Gibt es unendliche Geschwindigkeiten?

5 Antworten

Hallo Kelec,

ich möchte zunächst anmerken, dass die Wörter "Zeitdilatation" und "Längenkontraktion" irreführend sind. Sie suggerieren ein brontales Gezerre und Gequetsche für etwas, das in Wahrheit nur eine völlig gewaltfreie Uminterpretation ist.

Eine räumliche Analogie für die Raumzeit

Wenn Du eine Straße schräg überquerst, wirst Du eine längere Strecke zu gehen haben als wenn Du sie genau im rechten Winkel überquerst. Niemand würde aber hier von "Breitendilatation" reden.

Nun steht die Breite der Straße für die Ausdehnung eines Körpers und ihre Mittellinie für dessen Weltlinie (WL) die sich in Zeitrichtung erstreckt. Zwei im rechten Winkel zu ihr einander gegenüberliegende Leitpfosten stehen für denselben Zeitpunkt an den Enden des Körpers – in dessen Ruhesystem, also einem Koordinatensystem, dessen Zeitachse die WL darstellt.

Natürlich hinkt das Bild, da die Raumzeit erstens insgesamt 4 Dimensionen hat und zweitens nicht einfach ein 4D-Raum ist.

Wo bei zwei Punkten in der räumlichen z-x-Ebene Ebene das Quadrat der Entfernung gleich der Summe der Quadrate der Koordinatendifferenzen ist (PYTHAGORAS lässt grüßen), ist bei zwei Ereignissen in der t-x-Ebene aus das Quadrat der absoluten Entfernung gleich der Differenz der Quadrate der Koordinatendifferenzen und kann 0 und sogar negativ sein (MINKOWSKI lässt grüßen).

Deshalb ist ein Körper in einem Koordinatensystem, das ihn als bewegt beschreibt, in Bewegungsrichtung als kürzer als in seinem Ruhesystem zu interpretieren – was übrigens nicht bedeutet, dass er verkürzt aussieht, im Gegenteil, wenn er auf Dich zukommt.

Geschwindigkeit vs. Eigengeschwindigkeit (engl. proper velocity)
Viel mehr ist aber meine Frage so zu verstehen, dass die Definition der Maximalen Geschwindigkeit als Lichtgeschwindigkeit nicht etwa nur an der Definition von Geschwindigkeit an sich geschuldet ist?

Ja, denn die Geschwindigkeit eines Körpers in x-Richtung eines Koordinatensystems Σ ist als Δx⁄Δt definiert. Dabei ist Δx eine Strecke und Δt die im Rahmen von Σ ermittelte (d.h. aus Messwerten berechnete) Zeitspanne, auch Σ- Koordinatenzeit genannt. Die Zeitspanne Δτ, die Du selbst direkt misst, heißt Deine Eigenzeit. Und in der Tat gibt es für die Größe Δx⁄Δτ, die im Englischen proper velocity genannt wird und übrigens auch Deinem spezifischen Impuls entspricht, keine Obergrenze.

"Längenkontraktion"
An Bord des Raumschiffs würde aufgrund der Längenkontraktion die Strecke zu Proxima Centauri hingegen nahe 0 werden.

Bei sehr extremen Geschwindigkeiten ja. Bei 0,96c*) aber wäre die Strecke "nur" als um den Faktor

1⁄γ := √{1 − β²}  mit β := v⁄c,

hier 7⁄25 = 0,28, kürzer zu interpretieren.

Aber Achtung: Diese Verkürzung ergibt sich in Deinem Ruhesystem, d.h. einem Koordinatensystem, in dem nicht Du Dich bewegst, sondern α Centauri auf Dich zukommt. Die Aussage "aufgrund der LK muss ich statt 4 Lj nur 1,12 Lj fliegen" ist falsch! Die 1,12 Lj sind vielmehr die berechnete aktuelle Entfernung α Centauris zu Dir.

Die Entfernung, in der Du α Centauri beim Vorbeiflug an der Erde siehst, ist nicht kleiner, sondern größer als 4 Lj, und zwar um den Faktor

(1) K = √{(1 + β)/(1 − β)}, hier 7

länger, d.h. 28 Lj.

________

*) Ich verwende gern Zahlenbeispiele, in dem man beim Wurzelziehen nicht irgendwas Irrationales bekommt; 0,96 ist gleich 24⁄25, und 7, 24 und 25 bilden ein Primitives Pythagoreisches Tripel, d.h. 7² + 24² = 25².

