Auflösung von durch Missbrauch entstandenen inneren Anteilen im Erwachsenenalter – Befreit sich der Geist von Manipulationen?

3 Antworten

Was du beschreibst, ist ein bekannter und wissenschaftlich dokumentierter Heilungsprozess bei traumabedingten dissoziativen Störungen. Deine Erfahrung ist nicht ungewöhnlich und zeigt, dass dein Geist natürliche Heilungsmechanismen aktiviert hat.

Dissoziative Anteile entstehen tatsächlich als Schutzreaktion des kindlichen Bewusstseins vor überwältigenden Traumata. Diese Fragmentierung der Persönlichkeit war damals überlebenswichtig, um die extremen Belastungen zu bewältigen. Was du als "eingepflanzte Manipulationen" beschreibst, entspricht dem, was Fachleute als strukturelle Dissoziation bezeichnen - die Aufspaltung der Persönlichkeit in verschiedene Anteile mit spezifischen Funktionen.

Der Zeitpunkt deines Bewusstwerdungsprozesses um die 30 ist typisch. Viele Betroffene entwickeln erst im Erwachsenenalter ein Verständnis für ihre inneren Strukturen, oft ausgelöst durch veränderte Lebensumstände oder den Wegfall äußerer Stressoren. Dein Kontaktabbruch zu den Tätern war entscheidend - ohne die kontinuierliche Retraumatisierung können sich die dissoziativen Strukturen tatsächlich auflösen.

Was du als "Verschwinden" der Anteile erlebst, ist vermutlich Integration - ein natürlicher Heilungsprozess, bei dem die abgespaltenen Persönlichkeitsanteile wieder in dein Gesamtbewusstsein eingegliedert werden. Dies bedeutet nicht, dass diese Teile verloren gehen, sondern dass sie wieder zu einem kohärenten Selbst zusammenfinden. Die Neuroplastizität des Gehirns ermöglicht diese Heilung auch noch im Erwachsenenalter durch die Bildung neuer neuronaler Verbindungen.

Deine Beobachtung über die "Auffrischung" ist psychologisch zutreffend. Traumatische Konditionierungen brauchen oft wiederholte Verstärkung, um stabil zu bleiben. Ohne diese Verstärkung können sich die pathologischen Strukturen spontan auflösen. Die Prognose für dissoziative Störungen ist bei frühzeitiger Unterbrechung der traumatischen Einflüsse oft günstig, mit Besserungsraten von bis zu 82% über mehrere Jahre.

Dein Heilungsprozess zeigt die bemerkenswerte Fähigkeit der menschlichen Psyche zur Selbstreparatur. Die inneren Anteile lösen sich auf, weil sie nie dein wahres Selbst waren, sondern adaptive Überlebensstrategien. Jetzt, wo die Bedrohung weg ist, kann dein authentisches Selbst wieder hervorkommen.


kehIani 
Beitragsersteller
 02.06.2025, 04:33

Vielen Dank für deine Antwort! Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht weißt, woran ich als dissoziative Person erkennen kann, ob die ganzen Opferanteile beziehungsweise die konditionierten Anteile, die keinen eigenen Willen haben und für das Denken der Täter erschaffen wurden, vollständig aus meinem System entfernt sind oder ob ich sie so tief abgespalten habe, dass sie gerade nicht an die Oberfläche kommen. Vielleicht sind sie noch da, aber einfach abgespalten weil sie nicht gezielt durch Täter " ans Licht " geholt werden . Aber wie kann ich bzw alle in meinem System das rausfinden ? Leider sind dissoziative Barrieren im Innen noch stark da aber haben sich gleichzeitig aufgelöst auf einer anderen Ebene . Ich kann das nicht gut beschreiben weisst du wie ich das meine ?

Weißt du, wie ich herausfinden kann, ob das der Fall ist? Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich nur denke, dass sie weg sind, weil sich mein Trauma-Gedächtnis altersbedingt immer weiter öffnet und ich nicht mehr in der Lage bin, erneut programmiert oder konditioniert zu werden. Es scheint, als würden diese Programmierungen altersbedingt allmählich verblassen bzw abflachen. Ich wäre dankbar für deinen Rat dazu.

Emanuel4862  02.06.2025, 07:46
@kehIani

Deine Frage betrifft einen zentralen Aspekt der Heilung bei dissoziativen Störungen: Wie erkennt man, ob konditionierte Opferanteile wirklich integriert oder nur tief abgespalten und deshalb nicht spürbar sind? Altersbedingt kann das Trauma-Gedächtnis zugänglicher werden und die Suggestibilität abnehmen, was dazu führt, dass frühere Programmierungen allmählich verblassen. Dissoziative Barrieren können sich teilweise auflösen, während andere Ebenen weiter bestehen – das ist ein bekanntes Phänomen und bedeutet, dass Integration oft schrittweise und nicht gleichzeitig auf allen Ebenen geschieht. Vollständig integrierte Anteile zeigen sich daran, dass du über sie sprechen und Erinnerungen einordnen kannst, ohne dass dabei starke Amnesien, plötzliche Verhaltensänderungen oder unerklärliche Affekte auftreten. Bleiben Erinnerungslücken, plötzliche Stimmungswechsel oder körperliche Symptome ohne klaren Auslöser bestehen, sind meist noch Anteile abgespalten. Auch wenn du auf bestimmte Themen, Orte oder Trigger weiterhin mit starker innerer Distanz, Taubheit oder automatischen Reaktionen reagierst, kann das auf latente Anteile hinweisen. Um das herauszufinden, helfen Selbstbeobachtung, das Schreiben deiner Lebensgeschichte, Körperwahrnehmungsübungen und das achtsame Beobachten von Reaktionen auf frühere Trigger. Wenn du über alte Anteile sprechen kannst, ohne Scham oder Vermeidung, ist das ein Zeichen für Integration. Bleibt jedoch ein Gefühl, dass etwas fehlt oder du bestimmte Zeiten nicht richtig zuordnen kannst, sind wahrscheinlich noch Barrieren aktiv. Insgesamt ist es normal, dass sich Integration und Abspaltung zeitweise überlappen. Der Heilungsprozess ist individuell und verläuft oft in Wellen. Körperorientierte Achtsamkeitsübungen und das Beobachten subtiler Veränderungen im Alltag können helfen, verbliebene Anteile zu erkennen und schrittweise zu integrieren.

Ich würde dies, an deiner Stelle, mit einem Psychologen besprechen, der mit solchen Erlebnissen/Fällen Erfahrungen hat.

Das muss professionell aufgearbeitet werden.

Gut finde ich, dass du es wohl aufarbeiten willst. Aber, in deinem eigenen Interesse, mache es mit professioneller Hilfe.

Ich hoffe und wünsche dir, dass du eine/n Psycholog/en/in findest, die dir einen Weg aufzeigen kann, dies zu verarbeiten. Dir alles Gute!

Finger weg von dem esoterik Kram, der Schaden und neue Abhängikeiten sind meist gröẞer als der Nutzen. Als Atheist geh zum Psychologen als Christ zu Jesus.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung