Gibt es Enantiomere die nicht chiral sind?
Ein Enantiomer ist ein Molekül dass das Spiegelbild zu einem anderen Molekül darstellt.
Ich hab gelesen, Voraussetzung für das Auftreten eines Enantiomers ist ein C mit 4 unterschiedlichen Bindungspartnern, also ein Chiralitätszentrum. Aber jetzt hat mein Lehrer gesagt, es gäbe auch Enantiomere bei Molekülen die nicht chiral sind
Stimmt das und wenn ja warum?
Und noch ganz kurz: „Ein Molekül ist immer dann chiral wenn es keine gedachte Symmetrieachse gibt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn an einem C-Atom vier unterschiedliche Substituenten gebunden sind.“ Aber es gibt doch auch Moleküle wie zB Bromfluormethan wo das C-Atom nur 3 unterschiedliche Bindungspartner hat, ein Symmetriezentrum gibt es deswegen trotzdem nicht?! Sind diese Moleküle dann chiral ohne 4 unterschiedliche Bindungspartner zu habe?
2 Antworten
Moin,
fangen wir mal von hinten an: Bromfluormethan ist kein chirales Molekül. Es hat sehr wohl eine Symmetrieebene (Spiegelebene):
Das Brom- (rotbraun), Fluor- (lila) und Kohlenstoffatom (schwarz) liegen in einer Ebene. Die Symmetrieebene (die Fläche mit der gepunkteten Umrandung) schneidet diese Atome in zwei Hälften. Dann liegt ein Wasserstoffatom vor dieser Ebene (schwarzer Keil) und das andere Wasserstoffatom hinter der Ebene (gestrichelter Keil). Von der Seite, zu denen die beiden Wasserstoffatome zeigen, sähe das so aus:
Da es eine Symmetrieebene gibt, ist das Molekül nicht chiral.
Was die Aussage deines Lehrers angeht: das wäre mir neu. Wenn zwei Moleküle zueinander Enantiomere sind, sind beide auch chiral.
Vielleicht hast du (oder er) etwas missverstanden. Es gibt einerseits Diastereomere (das sind Moleküle, die sich nicht wie Molekül und Spiegelbild zueinander verhalten, obwohl sie gleiche Atomgruppen gebunden haben. Sieh hier:
Und es gibt manchmal sogenannte Mesoformen. Das sind Moleküle mit mehreren (geradzahligen) Stereozentren. Das kann dazu führen, dass sie zwar vier verschiedene Substituenten an jedem ihrer Stereozentren haben, das Molekül aber trotzdem achiral ist, weil es in dem Molekül eine Spiegelebene gibt.
Weinsäure ist hier das typische Beispiel:
R,R-(+)-Weinsäure und S,S-(–)-Weinsäure sind Enantiomere (sie verhalten sich wie Vorbild und Spiegelbild zueinander). Ihre Stereozentren haben jeweils einmal eine Carboxygruppe (–COOH), ein Wasserstoffatom (H), eine Hydroxygruppe (–OH) und einmal eine –CH(COOH)(OH)-Gruppierung gebunden (vier verschiedene Substituenten).
Bei der Mesoform (R,S-Weinsäure = S,R-Weinsäure) ist das zwar auch so (auch hier gibt es diese vier verschiedenen Substituenten), aber im Gegensatz zu den beiden Weinsäuremolekülen zuvor gibt es eine Spiegelachse durch das Molekül. Wegen dieser Spiegelung ist die meso-Weinsäure achiral...
Es würde mich interessieren, welche Moleküle Enantiomere achiral sind (nach der Auffassung deiner Lehrkraft)?! Frag ihn doch einmal, bitte.
LG von der Waterkant




Da ist vielleicht etwas Wahres daran, aber nur, wenn man Dinge vermischt.
Es gibt Moleküle, die zwar chiral sind, die sich aber ständig von der einen Form in die spiegelbildliche umwandeln. Das einfachste Beispiel dazu ist etwas in der Art von H₂O₂ — die vier Atome liegen nicht in einer Ebene, und diese Struktur ist chiral. Allerdings braucht man nicht viel Energie, um die beiden chiralen Strukturen ineinander umzuwandeln, und deshalb pendelt ein reales H₂O₂-Molekül -zigmal pro Sekunde zwischen den beiden enantiomeren Formen hin und her. Auf diese Art und Weise verschwinden die chiralen Eigenschaften durch Mittelung (man hat ja immer 50% von jedem der beiden Enantiomere, und kann daran auch nichts ändern, zumindest solange die Umwandlung ständig läuft).
