Wieso funktioniert diese Reduktion so?
Hallo liebe Chemiker,
wir haben im Unterricht das Thema Redoxreaktionen im Bezug auf Oxidationszahlen. Uns wird zwar erklärt, wie wir eine Gleichung aufstellen, aber die Hintergründe eben nicht.
Zu meiner Beispielfrage:
Wasserstoffperoxid (H2O2) wird zu Wasser (H2O) reduziert. Die Elektronegativität des Sauerstoffs ändert sich von -I zu -II, da es ein Elektron aufnimmt. So weit so gut.
Meine Frage: Wo kommt dieses Elektron her? Offensichtlich geht bei dieser Reaktion ein O „flöten“. In H2O2 hat es die Elektronegativität -I. Wenn es sich dann löst, müsst es doch dann einfach negativ geladen sein, oder? Das H des H2O müsste dann folglich einfach positiv geladen sein. Für mich wird daher nicht ersichtlich, wieso das H beim H2O trotzdem neutral geladen ist, also ein Elektron besitzt.
Für die meisten ist die Frage vermutlich selbsterklärend; aber ich würde trotzdem gerne die Hintergründe verstehen, bevor ich mich auf schwierigerem Terrain bewege.
Daher würde ich mich sehr über eine Antwort freuen!
LG
2 Antworten
Zunächst einmal hast du hinsichtlich der Elektronegativität etwass missverstanden. Du meinst die Oxidationsstufe. Die ergibt sich aus der Aufnahme oder Abgabe von Elektronen.
Die Elektronegativität ist die Eigenschaft der Atomsorte, Elektronen anzuziehen. Beispielsweise ziehen O-Atome Elektronen viel stärker an als H-Atome. Die ändert sich nicht.
Und da sind wir auch schon beim Thema: Eine Bindung zwischen O und H ist bekanntermaßen sehr polar. Eben weil das O-Atom die Bindungselektronen (darunter das eingie Elektron des H) stark zu sich her zieht. Dadurch hat das H-Atom zwar formal sein Elektron nicht abgegeben, aber trägt doch eine sehr deutliche positive Partialladung.
Man könnte es auch so bezeichnen, dass in H2O zwei H(+) an einem O(2-) hängen... allerdings würde man damit einen ionischen Bindungscharakter implizieren, der eben nicht gegeben ist. Bei einer kovalenten Bindung drückt man das eben in Oxidationsstufen, nämlich H (+I) und O(-II) aus.
So gesehen funktionieren Oxidationszahlen zwar fast genau so wie Ladungen, aber sie machen eben keine Ionen aus kovalent gebundenen Atomen.
Deine Schlüsse, woher das Elektron beim Zerfall von H2O2 kommt, ist also vollkommen richtig:
- In H2O2 sind die H-Atome auf der Oxidationsstufe +I und die O-Atome auf -I
- Beim Zerfall gibt die Hälfte der O-Atome wieder ein Elektron ab, oxidiert dabei auf die Oxidationstufe 0 und verbindet sich zu elementarem O2.
- Die Elektronen werden von den anderen O-Atomen aufgenommen, diese werden dabei auf -II reduziert.
Nein, die Elektronenkonfiguration der H-Atome bleibt unberührt. Die Bindungselektronen zwischen O und H gehören de facto dem O und das H bleibt +I. Es werden nur Elektronen zwischen den beiden O-Atomen ausgetauscht.
Vielleicht hilft es dir, dir vorzustellen dass ein H2O2 in OH(-), O und H(+) zerfällt und sich OH(-I) und H(+) dann zu H2O verbinden.
Ich dachte die Oxidationszahl würde angeben, wem die Bindungselektronen im Falle einer Trennung zugeordnet werden. Bei O und H also dem O. Daher bin ich davon ausgegangen, dass das H kurzfristig eine tatsächliche Ladung von -I hätte, wenn sich das O loslösen würde.
Ich dachte die Oxidationszahl würde angeben, wem die Bindungselektronen im Falle einer Trennung zugeordnet werden.
Nein, das macht die Elektronegativität ;) Die sorgt dafür, dass auch schon bei stabiler Bindung die Bindungselektronen zu einem Bindungspartner hingezogen sind und die Bindung polar ist.
