Senioren erzählen nur von ihren Krankheiten - sind eure alte Eltern auch so?

Das Ergebnis basiert auf 31 Abstimmungen

Nein, überhaupt nicht 65%
Teils, hält sich noch in Grenzen 32%
Leider ja 3%

13 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Nein, überhaupt nicht

Meine liebe Mama starb im Alter von 93 Jahren. Die letzten anderthalb Jahre ihres Lebens war sie zu einem großen Teil ein Schwerstpflegefall. Vom Krankenhaus schickten sie Mama zum Sterben nach Hause. Doch Mama überlebte. Sie hatte Knochen wie aus Glas und hochgradig Osteoporose mit der Folge, dass sie sich sogar beim Umdrehen im Bett das Becken und den Rücken brach! Durch ihre Krankhet hatte sie so schlimme Schmerzen, dass sie jahrelang Morphin und Opiate als Schmerzmittel einnehmen musste. Auch hatte sie seit ihrem 55. Lebensjahr Herzbeschwerden und nahm Digitalis.

Doch obwohl Mama sehr und gegen ihr Lebensende hin schwer krank war, kam nie ein Wort der Klage oder des Jammerns über ihre Lippen! Sie war vielmehr der geduldigste und freundlichste Mensch, den man sich vorstellen kann. Und sie war ungemein diszipliniert. Während alle ihre Altersgenossen mit 60, teilweise mit 58, in Rente gingen, arbeitete Mama bis zu ihrem 68. Lebensjahr. Sie führte als Vollkaufmann ein eigenes Modeshaus. Das brachte es mit sich, dass sie in den 34 Jahren, in denen ihr Geschäft bestand, nur zweimal im Urlaub war: An 1963 für 10 Tage in Italien mit dem Zelt und an 1965 zum Zelten am Bodensee für 14 Tage. Dies war alles. Sie arbeitete bis 1980. Und Mama war auch nie krank. D.h. auch wenn sie leichtes Fieber oder mehrmals ein gebrochenes Bein hatte, ging sie ins Geschäft. Auch an Krücken. Und zur Kur war Mama auch nur einmal in ihrem Leben: 1986, im Alter von 71 Jahren!

Mama hatte ein großes Herz. Für alle Menschen. Ihre Kunden liebten sie. Und egal, wo die Menschen herkamen, welche Religion sie hatten und welcher Kultur sie entstammten, Mama fand für jeden immer die passenden Worte. Alle ihre Kunden schätzten sie als vertrauensvollen Ratgeber, wobei sich Mama immer sehr zurückhielt, um die richtigen Worte zu finden und nicht übergriffig zu werden, was die Kunden sehr an ihr schätzten. Und für mich war Mama das achte Weltwunder. Weil sie unglaublich stark war, sich nicht unterkriegen ließ und gegen die Unbill des Lebens und gegen ihre Krankheit bestand.

Als sie dann schließlich Ihr Geschäft aufgegeben hatte und in den wohlverdienten Ruhestand ging, ging ihr Leben arbeitsreich weiter. Sie saß nie untätig herum, sondern war immer mit etwas beschäftigt. Im Alter von 92 häkelte sie für Papst Benedikt noch rosa Bettschuhle mit weißen Rüschen, die sie ihm in den Vatikanstaat nach Rom zusammen mit einem in ihrer wunderschönen Schrift handgeschriebenen Brief schickte und von ihm eine persönliche Widmung erhielt. Und mit 92 machte sie die Wasserrechnungen für ihre Mieter noch im Kopf ohne Rechnerle oder Computer, fehlerfrei. Sie konnte als Vollkaufmann der alten Schule schneller rechnen als ich denken konnte!

Doch eines tat Mama nicht: Obwohl sie eine stadtbekannte Persönlichkeit war und die Menschen sie liebten, ging sie nie zu den Altennachmittagen!Und wenn ich sie dann anstieß und zu ihr sagte: "Mama geh doch mal da hin! Die freuen sich, Dich zu sehen!" - erwiderte sie mir immer dasselbe: "Kind, was soll ich da? Da sind nur alte Leute und die reden alle nur über ihre Krankheiten! Das tue ich mir nicht an! Wenn ich andere Menschen treffe, möchte ich über schöne Dinge und nicht ständig über Krankheiten sprechen! Da bleibe ich lieber zu Hause und nähe uns in dieser Zeit ein schönes Kleidle, dann habe ich wenigstens etwas davon!"

