Relativistische Geschwindigkeit plus Geschoss?

7 Antworten

Hallo Schwarzcore,

dass sich Geschwindigkeiten im Rahmen der NEWTONschen Mechanik (NM) einfach addieren lassen, ist eine Besonderheit der NM und ihrer Beschreibung der Geometrie der Raumzeit.⁰) Die ist aber nur eine gute Näherung der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) für Geschwindigkeiten, die im Vergleich zum Ausbreitungstempo c elektromagnetischer Wellen sehr klein sind.

Bewegst Du Dich mit einem Raumfahrzeug B' mit konstanter 1D-Geschwindigkeit v relativ zu einem Bezugskörper ¹) B und feuerst dann in Bewegungsrichtung ein Projektil ab, das sich relativ zu Dir ²), also in einem von B' aus definierten Koordinatensystem Σ', mit u' bewegt, so hat es relativ zu B die 1D-Geschwindigkeit

(1) u = (u' + v)/(1 + u'v).

Sowohl Σ als auch Σ' verstehen sich natürlich raumzeitlich, mit der Weltlinie (WL) von B bzw. B' als Zeitachse. Geometrisch betrachtet ist die Geschwindigkeit von B' relativ zu B nichts anderes als die Neigung dx/dt seiner WL (die Zeitachse von Σ') gegen die Zeitachse von Σ.

GALILEIs Relativitätsprinzip (RP)

Verschiedene physikalische Größen – die Geschwindigkeiten von B und B' sind die besten Beispiele dafür – haben in Σ' natürlich andere Werte als in Σ, aber die grundlegenden Beziehungen zwischen ihnen (nichts anderes sind Naturgesetze) sind genau dieselben.

Dies führt zur Relativität der Gleichortigkeit zeitlich aufeinander folgender Ereignisse. Zwei solche Ereignisse E₁ und E₂, die beide an Bord von oder nahe bei B' stattfinden und, in Σ den Zeitabstand Δt = t₂ − t₁ (B- Koordinatenzeit) haben, haben in Σ zugleich einen räumlichen Abstand Δx = v∙Δt; in Σ' jedoch finden sie am selben Ort statt, also Δx' = 0. Der absolute Abstand ist daher die von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessene Zeitspanne Δτ, die Eigenzeit. Da die Borduhr von B' eine solche lokale Uhr ist, stimmt die B'- Koordinatenzeit Δt' mit Δτ überein.

Noch haben wir nichts geschrieben, was in der NM nicht auch schon gültig wäre. Die NM- Umrechnung zwischen Σ und Σ', die GALILEI- Transformation, ist geometrisch betrachtet eine Scherung, die Zeitspannen invariant (d.h. unverändert) lässt. Daher wäre laut NM auch Δt=Δτ.

GALILEI meets MAXWELL

Zu den Naturgesetzen gehören freilich auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch die elektromagnetische Wellengleichung, da sie direkt aus Ersteren folgt, ohne Bezug auf irgendwelche Materie und ihre Eigenschaften. Sie muss daher in Σ und Σ' gleichermaßen gelten, was vor allem heißt: Was immer sich relativ zu B mit c bewegt, muss sich auch relativ zu B' mit c bewegen und umgekehrt.

-- Baustelle --

Additionstheorem für Neigungen und Geschwindigkeiten
Hätte das Projektil dann meine Geschwindigkeit plus seine eigene?

Nein. Geschwindigkeit ist keine in dem Sinne additive Größe – ebensowenig wie in der räumlichen z-x-Ebene die Neigung n₁ einer Geraden g₁ gegen die z-Achse und . Was sich stattdessen addiert, sind Neigungswinkel

(1) θ¡ = arctan(n¡),

wenn man sie in einer Richtung als positiv und in die andere als negativ definiert. Für die Neigungen selbst gilt

______

⁰) Manche würde jetzt wahrscheinlich protestieren und sagen, in der nm gebe es keine Raumzeit, sondern Raum und Zeit als zwei separate Dinge. Das ist aber Unfug. Selbst wenn es so etwas wie absolute Zeit und sogar absoluten Raum gäbe, könnten wir sie immer noch zur Raumzeit zisammenfassen.

