Wie steht ihr zu der Thematik Abtreibung?

7 Antworten

Das Argument "ich bin gegen Abtreibung, nur bei Vergewaltigung ist es okay" halte ich für inkonsequent. Denn wenn man gegen Abtreibung ist, weil das Leben heilig ist und auf jeden Fall geschützt werden muss, was macht das Leben eines Kindes, das bei einer Vergewaltigung entstanden ist, dann weniger schützenswert?

Warum soll ausgerechnet die Person des Erzeugers so eine große Rolle spielen? Überspitzt gesagt "wenn der Erzeuger ein Gewalttäter ist, dann darfst du abtreiben. Aber was du willst oder bist, spielt leider gar keine Rolle."

Der Erzeuger spielt also in dieser Form der Argumentation eine deutlich wichtigere Rolle bei der Entscheidung für oder gegen Abtreibung als die Schwangere, die ja eigentlich deutlich wichtiger ist (oder sein sollte).

Das kann ich nun ehrlich nicht nachvollziehen.

Solltest du auf das Trauma der vergewaltigten Frau anspielen: Auch eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen, kann traumatisch sein. Letztendlich wird der weibliche Körper ja nicht nur ein paar Minuten (wie bei der Vergewaltigung) benutzt und fremdbestimmt, sondern ganze neun Monate lang.

wenn die Frau wegen dem Kind sterben würde.

Zum einen wird der weibliche Körper auch bei einer völlig normalen Schwangerschaft stark belastet, auch wenn das selten Thema ist. Ich erinnere mich noch gut an meinen Rückbildungskurs, wo nach und nach fast alle Mütter zugaben, sie hätten Schwierigkeiten damit, ihren Urin bei sich zu behalten. In einer britischen Studie gaben 12(!) Jahre nach der Geburt immer noch 38% der befragten Frauen an, sie hätten Probleme mit Inkontinenz.

Und lebensgefährliche Komplikationen wie zB das HELLP-Syndrom treffen auch junge, gesunde Schwangere ohne Vorwarnung.

Meiner Meinung spielt es keine Rolle, warum genau eine Frau abtreiben will. Sie möchte es gerne so, und der Grund geht Außenstehende nichts an. (Umgekehrt fragt ja auch niemand Schwangere "Was, du willst ein Kind? Warum denn?".)

Es gibt Frauen, die wollen einfach kein Kind. Und eine Sterilisation ist für kinderlose Frauen im gebärfähigen Alter noch schwerer zu bekommen als ein bezahlbarer Krippenplatz im Ballungsraum. Dann gibt es auch eine gar nicht mal so geringe Anzahl Frauen, die sich zuverlässige Verhütungsmittel wie Pille oder Spirale einfach nicht leisten können. Was bleibt denen denn? Enthaltsamkeit, klar. Wenn sie aber in einer Beziehung sind und der Partner "sein Recht einfordert"?

Es ist halt so: Man hat bei dieser Fragestellung eine Rechtekollision.

Auf der einen Seite ist die Frau und ihre Rechte und auf der anderen Seite das Ungeborene, das ja auch Rechte hat. In jedem Fall, wo es eine Kollision verschiedener Rechte gibt, muss man abwägen, welches Recht schwerer wiegt. Ein Kompromiss ist gerade bei der Abtreibung auch nicht möglich.

Ich persönlich habe ein Problem mit der Ansicht, dass grundsätzlich das Ungeborene wichtiger sein soll, als die Frau, in der es wächst. Wie weit geht man dann? Dürfen Schwangere nicht mehr Auto fahren, weil das gefährlich sein könnte für das Ungeborene? Dürfen Schwangere keine Kneipe mehr betreten, um geschützt zu werden vor Passivrauch? Sollte man sie vielleicht gleich zuhause einsperren, damit sie sich nicht mit Infektionskrankheiten anstecken können? Wie viele Rechte der Schwangeren kann man einschränken, um das Ungeborene maximal zu schützen?

Ich freue mich über jede nicht notwendige Abtreibung. Aber manchmal, aus Gründen, über die ich nicht richten möchte, ist es halt für die Betroffene der einzige Ausweg. Und dieser Ausweg sollte legal und unter zumutbaren Bedingungen zur Verfügung stehen.

Ich denke, man sollte Ideologien aus der Sache raushalten. Das betrifft grundsätzlich beide Seiten.

Einerseits ist es wichtig und richtig, dass es diese Möglichkeit gibt.

Andererseits müssen wir aufpassen, dass die Abtreibung nicht zur Normalität einer erweiterten Verhütung wird.

In Deutschland haben wir ein Verhältnis von Geburten zu Abtreibungen von etwa 8 zu 1.

In Frankreich ist das Verhältnis etwa 3 zu 1.

In Griechenland nach Schätzungen etwa 1 zu 1.