Als Mama über 80 war, sagte sie an ihrem 82. Geburtstag: "Wenn ich einmal alt werde..." Sie fuhr bis 87 Auto. Unfallfrei. Mit 71 und 77 nahm sie nochmals bei meinem alten Fahrlehrer ein paar Stunden Unterricht, damit sie sich wieder sicher fühlte. Mama wurde auch die letzten 30 Jahre ihres Lebens überhaupt nicht älter! Mit 93 hatte sie noch eine fast faltenfreie Haut, eine Haut wie Milch und Honig!

Was mir von Mama bleibt ist ihre ewige Jugend und dass sie nie über Krankheiten klagte und ein willensstarker und voll disziplinierter Mensch war! Und ein goldenes Herz und ebensolche goldenen Hände hatte! Wenn ich sie manchmal fragte, ob sie Schmerzen habe, sagte sie: "Kind, ich bin nie schmerzfrei! Aber was solls! Vom Klagen gehn die Schmerzen auch nicht weg! Was soll ich dann herumjammern und anderen das Herz schwer machen! Nein! Das lass ich ganz schön bleiben! Das Schöne ist, dass ich eine junge Tochter habe, die mich geistig auf Trapp und in Schuss hält!" Damit spielte Mama darauf an, dass sie mit ihren 42 Jahren im Gegensatz zu den Müttern meiner Altersgenossen eine Spätgebährende und so alt wie die Großmütter der anderen Kinder war - aber mir zuliebe jung blieb!

Jetzt fängt es bei mir auch schon an, dass meine Altersgenossen von ihren Krankheiten erzählen, wenn ich sie zufällig unterwegs treffe und ihnen dann auf ihre Frage, wie es mir denn geht, berichte, dass es mir gesundheitlich blendend und besser als mit 20 geht! Ja, es ist wahr! Aus Mamas Krankheiten habe ich gelernt und führe meinem Körper inzwischen die Vitalstoffe zu, von denen ich zu Mamas Zeiten nicht wusste, dass es sie gibt und wie wichtig sie für den Körper sind! So z.B. Vitamin D3 und K2 oder Vitamin B12 und vieles andere mehr.

Auf unserem Flügel im Wohnzimmer steht ein Bild, das Mama im Alter von 62 bei uns oben auf dem Rechberg, einem der drei Kaiserberge, zeigt. Daneben steht ein Bild von einer Frau, die 20 Jahre jünger als Mama aussieht. Das bin ich mit 67! Wie Mama schwöre ich mir ewige Jugend und arbeite an meinem Körper und meinem Geist, um die 100 gesund zu erleben und den Krankheiten, die mich bis dahin noch heimsuchen werden, zu trotzen! Wie Mama, die an ihrem 93. Geburstag mit ihren Schmerzen aus ihrem Krankenbett aufgestanden ist, sich schön angezogen hat und für die zu erwartenden Gäste einen ihrer guten Kirschkuchen gebacken hat!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Inkognito-Nutzer   02.04.2024, 04:02

Vielen lieben Dank für Ihre Antwort, die voller Liebe und schöner Erinnerung an Ihre Mutter angelehnt ist. Das hat mich wirklich zutiefst berührt. Gottes Friede sei mit ihr 🕊️✝️🙏

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Regilindis  02.04.2024, 11:33
@Inkognito-Fragesteller

Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Anerkennung! Ja, meine iebe Mama ist im Herzen in LIebe bei mir, bis ans Ende meiner Tage und beschützt mich! Der liebe Gott möge auch Sie beschützen! Danke!

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Inkognito-Nutzer   02.04.2024, 16:28
@Regilindis

Dankeschön 🙏

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Nein, überhaupt nicht

Meine Eltern noch nicht (sind noch zu jung) und meine Oma auch nicht (sie hat viele soziale Kontakte).

ABER viele ältere Menschen reden so viel über Krankheiten oder medizinisches Personal, weil das einen großen Teil der Sorgen im Alter ausmacht. Viele ältere Menschen sind sehr einsam, klar kommen mal Kinder oder Enkel zu Besuch aber das sind ja oft nur ein paar Stunden die Woche oder mal kurz am Tag. Den Rest des Tages verbringen ältere Menschen oft Allein. das kann dazu führen, dass sich Ältere einsam fühlen und Depressionen entwickeln. Dann kommen noch Erkrankungen dazu, welche den Tag stark Beeinflussen können und Ängste auslösen.

Wenn man Erkrankungen hat ab einem gewissen Alter kann das dazu führen, dass man eine Ausweglosigkeit empfindet.

Wichtig wäre hier, den älteren Personen soziale Interaktionen anzubieten. Sie mehr in die Familie zu inkludieren und ihnen Aufgaben zu geben wie Kinderbetreuung oder anderes, damit die älteren Personen noch das Gefühl bekommen gebraucht zu werden und am Alltag teilhaben zu können.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Solchen Menschen könntest du mit einem Augenzwinkern das Gedicht von Theresia von Avila schenken:

Gebet einer Schwiegermutter
Herr, erhalte mich liebenswert!
Herr, Du weißt es besser als ich,
dass ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der großen Leidenschaft,
die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch,
hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Zu meiner ungeheuren Ansammlung an Weisheit tut es mir leid,
sie nicht weiterzugeben,
aber Du verstehst, Herr,
dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten
und Beschwerden.
Sie nehmen zu - und die Lust, sie zu beschreiben,
wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen,
mir Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören,
aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen.
Ich wage auch nicht, um ein besseres Gedächtnis zu bitten,
- nur um etwas mehr Bescheidenheit,
um etwas weniger Zerstreutheit,
wenn mein Gedächtnis nicht mit dem der anderen übereinstimmt.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Ich weiß, dass ich nicht unbedingt eine Heilige bin,
aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich,
an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken
und verleihe mir, Herr,die schöne Gabe,
sie auch zu erwähnen.
Norvell  01.04.2024, 16:35

Whow! Das kopiere ich mir 👍

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Regilindis  02.04.2024, 14:48

Liebe/r Ille, dieses Gedicht ist ein einmaliger Beitrag von Dir! Herzlichen Dank und mein Kompliment! Ich habe es mir soeben abgeschrieben und im Computer unter "Gedichte" als "Weisheit im Alter" abgespeichert. Am 8. November diesen Jahres werde ich es dann meinem lieben Arzt Dr. Trump zu seinem 40. Geburtstag überreichen, wenn er an diesem Tag, nach schwäbischer Zeitrechnung, bei uns im Schwabenländle endlich "gscheit" wird und ihm schreiben, dass ihn die guten Wünsche dieses Gedichts noch mindestens weitere 40 Jahre begleiten mögen - und natürlich auch Deinen Nicknamen "ille1811" und "gutefrag.net 1. April 2024" darunterschreiben! Dir, alles Liebe! Danke!

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Nein, überhaupt nicht

Obwohl meine Mom, bei der langen Liste ihrer Erkrankungen und der Pflegebedürftigkeit, allen Grund hätte, zu Jammern! Aber sie tut es nicht! Außer ihrem Arzt und mir erzählt sie niemandem etwas und beklagt sich auch nicht über ihre körperliche Verfassung! Sie hat, trotz allem, eine positive Ausstrahlung! Bei uns wird viel gelacht! Und sie sagt immer, dass sich an ihrer Situation nichts ändert, wenn sie allen davon erzählt oder sich bei anderen Leuten darüber beklagt

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Inkognito-Nutzer   01.04.2024, 16:10

Ich bewundere deine Mutter, stark von ihr!

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Nein, überhaupt nicht

nein überhaupt nicht. sie leben bewußter seit der rente und essen gesünder. waren mal bei nem ernährungsberater - aber ansonsten aktiv, ständig unterwegs, mehrmals im jahr in kurzurlauben und ausflügen.