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
Kelec 
Fragesteller
 07.11.2023, 19:40

Danke für die ausführliche Antwort

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Wenn man nun die Geschwindigkeit aus Sicht des Raumfahrers klassisch errechnen würde wäre er für sich aus gesehen beinahe unendlich schnell gewesen.

was soll das bedeuten? der raumfahrer legt eine sehr sehr kurze strecke (längenkontraktion) in sehr sehr kurzer zeit zurück. da kommt man auf keine beinahe unendlichen geschwindigkeiten.

was du mit "klassisch errechnet" zu meinen scheinst ist sowas wie komplett willkürlich zeitdilatation einzurechnen und längenkontraktion einfach nicht.

wenn man unsinnige rechnungen anstellt (das ist weder klassische noch relativistisch) kann man jedes beliebige resultat erhalten.

das gesagt, sei hinzugefügt dass die relativitätstheorie besagt dass lokal nichts schneller als das licht sein kann. was du, wenn du kein globales inertialsystem verwendest, nicht-lokal, also irgendwo an anderen orten, für geschwindigkeiten errechnest ist in der tat willkürlich (weil koordianatenabhängig) und kann je nach wahl der koordinaten natürlich auch beliebig groß (natürlich auch größer als c) sein.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)
Kelec 
Fragesteller
 07.11.2023, 00:13

Aber nehmen wir an der Raumfahrer kennt die Strecke zwischen der Erde und seinem Ziel in diesem Fall eben 4 Lj. Der Raumfahrer steigt in das Raumschiff und fliegt jetzt mit sagen wir 99.9999% der Lichtgeschwindigkeit zu seinem Ziel.

Für ihn selbst vergeht jetzt ja kaum eine Zeit bis er am Ziel ist also geht sein deltat gegen 0 womit sich mit einer naiven Rechnung v=s/t beinahe eine unendlich hohe Geschwindigkeit ergeben würde.

Dass diese Rechnung zwar die Zeitdilatation miteinbezieht und die Längenkontraktion eben nicht ist mir vollkommen bewusst.

Dass es keine mathematisch korrekte Beschreibung ist ebenso.

Dass man grundsätzlich jedes beliebige Ergebnis mit falschen Rechnungen erzeugen kann eben so.

Es geht hier um die Beschreibung für Laien. Insbesondere der Frage welche immer auftaucht und zwar wie lange braucht ein Mensch mit Lichtgeschwindigkeit von A nach B. Die Antwort ist eben er ist instantan da nur ist das für viele eben einfach nicht logisch weil sie zu sehr an der klassischen Vorstellung hängen.

In dem Fall ist es schlicht weg einfacher zu sagen, dass c quasi das relativisitische Äquivalent zu einer unendlichen Geschwindigkeit im klassischen Fall ist.

Es geht hier schlichtweg um eine Analogie und nicht um eine vollends korrekte Beschreibung der RT, was eigentlich klar sein sollte wenn im Text sowohl klassisch als auch relativistisch steht.

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Reggid  07.11.2023, 12:51
@Kelec
womit sich mit einer naiven Rechnung v=s/t beinahe eine unendlich hohe Geschwindigkeit ergeben würde.

wann immer ich etwas mit der dimension länge durch etwas mit der dimension zeit teile, erhalte ich eine geschwindigkeit. ob das eine sinnvolle größe ist steht auf einem anderen blatt.

wenn du die distanz in einem bezugssystem durch die benötigte zeit in einem anderen bezugssystem teilst, dann erhältst du natürlich auch eine geschwindigkeit. ob man mit der etwas sinnvolles anfangen kann ist eine andere frage. kann schon sein. wenn man in der fernen zukunft mit science-fiction technologie interstellare reisen durchführt, und die distanzen in den karten natürlich als ruhelängen angegeben sind, und man wissen möchte wie lange (eigenzeit) man mit seinem raumschiff bis zum nächsten stern braucht, dann ist es vielleicht praktisch die "effektive geschwindigkeit" seines raumschiffs als v' = v/Sqrt(1-v²/c²) zu definieren (nichts anderes ist es was du hier machst).

was eine gute analogie oder gute erklärung ist, ist natürlich immer geschmackssache. keine analogie ist korrekt (per definition, sonst wäre es keine bloße analogie). aber persönlich finde ich diesen ansatz zur erklärung denkbar schlecht. denn im ruhesystem der erde hat das raumschiff ja auch laut dir seine normale geschwindigkeit v<c. im ruhesystem des raumschiffs hat es per definition die geschwindigkeit v=0. also was hat jetzt diese beinahe unendlich große geschwindigkeit v'>0. wenn der raumfahrer aus dem fenster sieht wenn er gerade an der erde vorbeifliegt, dann sieht er diese nämlich natürlich auch mit der geschwindigkeit v<c an sich vorbei zeihen (halt sehr stark gestaucht aufgrund der längenkontraktion).