¹) B heißt Bezugskörper, weil wir Orte und Geschwindigkeiten auf B beziehen, was impliziert, dass wir B selbst als stationär betrachten.

²) "Relativ zu Dir" heißt, dass wir dabei Dich als Ruhe betrachten. NM ist diese einfach die Differenzgeschwindigkeit zwischen Dir und dem Projektil.

¹) dt bezeichnet eine sehr kurze Zeitspanne in Σ, ds› = (dx; dy; dz) die – ebenfalls sehr kleine – Ortsveränderung von B' in dieser Zeitspanne.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT

Die Lichtgeschwindigkeit ist absolut und lässt sich auch durch Addition von Geschwindigkeiten nur annäherungsweise erreichen. Die relativen Größen Raum und Zeit ändern sich (entsprechend Einsteins Relativitätstheorie) immer so, dass der Wert für die Lichtgeschwindigkeit gleich bleibt.

Beispiel (analog Rennen und Pistolenkugel): Ein Raumschiff bewegt sich relativ zur Erde mit 75% Lichtgeschwindigkeit. Von diesem Raumschiff startet ein kleines Beiboot, wiederum mit 75% Lichtgeschwindigkeit relativ zum Raumschiff. Gemäß Einstein bewegt sich das kleine Beiboot nun nicht, wie man meinen könnte, mit 1,5 facher Lichtgeschwindigkeit gegenüber der Erde, sondern nur mit 96% Lichtgeschwindigkeit.

Die Raumzeit wird gegenüber der Erde stärker verzerrt als gegenüber dem Raumschiff. Im Anhang steht die Formel für die Addition bei hohen Geschwindigkeiten.

Im Alltag sind die Geschwindigkeiten jedoch so gering, dass man sie ruhig nach Newton addieren darf, weil die Abweichungen erst weit in den Nachkommastellen sichtbar werden.

https://physikunterricht-online.de/jahrgang-12/addition-von-geschwindigkeiten/

Woher ich das weiß:Recherche
Ralph1952  18.01.2024, 06:35

Ergänzung: Da die Lichtgeschwindigkeit absolut ist, bewegt sich ein Lichtstrahl sowohl von der Erde aus, als auch vom Raumschiff oder vom Beiboot aus gesehen immer mit 300'000 km/s weg und nicht mit irgendwelchen Differenzen zur eigenen Geschwindigkeit.

0
SlowPhil  18.01.2024, 16:49

Wenn Du von "Verzerrung der Raumzeit" sprichst, meinst Du wahrscheinlich die Phänomene, die üblicherweise als "Zeitdilatation" und "Längenkontraktion" bezeichnet werden.

Das ist aber keine Verzerrung der Raumzeit, sondern bloß eine Veränderung von Koordinatendifferenzen durch Umrechnung von einem Koordinatensystem in ein anderes.

Eine wirkliche Verzerrung der Raumzeit erfolgt nur durch schwere Massen.

1
Ralph1952  18.01.2024, 17:13
@SlowPhil

Ja die SRT behandelt eine flache Raumzeit mit Koordinatendifferenzen, die ART hingegen "echte" Krümmungen durch Masse, was sich wiederum als Gravitation auswirkt. Ich versuche jedoch immer zuerst, die Frage für den Fragensteller so einfach und verständlich wie möglich zu beantworten.

0
Ralph1952  18.01.2024, 19:16
@SlowPhil

Vergleiche eine horizontale Fläche aus gekreuzten Gummibändern. Werden diese vertikal durchgedrückt durch Masse, entstehen "echte" Raumzeitkrümmungen. Die Gummibänder lassen sich aber auch "flach verzerren" bzw. hin- und herschieben, was sich der Fragensteller wahrscheinlich besser vorstellen kann als unterschiedliche Koordinatensysteme.

