Sind Zyniker die besseren Politiker?
harles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754–1838)
Charles-Maurice de Talleyrand überlebte Monarchie, Revolution, Napoleon und Restauration– stets sich selbst treu, nie einer Idee. Ein skrupelloser Überlebenskünstler und Opportunist. Aber: In Momenten größter Umbrüche war es nicht der tugendhafte Patriot, der das Land rettete, sondern der kalt rechnende Diplomat. Er war korrupt, zynisch und glaubte an nichts und dennoch rettete er Frankreich beim Wiener Kongress wie kaum ein anderer.
Ein faszinierter Virtuoso des machtkämpferischen und brutalen Überlebens.
Heute erwarten viele von Politikern moralische Integrität. Doch wäre ein Prinzipienreiter in Talleyrands Lage so effektiv gewesen?
Macht gerade der illusionslose Zyniker Politik, die wirklich wirkt- jenseits von Idealen? Oder brauchen wir unbedingt Überzeugungstäter an der Spitze?
Sind solche Figuren nicht ziemlich interessant?
5 Antworten
Dieses Bild wird von Talleyrand oft gezeichnet, aber ich halte es für durchaus überzogen.
Für einen skrupellosen Opportunisten, könnte man Talleyrand erklären, wenn er ein solches Verhalten in ruhigen Zeiten an den Tag gelegt hätte.
In den Umbrüchen der französischen Revolution konnte halsstatrriges Festhalten an bestimmten Vorstellungen sehr schnell den Kopf kosten.
Und ich würde mit der Talleyrand-Biographie von Johannes Willms auch darauf hinweisen wollen, dass Talleyrands Verhalten gegenüber Napoléon durchaus nicht immer auf den eigenen Vorteil bedacht war.
Talleyrand und Napoléon hatten durchaus sehr verschiedene Auffassungen von Außenpolitik, Talleyrand scheint da durchaus die Auffassung vertreten zu haben, dass die immer größere Ausdehnung Frankreichs zu immer weiteren außenpolitischen Verwicklungen und anti-hegemonialen Koalitionen gegen Frankreich führen würde (womit er nicht ganz falsch lag) und trat Napoléon gegenüber für ein Ende der französischen Expansion ein, was Napoléon irgendwie anders sah.
Das führte dann dazu, dass nach dem Frieden von Tilsit Talleyrand als Außenminister Napoléons zurücktrat, was er nicht getan hätte, wenn er ein rückgratloser Opportunist gewesen wäre, der nicht bereit gewesen wäre eigene Ideen auch zu verfechten und zu vertreten.
Der Umstand, dass Talleyrand auch nach Napoléons Sturz noch eine kurze Rolle in der französischen Politik während der Restaurationszeit spielen konnte, hängt eben auch damit zusammen, dass er durchaus gegenüber dem übrigen Europa andere Ideen vertreten hatte als Napoléon und deswegen als pragmatischer Sachwalter der Belange Frankreichs auf dem Wiener Kongress durchaus in Betracht kam.
Von dem her würde ich sagen, Talleyrand war in Sachen Rückgrad besser als sein Ruf.
Hochgradig korrupt (nach unseren Vorstellungen), im Sinne von Vorteilsnahme war er natürlich, allerdings war das im alten absolutistischen Europa aus dem er noch stammte unter Amtsträgern ziemlich normal.
Er war der perfekte effizientere Diplomat, der unter vielen Regimen zum Wohl Frankreichs gedient hat.
Laut Napoleon I: 1 sac de m.... dans des bas de velours
Talleyrand war ein extremer Opportunist, aber er hatte natürlich politisches Geschick drauf.
Er war zusammen mit dem Österreicher Metternich der Meinung das Europa nur in Frieden leben könne wenn sich jedes Land neutral verhalten würde.
Er hatte zudem nur wenig Respekt vor Napoleons Reformen, zumindest nicht um diese als mit Grund zu nehmen viele Kriege zu erklären um die Reformen nach ganz Europa zu bringen.
Insgeheim wollte er wahrscheinlich die Neutralität von Frankreich, doch als Napoleon in der Schlacht von Austerlitz praktisch ganz Europa besiegte war er auch leise.
Und als Opportunist gab er auch Napoleon viele Ratschläge, manche gute (wie z.B das sich Napoleon mit einer österreicherin verheiraten solle, was er auch gemacht hat) aber auch schlechte, z.B die Kaiserkrönung von Napoleon.
Er hatte starkes politisches Geschick und war ein erprobter Diplomat, doch als richtig guten Politiker würde ich ihn nicht bezeichnen da er Angst vor Veränderungen hatte, obwohl durch die französische Revolution und Napoleon Das Zeitalter der Veränderungen gekommen war .
Er durchlief diese Systeme durch seinen Opportunismus, nicht weil er die Veränderungen gut fande.
Zumindest nicht bei den wichtigsten Systemen, Französische Revolution und Napoleon. Würde ich zumindest sagen
Hallo,
man sollte Sarkasmus nicht mit Zynismus verwechseln.
Trotzdem kein Anzeichen für einen guten oder schlechten Politiker.
Eher ein persönlicher Ausdrucks-Stil.
Hansi
Nicht unbedingt besser, aber wahrscheinlich erfolgreicher. Moralisch integere oder zumindest aufrichtige Politiker wie Oskar Lafontaine, Heiner Geißler oder Wolfgang Thierse, Karl Lauterbach haben es in der Realpolitik deutlich schwerer.
Politiker ohne Gewissen oder Überzeugung (Gerhard Schröder) oder zynische (Trump) haben es dagegen sehr viel leichter, bei Bedarf können sie sich verkaufen oder anbiedern.
Opportunismus gehört da quasi zum Berufsbild, selbst Göring oder Heß sollen ja noch versucht haben die Seiten zu wechseln. Menschen wie Ernst Thälmann oder Otto Wels, Paul Löbe stehen meist auf der Verliererseite der Geschichte.
Sorry, aber jemandem, der 6 verschiedene Systeme durchlebte und durchlavierte, vorzuwerfen, er hätte Angst vor Veränderung, find ich falsch und ein bisschen komisch, ja. Ansonsten nehm ich den Kommentar zur Kenntnis.