Die Deponentia (die es ja auch in anderen alten indogermanischen Sprachen gab) sind ein Überbleibsel eines viel älteren Verbsystems, das bereits im Indogermanischen ein Relikt aus älteren Tagen war. Die Frage läßt sich aber nicht ohne Spekulation beantworten, weil man ja keine hinreichend alten Texte hat, um die verschiedenen Theorien zu überprüfen.
Vermutlich hatte eine weit entfernte Vorfahrensprache des Indogermanischen ein System, wie man es heute von Ergativ-Sprachen (z.B. Georgisch) kennt: Transitive Verben hatten andere Konjugationsendungen als intransitive. Später wurden die Endungen der transitiven Verben als aktiv interpretiert, und sie konnten auch die Endungen der intransitiven Verben nehmen um eine Art Passiv zu bilden, vermutlich zuerst eher ein Medium als ein echtes Passiv: Das Subjekt begeht eine Handlung, die aufs Subjekt zurückwirkt, ähnlich wie bei reflexiven Verben im Deutschen. Im Lateinischen ist diese ehemals mediale Bedeutung des Passiv gelegentlich noch sichtbar, z.B. lavor ‘ich wasche mich’.
Ein starker Hinweis, daß das so war, sind die Perfektendungen. Das Perfekt hatte im Indogermanischen eine statische Bedeutung (ich habe gegessen = ich bin satt) und war nicht transitiv. Fürs Perfekt gab es keine Unterscheidung zwischen Aktiv und Passiv (deshalb hat Latein auch kein passives Perfekt, sondern es muß umschrieben werden), und die Endungen waren speziell, erinnerten aber mehr ans Passiv als ans Aktiv. Das paßt zur Annahme, daß Passivendungen und Intransitivität eng miteinander verbunden sind.
Der Trend in der Sprachentwicklung ging dann dahin, daß die Aktiv/Passiv-Unterscheidung gestärkt wurde. Transitive Verben konnten beides bilden, und intransitive wurden zunehmend im Aktiv konjugiert. Aber manche intransitive Verben behielten die alten Passivendungen, sogar wenn sie in manchen Fällen (z.B. sequī ‘folgen’) später transitiv wurden. Langfristig wurden diese Anomalien aber behoben — in allen romanischen Sprachen sind die Abkömmlinge von sequī ganz normale aktive Verben, z.B. ital. seguire oder span. seguir. Solche unhistorischen Aktivformen von sequī findet man bereits im Spätlateinischen, und langfristig blieb dem Verb sowieso nichts anderes übrig, weil alle romanischen Sprachen die Passivformen das Lateinischen aufgegeben haben.
Diejenigen indogermanischen Sprachen, die noch über echte ererbte Passivformen verfügen, können auch heute noch Deponentia haben, z.B. griech. αισθάνομαι aisthánomai ‘ich fühle’ (verwandt mit den Fremdwörtern Ästhetik und Anästhesie) oder έρχομαι érchomai ‘ich komme’. Beide waren bereits im Altgriechischen Deponentia.
Aber auch Sprachen, die das originale Passiv verloren und später ein neues gebildet haben (z.B. Schwedisch) können Deponentia haben, die in diesem Fall natürlich viel jünger sind. Ein Beispiel ist hoppas ‘hoffen’; die Bedeutung dieses Verbs ist intrinsisch medial (man hofft ja für sich selbst), und deshalb bildet es formal passive Formen, deren Bedeutung eher aktiv ist (das schwedische Passiv hat sich aus einer Konstruktion mit dem Reflexivpronomen entwickelt, deshalb ist das Passivkennzeichen ein -s- wie beim Wort sich).