0
SlowPhil  18.01.2024, 19:34
@Ralph1952

Natürlich möchte ich auch, dass ein Fragesteller meine Antwort bzw meine Erklärung versteht. Allerdings muss diese Erklärung auch im wesentlichen Punkt richtig sein. Insbesondere sollte sie den FS nicht mit seinen Gedanken in eine falsche Richtung lenken und ihm das irrige Gefühl vermitteln, die Sache verstanden zu haben, die ich zu erklären versuche. Schon Einstein sagte, man solle eine Sache so einfach wie möglich erklären, aber nicht einfacher.

1
Von Experte Ralph1952 bestätigt

Das kommt auf das Bezugssystem an. 90% Lichtgeschwindigkeit in Relation zu was? In Deinem eigenen Bezugssystem - in dem Du Dich ja gar nicht bewegst - fliegt die Kugel ganz normal mit der Mündungsgeschwindigkeit nach vorne. Von dem anderen Bezugssystem aus betrachtet von dem aus Du Dich mit 90% der Lichtgeschwindigkeit bewegst, fliegt die Kugel natürlich auch nach vorne. Aber Du kannst nicht einfach addieren, sondern musst das mit den Formeln für relativistische Addition machen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Physikstudium

Nein. Galileische Geschwindigkeitssuperposition ist eine Näherung für v << c und hier nicht anwendbar.

Die sogenannte Lichtgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der Realität sich ausbreitet. Nichts was Ruhemasse* hat kann diese Geschwindigkeit erreichen, und nur weil Photonen keine Ruhemasse haben, haben sie diese Geschwindigkeit, daher der Name.

Der Name kommt auch daher, dass man früher glaubte, das Licht brauche ein absolut stationäres Medium, in dem sich elektromagnetische Wellen ausbreiten (so wie Schallwellen in Luft), den sog. Äther. Die Frage, woran so ein stationärer Äther räumlich festgemacht sei, führte zum Michelson-Morley Experiment, bei dem eigentlich erwartet wurde, dass mit der Geschwindigkeit der Erde durch den Äther unterschiedliche Geschwindigkeiten des Lichts in unterschiedliche Richtungen gemessen würden. Überraschung: kein Unterschied, also kein Äther (es sei denn er würde zufällig ausgerechnet an der Erde festgemacht sein). Daraus geht nicht nur hervor, dass es keinen Äther gibt, sondern dass diese Geschwindigkeit eine in allen Inertialsystemen gleiche Naturkonstante und damit nicht überholbar ist, denn wenn man versucht den Strahl einer Taschenlampe mit dem Auto zu überholen, ist er relativ zum Auto genauso schnell wie relativ zur Taschenlampe.

Erst hier setzt die spezielle Relativitätstheorie an, die mit recht einfacher Mathematik (Lorentz-Transformationen) darlegt, was das für Auswirkungen auf Zeiten und Längen (und auch die kinetische Energie*) in bewegten Systemen hat.

*) Kinetische Energie von Objekten mit Ruhemasse enthält einen Term der Lorentz-Transformation wie Zeiten und Längen. Wenn man ein Fahrzeug in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, geht mit wachsender Geschwindigkeit ein immer größerer Anteil der zugeführten Energie in immer weniger Geschwindigkeitszuwachs und lässt für den äußeren Beobachter das Fahrzeug immer träger erscheinen - die Lichtgeschwindigkeit wird nie erreicht.

Wenn Du mit 90% von c rennst, also dich mit gleichförmiger (!) Geschwindigkeit gegenüber einem außenstehenden Beobachter bewegst, ändert sich für Dich nichts, aus Deiner Sicht bewegt sich die Kugel ganz normal von Dir weg. Der außenstehende Beobachter sieht das aber anders, aus seiner Sicht fliegt die Kugel viel langsamer von Dir weg. Zudem sieht er Dich merkwürdig zusammengestaucht in Bewegungsrichtung.

Sozusagen alles relativ, abhängig vom jeweiligen Standpunkt. 😉