Frage - War das deutsche Kaiserreich fortschrittlich?

5 Antworten

Frage - War das deutsche Kaiserreich fortschrittlich?

Ja, durchaus.

In Wissenschaft, Industrie, im Bildungswesen und vielen anderen Bereichen, nicht zu vergessen in der Sozialgesetzgebung, war das Kaiserreich führend in Europa. Die gesellschaftlichen Strukturen waren einerseits geprägt vom Aufstieg des Bürgertums und der Herausbildung einer Industriearbeiterschaft, andererseits zeigte sich eine gewisse Rückständigkeit durch die besondere rechtliche Privilegierung und Bevorzugung des Adelsstandes. Allerdings gab es diese Standesprivilegierung auch in anderen europäischen Monarchien.

den während sich in diversen anderen Staaten bereits zunehmend demokratische Einflüsse durchgesetzt hatten, herrschte im Deutschen Reich noch der Kaiser und hatte quasi als Monarch komplett das Sagen über nahezu alles.

Tatsache ist, dass Wilhelm II. das selbst geglaubt hat! Bei einem seiner Besuche in München schrieb er einmal: Suprema lex regis voluntas! (Oberstes Gesetz ist der Wille des Königs) Er stieß mit dieser seiner Einstellung auf breites Unverständnis und Kopfschütteln nicht nur in Bayern! Tatsache ist, dass Wilhelm viel zu faul und unfähig war, um selbständig zu regieren. Selbst in den Bereichen, die kaiserliche Reservatrechte waren - Militärwesen, Außenpolitik -, war Wilhelm ohne seinen Reichskanzler und die Reichsämter orientierungs- und machtlos.

Das Deutsche Kaiserreich keineswegs undemokratisch! In den meisten Bundesstaaten waren die Monarchen nicht nur an eine Verfassung gebunden, wie auch der Kaiser, sondern sie hatten sich mehr oder weniger schon zu parlamentarischen Monarchen entwickelt, besonders in den Königreichen Bayern, Württemberg und Sachsen, aber auch in den kleineren Ländern, z. B. Baden. Auch der Kaiser war an die Gesetze und den Reichshaushalt gebunden, die vom Reichstag beraten und verabschiedet wurden. Während die Abgeordneten des Reichstages schon von allen Männern im Reich ab einem Alter von 25 Jahren in allgemeinen und geheimen Wahlen gewählt wurde, gab es in den anderen deutschen - mit Ausnahme Badens! - und europäischen Monarchien sowie vielen Ländern der damaligen Welt nur ein Klassen- bzw. Zensuswahlrecht. Gerade das Reichstagswahlrecht war also sehr fortschrittlich und wegweisend!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Was Forschung und Kunst/Kultur anging, auf jeden Fall! Das Kaiserreich war ein (vor den Begebenheiten der damaligen Zeit) ein hochentwickeltes Industrieland und konnte auf eine lange ("deutsche") Geschichte mit vielen berühmten Namen aus Wissenschaft, Kunst und Literatur/Dichtung etc. zurückblicken....

Gesellschaftlich/politisch gesehen, galt es so einigen Zeitgenossen dagegen wohl noch als eher "rückständig"....den während sich in diversen anderen Staaten bereits zunehmend demokratische Einflüsse durchgesetzt hatten, herrschte im Deutschen Reich noch der Kaiser und hatte quasi als Monarch komplett das Sagen über nahezu alles. Für manche Anderen, hier v.a. die Amerikaner, war das ein veraltetes/überholtes totalitäres bzw. absolutistisches System.....


Tannibi  25.02.2025, 14:33
während sich in diversen anderen Staaten bereits zunehmend demokratische Einflüsse durchgesetzt hatten, herrschte im Deutschen Reich noch der Kaiser und hatte quasi als Monarch komplett das Sagen über nahezu alles.

Nun ja - "Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein"
(Wilhelm I. über Bismarck). Und Bismarck hat u. a. die erste Sozialversicherung
eingeführt.

smartguy92  25.02.2025, 14:36
@Tannibi

Ändert ja nur leider nichts an der Tatsache, dass der "Willy" offiziell der Big Boss im "Land der Dichter und Denker" war....