Es geht hier um die Beschreibung für Laien. Insbesondere der Frage welche immer auftaucht und zwar wie lange braucht ein Mensch mit Lichtgeschwindigkeit von A nach B. Die Antwort ist eben er ist instantan da nur ist das für viele eben einfach nicht logisch weil sie zu sehr an der klassischen Vorstellung hängen.

da finde ich die erklärung "in einem bezugssystem ist es zeitdilatation, im anderen längenkontraktion" eigentlich simpler.

natürlich ist das auch nicht alles, und wer tiefer gehen will kommt mit dem rezept einfach einzelne baublöcke wie "zeitdilatation" und "längenkontraktion" zusammenzusetzen nicht weiter sondern wird damit ziemlich sicher auf die nase fallen (die berühmten "paradoxa"). wer tiefer gehen will dem muss man klar machen dass er die Lorentz-transformation anwenden soll und daraus abgeleitete effekte nicht isoliert betrachten darf. aber das ist dann natürlich schon deutlich mathematischer.

aber als erste erklärung finde ich "hier zeitdilatation, hier längenkontraktion" eigenlich wesentlich eingängiger als irgendwelche asymmetrischen geschwindigkeiten.

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Kelec 
Fragesteller
 07.11.2023, 01:11

Ahh ich denke ich weiß worauf du hinaus willst. Das Problem bei so einer Beschreibung wäre, dass sich aus dem Bezugssystem des Raumfahrers der Stern mit maximal Lichtgeschwindigkeit bewegen kann.

Was ja auch logisch ist.

Ich denke mal da würde die Analogie dann doch eher ein falsches Bild erzeugen.

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Nach meiner Ansicht alles richtig.

Für Laien die wenig Physik Interesse haben finde ich es aber noch zu komplex.

Die erste hürde denke ich ist überhaupt schonmal zu etablieren das die Geschwindigkeit relativ ist. (Im klassischen wie bei Einstein.)

Ich sehe hier ehrlich gesagt keine wirkliche Analogie. Das wäre es ja mit etwas alltäglichem zu vergleichen. Z.b. das der Atom Kern zur hülle so gross ist wie ne Erbse mitten im Fussball Stadion.

Leider fällt mir jetzt auf Anhieb auch keine gute Analogie ein.

Ich denke ein Problem ist ggf. Auch Der Kontrast zwischen: Zeit läuft langsamer. Und Raumfahrer nimmt das überhaupt nicht wahr.

Die einfachste Aussage die man wohl drüber machen kann ist: je schneller der Raumfahrer desto kürzer wird die Strecke für ihn.

Edith: ich hätte vielleicht ne Analogie. Die ist aber ziemlich crude. Für den Raumfahrer ist es so als würde er sich auf Ner Rolltreppe nach unten bewegen. Er muss ja auch weniger gehen. Und am Rande sitzt ne Typ der Leuten dies eilig haben helfen will. Je schneller die gehen desto schneller lässt er die Rolltreppe Hinabrollen. Und er mag keine faulen Menschen. Je langsamer sie gehen desto langsamer lässt er die Treppe rollen.

Das würde das Konzept darstellen das der Weg kürzer wird je schneller man sich bewegt. Denn desto schneller sich die Rolltreppe bewegt desto weniger Stufen muss ich nehmen bis ich unten bin.

Die Analogie ist Recht crude weil die Bewegung ja so gar nicht mit dem betrachten übereinstimmt.

Woher ich das weiß:Hobby – Hobby Beschäftigung mit dem Thema.
Kelec 
Fragesteller
 06.11.2023, 20:34

Also ich habe das besagt schon mal verwendet um es jemanden zu erklären. Sein Problem war eben immer wieso werde ich nicht unendlich schnell wenn ich immer beschleunige.

Er hat sich dann eben auch die Frage gestellt ob man denn überhaupt beliebig schnell zu einem anderen Planeten reisen könnte, was ja möglich ist.

Wieder ein anderer meinte wie kann es sein, dass die Zeit im Raumschiff still steht.