Manche Cycloalkane wie z.B. Cyclopentan machen etwas Ähnliches (aber noch viel Komplizierteres), nämlich Pseudoroatation. Dabei durchläuft jedes Molekül lange Reaktionsketten, wobei chirale und achirale Strukturen einander abwechseln, und die chiralen sind Spiegelbilder voneinander. In einer makroskopischen Stoffportion liegen zu jedem Zeitpunkt gleich viele Moleküle als +-Enantiomer wie als −-Enantiomer vor, daher sieht man makroskopisch keine Chiralität.
Aber das kommt halt nur durch Mischung zustande. Auch wenn Du ganz gewöhnliche stabile Enantiomere hast (die sich in reiner Form natürlich chiral verhalten), dann kannst Du durch 1:1-Mischung eine scheinbar achirale Mischung herstellen. Genauer gesagt muß man sich schon ganz gehörig anstrengen, um experimentell zu bemerken, daß diese Mischung aus chiralen Komponenten besteht.
Hier herrscht terminologisches Chaos. Ich rücke gerade:
- Ein Enantiomer ist ein Molekül, das von seinem eigenen Spiegelbild verschieden ist. Letztere Eigenschaft heißt auch chiral (Gegenteil: achiral). Daher sind Enantiomere notwendigerweise chiral. Alle 3D-Objekte sind entweder chiral oder achiral.
- Man kann von seinem eigenen Spiegelbild nur dann verschieden sein, wenn man selbst nicht symmetrisch bezüglich einer Drehspiegelachse ist (Spiegelebenen und Inversionszentren sind spezielle Fälle von Drehspiegelachsen). Jedes chirale Molekül hat also keine Drehspiegelachse als Symmetrieelement, und umgekehrt macht jede Drehspiegelachse ein Molekül achiral.
- Symmetrieachsen (also Drehungen um eine Achse) haben dagegen nichts mit Chiralität zu tun, so hat z.B. die (chirale) Weinsäure eine 180°-Symmetrieachse. Manche bezeichnen chirale Moleküle ohne Drehachse als „asymmetrisch“ und chirale Moleküle mit Drehachse als „dissymmetrisch“, aber diese Unterscheidung hat keine praktische Bedeutung.
- Ein asymmetrisches C-Atom (= C-Atom mit vier unterschiedlichen Substituenten, auch bekannt als „Stereozentrum“ oder „Chiralitätszentrum“) macht ein Molekül zwangsweise chiral, und daher liegen solche Moleküle notwendigerweise als Enantiomere vor. Dasselbe gilt auch für die verhältnismäßig seltenen Fälle von Heteroatomen mit vier unterschiedlichen Substituenten in tetraedrischer Koordination (v.a. N,S,Si), wobei manchmal auch ein lone pair als „Substituent“ zählen kann.
- Leider ist der vorangehende Satz sehr strikt auszulegen: Moleküle mit mehr als einem asymmetrischen C-Atom können unter engen Voraussetzungen achiral sein (sie heißen dann auch meso-Verbindungen, z.B. meso-Weinsäure). Außerdem gibt es einen Haufen chiraler Moleküle ohne asymmetrisches C-Atom, z.B. Penta-2,3-dien oder Helicen.
- Bromfluormethan CBrFH₂ ist achiral. Das Molekül hat ja eine Spiegelebene, nämlich die Ebene, die durch die Atome C,Br,F geht. Siehe Punkt 2.
- Bromchlorfluormethan oder 3-Methylhexan („Methylethylpropylmethan“) sind dagegen chiral.
Danke für die ausführliche Antwort
https://de.m.wikipedia.org/wiki/2,3-Pentadien
Das ist der wikipedia artikel zu penta2,3dien. : Was sollen diese kurvigen Bindungen zum H und CH3 am einen Ende darstellen?
Das ist eine Gurkenschreibweise für „ich weiß nicht, was vorne und was hinten ist, und ich will mich jetzt nicht festlegen, die Formel soll für jede Möglichkeit offen sein“. Die wirklichen Strukturen siehst Du im Abschnitt „Isomere“.
Vielen Dank für die Erklärung
Naja er hat gesagt dass das zb bei Cycloalkane passieren könnte