ea
und einer (Subjekt einer)
Nebensatz 1: quae roget
der bittet/von der Art, dass er bittet (Subjekt: der)
und da ist der Knackpunkt, warum ich deine Übersetzung nicht verstehe: Wieso bittet sie. Grammatikalisch bittet für mich der Brief.
Denn: ea muss sich auf einen Brief beziehen, es fehlt das Prädikat im ,,Hauptsatz Teil 2‘‘. Also veniet. Das Subjekt kommt also, es ergibt sich aus dem vorigen: Vielleicht wird zuerst ein trauriger Brief für dich kommen und [vielleicht wird zuerst] einer [kommen] von der Art, dass er dich bittet. Und da, im quae Satz muss das quae auf ea bezogen sein. Also einen Brief. Sonst könnte da kein konsekutiver Relativsatz stehen, ein Relativpronomen bezieht sich immer auf das Wort, wovon es abhängt. Ich kann auch keinen relativen Satzanschluss annehmen. Dann müsste der quae Satz Hauptsatz sein. Also bittet rein von der Satzstruktur der Brief… ne se sollicitare velis: Dass du IHN nicht erregen willst. Ich weiß, dass man se eigentlich auf das Subjekt des quae Satzes bezieht, ich hab nur alle Subjekte in meiner Frage abgeklappert, um zu zeigen, dass ich alles versucht habe. Und was ich bei deiner Antwort nicht verstehe, woher kommt das sie im quae roget Satz
So ist mal mein Gedanke