Tannibi  25.02.2025, 14:40
@smartguy92

Ich wusste nicht, dass wir von "offiziell" sprechen. Ich dachte,
wir sprechen von Tatsachen.

smartguy92  25.02.2025, 14:47
@Tannibi

Ja, eine Tatsache ist, dass Ihre Majestät de jure das Sagen hatte und sich auch jederzeit über die klugen Ratschläge eines Otto von Bismarck hinwegsetzen konnte, wenn er mit diesem Mal nicht einer Meinung war....

Besonders unter Wilhelm II., der quasi überall sein persönliches Regiment etabliert hatte, nahm das Amt des Monarchen teilweise deutlich autoritäre Züge an....

EstherMontanus  25.02.2025, 14:21

Die tatsächlichen Möglichkeiten des Kaisers werden sehr überschätzt. Er war sehr vo seinen Beratern abhängig, die faktisch die Macht in den Händen hielten.

smartguy92  25.02.2025, 14:24
@EstherMontanus

Ja, das mag so sicherlich gewesen sein, aber nichtsdestotrotz war Ihre Majestät nach außen hin offiziell tonangebend, auch wenn Ihre Majestät im Privaten z.B. kluge Ratschläge von einem Paul von Hindenburg erhielt....

Das war in anderen Monarchien dieser Zeit wie z.B. Großbritannien deutlich anders. Die dortige Gesellschaft hatte zu jener Zeit bereits verstärkte demokratische Tendenzen angenommen und es gab ein Parlament....

EstherMontanus  25.02.2025, 15:11
@smartguy92

Deutschland hatte auch ein Parlament. Die Befugnisse waren eingeschränkt aber beim Haushalt konnte es mitentscheiden (M. W.)

Das war es in vielerlei Hinsicht.

Wissenschaftlich: Deutschland brachte in der Zeit die meisten Nobelpreisträger hervor, vor allem auf dem Gebiet der Chemie.

Technologisch und wirtschaftlich: Deutsche Produkte waren damals Qualitätsprodukte, welche die französische und britischen in den Schatten stellten. Sie waren gefragt in aller Welt. Die Briten wollten die deutsche Wirtschaft vernichten durch den Zwang, deutsche Waren auf dem internationalen Markt mit "Made in Germany" zu kennzeichnen. Doch der Schuss ging nach hinten los: Made in Germany wurde zu einem Gütesiegel ersten Ranges. Die Briten hatten den Wirtschaftskrieg gegen Deutschland verloren. Triftige Gründe, 1914 gegen das deutsche Reich in den Krieg zu ziehen.

Moralisch: Im Gegensatz zu den aggressiven Imperialmächten wie Großbritannien und Frankreich haben Deutsche niemals Kolonien mit militärischer Gewalt erobert. Stattdessen wurden im Auftrag deutscher Privatunternehmen Schutzverträge mit Eingeborenen, z. B. in Afrika geschlossen. Dort gelang es den Deutschen, sehr viel Gutes zu tun: Man hat z. B. die Eingeborenen Deutsch-Ostafrikas vom Joch des arabischen Sklavenhandels befreit. Ferner haben deutsche Ärzte wie z. B. Friedrich Karl Kleine durch die Heilung der afrikanischen Schlafkrankheit Millionen Afrikanern das Leben gerettet. Über solche in der Weltgeschichte einzigartigen sittlichen Leistungen wird in der heutigen antideutschen Geschichtsschreibung nicht mehr berichtet. Stattdessen verteufeln einmal die marxistischen Geschichtsfälscher den Kolonialismus in Bausch und Bogen und zum anderen wälzten seit den Lügend es Versailler „Vertrages“ die tatsächlich ausbeuterischen und menschenverachtenden Kolonialmächte wie Großbritannien, Frankreich und Belgien ihre eigene, gewaltige koloniale Schuld einfach auf die Deutschen ab.

Aus der Zeit stammt die große Architektur. Und es wurde als Land der Dichter und Denker weltweit berühmt.


Schalkefan204 
Beitragsersteller
 25.02.2025, 14:14

Danke vreezer!

Die Wissenschaft wurde gefördert. Viele bekannte Wissenschaftler darunter der Entdecker des Erregers der Tuberkulose wurden gefördert. Das von Kaiser Wilhelm gegründete Forschungsinstitut gibt es heute noch unter anderem Namen.