Frage zu Bestimmung eines Reimschemas?
Ich habe eine Frage bezüglich des ,Zerlegens' von Versen, um das korrekte Reimschema zu bestimmen. Ich hab hier ein Beispiel (ein mittelhochdeutsches Gedicht). Diese Bestimmung war leider nie meine Stärke...
Lâ mich, Minne, vrî! dû solt mich eine wîle sunder liebe lân. dû hâst mir gar den sin benomen. komest dû wider bî, als ich die reinen gotes vart volendet hân, sô wis mir aber willekomen! Wilt aber dû ûz mînem herzen scheiden niht (daz vil lîhte unwendic doch geschiht), vüer ich dich danne mit mir in gotes lant. sô sî er umbe halben Iôn der guoten hie gemant.
Meine Frage ist: Das Reimschema variiert tatsächlich etwas, je nachdem, ob ich die Sätze in Klammern ,nach unten verschiebe' oder nicht. Muss ich das einfach so lassen (und nicht verschieben) oder soll ich es verschieben, wenn ich beispielsweise eine Neuhochdeutsche Version habe, in welcher der Satz in Klammern, ein ganzer eigenständiger Satz ist und sich das dann auch reimt, oder soll ich es unabhängig davon zerlegen, weil es überhaupt in Klammern ist?
Wäre das Reimschema so korrekt?
- Lâ mich, Minne, vrî! dû solt mich eine wîle sunder liebe lân. (a)
- dû hâst mir gar den sin benomen. (b)
- komest dû wider bî, als ich die reinen gotes vart volendet hân, sô wis mir aber willekomen! (b)
- Wilt aber dû ûz mînem herzen scheiden niht (daz vil lîhte unwendic doch geschiht), vüer ich dich danne mit mir in gotes lant. (c)
- sô sî er umbe halben Iôn der guoten hie gemant. (c)
Oder so?
- Lâ mich, Minne, vrî! dû solt mich eine wîle sunder liebe lân. (a)
- dû hâst mir gar den sin benomen. (b)
- komest dû wider bî, als ich die reinen gotes vart volendet hân, sô wis mir aber willekomen! (b)
- Wilt aber dû ûz mînem herzen scheiden niht (c)
- (daz vil lîhte unwendic doch geschiht), (c)
- vüer ich dich danne mit mir in gotes lant. (d)
- sô sî er umbe halben Iôn der guoten hie gemant. (d)
Oder soll ich es lassen?
2 Antworten
Ich habe jetzt in der Volltextssuche das Gedicht nicht gefunden.
Mir ist aber aufgefallen, dass ein Zeilensprung fehlt:
komest dû wider bî, als ich die reinen gotes vart volendet hân, (a)
sô wis mir aber willekomen! (b)
Die anderen wären ok.
Die Verslängen können durchaus recht unterschiedlich sein.
Mein Vorschlag:
- Lâ mich, Minne, vrî! (a)
- dû solt mich eine wîle sunder liebe lân. (b)
- dû hâst mir gar den sin benomen. (c)
- komest dû wider bî, (a)
- als ich die reinen gotes vart volendet hân, (b)
- sô wis mir aber willekomen! (c)
- Wilt aber dû ûz mînem herzen scheiden niht (d)
- (daz vil lîhte unwendic doch geschiht), (d)
- vüer ich dich danne mit mir in gotes lant. (e)
- sô sî er umbe halben Iôn der guoten hie gemant. (e)
Bei dir ist a eine Waise, und viele Reime übergehst du.
Nein, das hat der Autor schon gemacht. Man muss immer schauen, das sich das letzte Wort sich mit irgendeinem anderen reim.
Beliebig zerlegen führte zu originellen Texten. Aber weil mittelhochdeutsche Lyrik zumeist gesungen wurde: Minnesang, wäre ein von dir frei zerlegtes Gedicht nicht mehr singbar.
Also, ist man in der Hinsicht (bzg. des Zerlegens) nicht frei, es selbst zu entscheiden?