Da muss man schon die Frage stellen, ob diese Entwicklung so richtig und gewollt ist.

Elli113  29.06.2022, 09:37

Wobei ich anmerken möchte, dass das Verhältnis Abtreibungen zu Geburten nicht ganz so aussagekräftig ist. Denn es kann ja durchaus sein, dass absolut gesehen die Zahl der Abtreibungen auf 1000 Frauen gleich bleibt, aber zB aufgrund der wirtschaftlichen Lage die Geburtenrate extrem sinkt, weil weniger Menschen sich ein Kind überhaupt leisten können.

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Interesierter  29.06.2022, 11:30
@Elli113

Ein Verhältnis von 1 zu 1 sagt hin wie her schon sehr viel aus.

Vor allem sagt es aus, dass viele es mit der Verhütung nicht genau nehmen und dabei die Abtreibung gleich mit einkalkulieren.

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Elli113  29.06.2022, 13:00
@Interesierter

Aber genau das sagt es doch nicht aus.

Mal angenommen, von 1000 gebärfähigen Frauen werden 500 gewollt schwanger und 50 ungewollt. Jetzt nehmen wir weiter an, dass alle 50 auch wirklich abtreiben (was ja nicht unbedingt der Fall sein muss, insbesondere in wirtschaftlich guten Zeiten). Folglich hätten wir 50 Abtreibungen und 500 Geburten, was exakt ein 1:10 Verhältnis ist.

So. Jetzt kommt eine Wirtschaftskrise und weniger Frauen wollen Kinder. Den Fakt, dass sich damit möglicherweise auch weniger Frauen zuverlässige Verhütungsmittel leisten können, lasse ich mal außen vor. Von 1000 Frauen werden jetzt nur noch 100 gewollt schwanger und weiterhin 50 ungewollt. Der Anteil der Frauen, die abtreiben, ist also exakt gleich geblieben, und trotzdem haben wir auf einmal ein Verhältnis von 1:2.

Wenn es wenige Abtreibungen gibt, aber auch sehr wenige Geburten, dann hat man logischerweise mehr Abtreibungen pro Geburt, als wenn es sehr viele Geburten gibt.

Das Verhältnis alleine sagt wenig aus, ohne das Wissen, wie viele Geburten es gab und wie viele Abtreibungen und wie sich beide Zahlen in den letzten zehn Jahren verändert haben.

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Interesierter  29.06.2022, 13:14
@Elli113

Das ist natürlich richtig.

Wäre aber in diesem Fall wie du schon sagtest, an einer extrem niedrigen Geburtenzahl erkennbar.

Die Geburtenrate in Griechenland ist ungefähr mit der in Deutschland vergleichbar.

Das heißt nun, dass die Abtreibungsrate in Griechenland bezogen auf die Bevölkerungszahl etwa 8 mal so hoch ist wie in Deutschland.

Und um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass das erstrebenswert ist.

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Elli113  29.06.2022, 13:37
@Interesierter
Wäre aber in diesem Fall wie du schon sagtest, an einer extrem niedrigen Geburtenzahl erkennbar.

Exakt. Und genau deswegen sagt das Verhältnis an sich eben nichts aus.

Ehrlich gesagt, habe ich jetzt auf die Schnelle keine seriöse Quelle gefunden, die das 1:1-Verhältnis belegt, dafür aber diese Beiträge vom deutschlandfunk:

Griechenland - Abtreibung statt Verhütung | deutschlandfunk.de

Griechenland - Viele Abtreibungen wegen fehlenden Sexualunterrichts | deutschlandfunk.de

Da stehen ja einige Gründe drin, unter anderem fehlt Aufklärung und die Finanzmittel für ordentliche Verhütung.

Das finde ich tatsächlich auch sehr bedenklich.

Erstrebenswert wäre es meiner Ansicht nach, Abtreibungen so gut es geht schon zu verhindern, indem man ungewollte Schwangerschaften verhindert. Das geht mit Aufklärung, und Zugang zu Verhütungsmitteln.

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Interesierter  29.06.2022, 13:42
@Elli113
Erstrebenswert wäre es meiner Ansicht nach, Abtreibungen so gut es geht schon zu verhindern, indem man ungewollte Schwangerschaften verhindert. Das geht mit Aufklärung, und Zugang zu Verhütungsmitteln.

Da stimme ich dir uneingeschränkt zu.

Ergänzen möchte ich noch, dass unsere Gesellschaft und vor allem die Politik gefordert ist, Hilfsangebote zu formulieren.

Damit würde sich für viele ungewollt schwangere der Konflikt gar nicht mehr als solcher darstellen.

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Ich denke, im Falle einer Vergewaltigung oder akuten Notsituation der angehenden Mutter sind wir fast alle der Meinung, dass Abtreibung erlaubt sein muss.