Uff wie dumm von mir! Ich habe nochmal über deine Antwort nachgedacht: Dem O im Wasserstoffperoxid gehören faktisch die Bindungselektronen des jeweiligen Wasserstoffatoms. Wenn es sich nun also trennt, und dass kann es nur machen, wenn es 6 Außenelektronen hat, muss etwas mit dem übrigen Elektron passieren. Dieses geht an das Wasser zurück- Da Sauerstoff die höhere Elektronegativität hat, also praktisch an das Sauerstoffatom. Ist das nun richtig? :)
Vielen Dank! Das gibt die hilfreichste Antwort!
Kurz gesagt: Ihr fangt mit der Mini-Version des ganzen an.
In der Realität gibt es keine isolierten Oxidationen oder Reduktionen, weil freie Elektronen nicht stabil sind und, wie du selber auch bemerkt hast, nicht aus dem Nichts kommen. Und Sauerstoff kann sich auch nicht ins Nichts verabschieden.
In der Realität gibt es nur beides gleichzeitig, nennt man dann auch eine Redoxreaktion. Stoff A gibt Elektronen ab und wird somit oxidiert, Stoff B nimmt eben diese Elektronen auf und wird somit reduziert. Deshalb wäre die komplette Gleichung:
2 H2O2 -> 2 H2O + O2
Weil, freier Sauerstoff ist nicht stabil, deshalb muss der Teil mit Wasserstoffperoxid zu Wasser zweimal gleichzeitig ablaufen, damit die freien Sauerstoffradikale sich in Pärchen zusammen finden können. Wenn du dann die Oxidationszahlen vom O in O2 bestimmst, wird dir auffallen, die ist bei 0. Entsprechend haben sie Elektronen verloren - die Elektronen, die das O in H2O bekommen hat.
Und es ist korrekt, das in H2O Wasserstoff einfach positiv ist. War es bei Wasserstoffperoxid auch schon - es wurde also nicht oxidiert oder reduziert.
Sofern nicht anders spezifiziert, ist eine mehratomige Struktur nach außen hin neutral. Sauerstoff hat außer bei Peroxiden und Verbindungen mit Halogenen immer eine zweifach positive Ladung, Wasserstoff hat, außer in Verbindungen mit Elektropositiverem, meist eine einfach positive Ladung. Denk an die Edelgasregel!
Vielen Dank für die Antwort. Die einfach positive Ladung des Wasserstoffs nach der Trennung des Sauerstoffsatoms meinte ich eigentlich bezogen auf diese tatsächliche Ladung, nicht auf die Oxidationszahl. Tut mir leid, wenn das falsch verstanden wurde, ich habe mich im Text ja auch einige Male mit den Begriffen „Elektronegativität“ und „Oxidationszahl“ vertan.
Ist es also so richtig?: Bei der Trennung des Sauerstoffatoms von Wasserstoffperoxid ist letzteres, nun ja Wasser, kurzfristig einfach positiv geladen (tatsächliche Ladung), nur um dann das überschüssige Elektron des Sauerstoffs „zurückzubekommen“, wodurch die tatsächliche Ladung wieder 0 ist und die Oxidationszahl von Sauerstoff im Wasser -II. Der Sauerstoff hat nun wieder 6 Außenelektronen und kann ein stabiles Molekül bilden
Nein, es gibt kein kurzfristig positiv. Das passiert in einem Schritt, das ist kein "Erst das, dann das", sondern beides ist exakt gleichzeitig.
Aber, wenn du das alles in einem Schritt sagst, dann ja, so ist das.
Alles klar! Vielen Dank für die nette Antwort!
Vielen Dank für die hilfreiche Antwort! Ich meinte am Anfang die Oxidationszahl, nicht die Elektronegativität. Gut, dass du (ich hoffe, dass geht in Ordnung) trotzdem verstanden hast, was ich meinte.
Nur um sicher zu sein, dass ich es verstanden habe: Das O Atom nimmt das Elektrons des Wasserstoffs bei der Trennung auf , um es kurz darauf wieder „zurückzugeben“, sodass das O im H2O eine Oxidationszahl von -II hat.