Was tun mit "Problemkind"?
Hallo,
ich wollte mal hören, was ihr so für Erfahrungen gemacht habt bzw. ob es hier Menschen gibt, die sich mit Kids und deren schwierigen Phasen auskennen.
Eine Bekannte hat zwei Söhne. Der Älteste ist jetzt neun Jahre alt und sie weiß nicht mehr weiter mit ihm.
Er ist eigentlich ein süßes, liebes Kind aber seit etwa einem Jahr nehmen Vorfälle Überhand. Ein paar "Highlights", die Sorge machen
- Kraftausdrücke/ Beleidigungen: darunter auch schon so Sachen wie W*chser, H****sohn, B*tch, F*** Dich, Halt dein Maul - unklar wo aufgeschnappt
- Mutwillige Zerstörung von Gegenständen - sein Spielzeug, Spielzeug von anderen; Gegenständen von Fremden, zeigt dabei Spaß und keine Reue auch wenn die anderen traurig sind
- hat heimlich nachts einen Horrorfilm geschaut, seinen kleinen Bruder geweckt und gezwungen den Film mit anzusehen und fand es toll
- hat zum Vater gesagt, er wünschte sein Bruder sei t*t und dass er nicht mehr da sei, dass er mit seiner Mama alleine sei
- hat auf den Spielplatz gekotet und kleine Kinder mit dem Kot beworfen (mit einem Stock)
- in der Schule geprügelt, generell kein Interesse an Schulischem, nennt sich selbst "dumm"
- in der Schule unaufmerksam, hört nicht auf die Lehrer, läuft im Klassenzimmer rum
- Generell Probleme beim Lernen - kann nicht mal das kleine 1x1 und hat 5en/ 6en in Mathe - Ist bei einer Lerntherapeutin aber noch in den Anfängen
- Bespuckt und beleidigt seine Großeltern.
- Hört weder auf Vater, Mutter, Großeltern, Lehrer - folgt nicht mal kleinen Bitten (Aufräumen, Schuhe anziehen, Zähne Putzen), Akzeptiert kein Nein, reagiert nicht auf Anweisungen bzw. macht es wohl erst, wenn er es dann schroff gesagt bekommt
- Zu seiner kleinen Schwester ist er zuckersüß und zu seinem Bruder (der Mittlere) oft sehr gemein, beleidigend, tut ihm absichtlich weh
- ein riesiges Problem: Lügen und Geschichten erfinden, Ausreden
Alle Freunde haben sich von ihm abgewandt, da er diese immer, anscheinend unberechtigterweise, als Sündenböcke hinstellt ("Die haben mich angestiftet, die waren das, nicht ich" etc.), deren Sachen kaputt macht, sie beleidigt und lügt.
Die Mutter hat bei Psychotherapeuten angefragt aber findet keinen Platz. Der Junge ist in einer Ergotherapie aber erst seit Kurzem.
Alle reden immer gut auf ihn an, nehmen sich Zeit für ihn, erklären alles 10.000 Mal und stehen ihm bei. Er hat eigentlich ein gutes familiäres Netz. Die Eltern sind getrennt aber der Kontakt zwischen allen ist gut. Sein jüngerer Bruder ist komplett anders und macht keine Probleme. Niemand hat eine wirkliche Antwort darauf und es wird immer schlimmer. Die Kinder mit denen er zu tun hatte waren wohl auch alle "harmlos". Die Eltern haben sich immer bemüht, unternehmen viel mit ihm/ seinen Geschwistern und versuchen immer viel zu reden, gerade über Emotionen, Probleme etc. aber er spricht einfach nicht darüber. Auf der anderen Seite malt er tolle Bilder, ist sehr kreativ, hilfsbereit - das schwenkt aber schnell, sehr schnell wohl immer um.
Meine Ideen waren: Kinderarzt, Psychologe (hier schon auf Wartelisten) aber frage mich halt auch, was "normal" ist und was eben nicht mehr.
Es ist mir schon klar, dass man in einem Forum keine Lösung bekommt aber ich dachte, vielleicht gibt es ähnliche Erfahrungen oder jemand, der Expertise hat kann, Zusammenhänge erkennen oder Ideen hat was da los sein könnte und was man da tun kann. Ich danke euch!