Über ein Verbot bzw. Einschränkungen kann man sonst u.U. in einem straken Sozialstaat sprechen, denn vielleicht kann es sich eine Frau auch gar nicht leisten, ein Kind aufzuziehen, Kinder sind nämlich nicht unbedingt gerade günstig. Wenn eine alleinstehende Frau schwanger ist und finanziell nicht so gut dran, dann müssen wir den (schwangerschaftsbedingten) Arbeitsausfall bezahlen und alles, was das Kind braucht.

Doch allgemein finde ich ganz klar, dass eine Person nicht dazu verpflichtet werden kann, das eigene Leben und die Gesundheit zu riskieren, wenn sie das nicht möchte, und dies sind Entscheidungen, die alleine die betroffene Person treffen kann, da darf niemand mitreden.

Grundsätzlich ist es ja ohnehin so, dass ein Abtreibungsverbot zu mehr illegalen Abtreibungen führen wird, die dann nicht immer sehr professionell sein müssen und bisweilen grosse Gefahren mit sich bringen.

Ich bin da prinzipiell für die eigene Entscheidung. Ganz gleich ob durch unachtsamen Sex oder Vergewaltigung.

Bis zu welchem Punkt (Wochen) das Sinn macht, darüber sollen sich Ärzte streiten.

Ich bin für folgende Situation.

Wenn eine Frau vergewaltigt wurde, dann hat sie das Recht abzutreiben. Ganz klarer Fall.

...

Ist das Kind durch einen ONS (DUMMHEIT MIT VERHÜTUNG) entstanden, dann nicht.

Wer seine Gurke irgendwo hineingesteckt, muss auch Verantwortung übernehmen.

Wer die Musik bestellt sollte auch bezahlen. Verantwortung von Beiden.

...

💡‼️Es sollte aber auch eine medizinische Notfallsituation wie oben beschrieben, geben.

Wenn die Gesundheit oder das Leben der Frau auf dem Spiel steht, dann sollte man im Notfall Maßnahmen ergreifen.

Ich weiss. Das ist ein kompliziertes und anspruchsvolles Thema.

Ich bin gespannt was andere denken.

Tuehpi  28.06.2022, 16:12
Wer die Musik bestellt sollte auch bezahlen.

Wer am Ende „zahlt“ ist das ungewollte Kind. Sprich doch mal mit nem Case Manager vom Jugendamt was die so den ganzen Tag erleben. Gibt ne ganz andere Perspektive.

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OLDO1975  28.06.2022, 16:38
@Tuehpi

Okay ❤

Ich weiß das ist ein schwieriges Thema.

Danke, daß Du mir Deine Sichtweise näherbringst👍

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Elli113  29.06.2022, 09:32

Das Argument "ich bin gegen Abtreibung, nur bei Vergewaltigung ist es okay" halte ich für inkonsequent. Denn wenn man gegen Abtreibung ist, weil das Leben heilig ist und auf jeden Fall geschützt werden muss, was macht das Leben eines Kindes, das bei einer Vergewaltigung entstanden ist, dann weniger schützenswert?

Warum soll ausgerechnet die Person des Erzeugers so eine große Rolle spielen? Überspitzt gesagt "wenn der Erzeuger ein Gewalttäter ist, dann darfst du abtreiben. Aber was du willst oder bist, spielt leider gar keine Rolle."

Der Erzeuger spielt also in dieser Form der Argumentation eine deutlich wichtigere Rolle bei der Entscheidung für oder gegen Abtreibung als die Schwangere, die ja eigentlich deutlich wichtiger ist (oder sein sollte).

Das kann ich nun ehrlich nicht nachvollziehen.

Solltest du auf das Trauma der vergewaltigten Frau anspielen: Auch eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen, kann traumatisch sein. Letztendlich wird der weibliche Körper ja nicht nur ein paar Minuten (wie bei der Vergewaltigung) benutzt und fremdbestimmt, sondern ganze neun Monate lang.

Wenn die Gesundheit oder das Leben der Frau auf dem Spiel steht,

Zum einen wird der weibliche Körper auch bei einer völlig normalen Schwangerschaft stark belastet, auch wenn das selten Thema ist. Ich erinnere mich noch gut an meinen Rückbildungskurs, wo nach und nach fast alle Mütter zugaben, sie hätten Schwierigkeiten damit, ihren Urin bei sich zu behalten. In einer britischen Studie gaben 12(!) Jahre nach der Geburt immer noch 38% der befragten Frauen an, sie hätten Probleme mit Inkontinenz. Und lebensgefährliche Komplikationen wie zB das HELLP-Syndrom treffen auch junge, gesunde Schwangere ohne Vorwarnung.

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OLDO1975  29.06.2022, 10:52
@Elli113

Danke für Deine Meinung und Sichtweise ❤❤❤❤

Ich bin für alle Meinungen offen und lasse mich gerne belehren in so einem Themengebiet.

Danke Elli113💐

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