Ich finde es wird leichter wenn man das so erklärt weil es sich dann eben auf einen Betrachtungsunterschied reduziert. Für die Leute auf der Erde wirkts einfach so wie wenn das Raumschiff nie schneller als Lichtgeschwindigkeit wird. (Natürlich liefert das eigene Probleme dann mit dem Zwillingsparadoxon, aber das kann man ja gesondert betrachten).

Ich denke man kann das mit der Erde auch dann gut so erklären, dass wenn das Raumschiff instantan bei Proxima Centauri ist das Licht dann eben 4 Jahre benötigt um die Ankunft zu zeigen. (Natürlich gibts auch hier Probleme auf die es hinzuweisen gilt, aber als grobe Vorstellung ist es ja möglich)

Zudem entfallen dann meiner Meinung nach auch alle Frage die ein scheinbares Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit betreffen wenn man die Kurzerhand als quasi unendlich im klassischen Sinne tituliert. Wenn ich mich mit beliebiger Geschwindigkeit bewege ist das Licht immer gleich schnell nämlich unendlich schnell.

Das ganze ist am Ende eher ein Krücke für solche Fragen. Wenn man natürlich ins Detail geht muss man es ohnehin anders betrachten.

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Wenn sich zwei Bezugsysteme aneinander vorbeibewegen, erscheint immer die eigene Zeit "normal" und die Zeit des andern gedehnt. Von der Erde aus scheint also die Raumzeit im Raumschiff verzerrt, vom Raumschiff aus die der Erde. Auch die Raumschiffbesatzung wird also die Lichtgeschwindigkeit (relativ zur Erde) nur annäherungsweise erreichen können (Energieaufwand tendiert gegen unendlich).

Die verzerrte (in der SRT jedoch flach bleibende) Raumzeit ist aber eher mathematisch als bildlich zu verstehen (unterschiedliche Koordinatensysteme), damit der absolute Wert c (Lichtgeschwindigkeit) aus Weg durch Zeit immer gleich bleibt.

Von annähernd lichtschnellen Teilchen (kosmische Strahlung) aus gesehen, die auf die Erde zurasen, erscheinen wir verzerrt und annähernd lichtschnell. Merkst du was bezüglich Relativität?

Wenn jedoch ein Raumschiff von der Erde (die sich gleichförmig weiterbewegt) startet, beschleunigt (also Energie hineinsteckt), einen Bogen fliegt (Kreisbeschleunigung), verzögert (ist auch Beschleunigung) und wieder auf der Erde landet, wird sich beim Vergleich mit der Erde herausstellen, dass im Raumschiff weniger Zeit vergangen ist.

Woher ich das weiß:Recherche
Kelec 
Fragesteller
 07.11.2023, 00:03

Naja das ist ja auch logisch, dass sich für die Personen im Raumschiff auch andere Betrachtungsweise für relativ dazu bewegte Objekte wie die Erde ergeben. Ich habe das eher so gemeint, dass die Person im Raumschiff eben eigentlich instantant dort ist.

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So generell würde ich das Geschriebene als richtig erachten, außer eine Kleinigkeit. Die Geschwindigkeit, kann man nicht durch v=s/t berechnen, wobei t an Board des Raumschiffes gemessen wird, weil der Beobachter am Raumschiff sich auch nicht (für ihn selbst) bewegt. Und wenn man es doch täte, dann würde er auch durch die Längenkontraktion eine kürzer Strecke messen. Da s und t vom gammafaktor abhängen, würde dieselbe Geschwinidgkeit vom Raumschiff aus gemessen werden, wie auch von der Erde aus.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studiere Physik
Kelec 
Fragesteller
 07.11.2023, 10:33

Ist richtig. Wenn der Raumfahrer die Annäherungsgeschwindigkeit an einen Stern messen würde wäre die immer noch maximal c.

Hier ist eher unedlich im Sinne einer naiven Rechnung gemeint, dass der Raumfahrer die Strecke zum Stern kennt und als konstant vorraussetzt und dann für sich selbst die Zeit misst die er da hin braucht, dabei würde die Geschwindigkeit divergieren.

Natürlich ist bei der Zeit die Zeitdilatation eingerechnet und bei der Strecke nicht weshalb sich das auch so ergibt. Aber es geht mehr darum den Umstand für einen Laien greifbar zu machen, dass man mit Lichtgeschwindigkeit eben keine Zeit bis zu seinem Ziel braucht.

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