Ergänzung: Konsequenzen bekommt er natürlich. Die Eltern sehen ihm dabei nicht zu und lassen ihn machen - Verbote, Gespräche, Ärger, was halt so üblich ist. Dann eine Belohnungsstrategie mit dem Lehrer erarbeitet. Es wurde mit einem Belohnungssystem versucht, dann mit mehr Aufmerksamkeit, mehr gemeinsamen Aktivitäten, Lob, versch. Sportarten und Hobbies ausprobiert, mehr Einbezogen.Dann kam das Klassenfahrt-Verbot nach dem letzten Hammer aber auch das scheint ihn nicht wirklich zu interessieren.
6 Antworten
Das Verhalten des Jungen, das Sie beschreiben, zeigt deutliche Signale von inneren Konflikten oder Schwierigkeiten, die er selbst möglicherweise nicht benennen oder verstehen kann. Trotz eines guten familiären Umfelds und seiner kreativen und liebevollen Seiten scheint er auf Stress oder emotionale Überforderung mit impulsivem und teils aggressivem Verhalten zu reagieren. Solche Reaktionen können vielfältige Ursachen haben – von emotionalen Bedürfnissen, die nicht klar geäußert werden, über Lernschwierigkeiten, die ihn frustrieren, bis hin zu einer möglichen Aufmerksamkeits- oder Impulskontrollstörung.
Ein wichtiger Schritt ist, weiterhin professionelle Unterstützung zu suchen. Kinder- und Jugendpsychologen oder auch spezialisierte Pädiater könnten helfen, die Ursachen seines Verhaltens zu erkennen und gezielt daran zu arbeiten. Die derzeitige Ergotherapie ist ein guter Anfang, sollte aber durch weitere Maßnahmen ergänzt werden, wie etwa Verhaltenstherapie oder eine familienbasierte Therapie.
Parallel dazu kann es helfen, klare, feste Regeln aufzustellen, die dennoch mit Geduld und liebevoller Konsequenz durchgesetzt werden. Positive Verstärkung – also das gezielte Loben von gutem Verhalten – ist wichtig, um ihn in die richtige Richtung zu lenken. Gleichzeitig können kreative Tätigkeiten, die ihm Freude bereiten, eine Möglichkeit sein, seine Emotionen auf eine gesunde Weise auszudrücken.
Das Ziel ist es, dem Kind sowohl Struktur als auch emotionale Sicherheit zu geben und gleichzeitig Wege zu finden, wie es mit seinen Frustrationen und Herausforderungen besser umgehen kann. Dabei ist Geduld der Schlüssel, denn solche Veränderungen brauchen Zeit. Ein gutes familiäres Netz, wie es hier vorhanden ist, ist dabei eine enorme Stärke, die ihm auf diesem Weg helfen kann.
Oh okay. Schaden kann es jedenfalls nicht, mal einen Kinderarzt oder andere Fachexperten hinzuzuholen.
Es geht um Aufmerksamkeit. Er möchte gesehen werden.
Er steht im Schatten seines Bruders. Der, in seinen Augen, "gesehen" wird. Oder das er sich, im Gegensatz zu ihm, ungerecht behandelt fühlt.
Irgendwas war das Schlüsselerlebnis. Wenn ich dies und jenes mache, "kümmert" man sich um mich. Auch wenn es negativ ist. Er hatte seinen "Auftritt".
So steigerte sich das langsam aber stetig. Je mehr er auf die Kacke haut (nicht nur sprichwörtlich) umso mehr dreht sich eben alles um ihn
Seine ganzen Auswüchse sind ein Hilfeschrei.
Wir hatten ähnliches (wenn auch absolut nicht in diesem Ausmaß) damals mit unserem Sohn. Nicht Zuhause und auch nicht bei der Verwandtschaft. Aber im Kindergarten und dann den Kindern im Ort umso mehr.
Auslöser: die ständigen Vergleiche mit der größeren Schwester. Sie kamen beide gleichzeitig in die Kita.
Die Praktikantin hat uns irgendwann erzählt, wie die Erzieherinnen und auch die Kinder im Gegenzug mit ihm umgehen.
Dann volles Programm. Bürgermeister, Gemeinderat (seitens des Trägers), Lebenshilfe zur Begutachtung. Kita-Wechsel. Auch da noch in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe.
Irgendwann saß ich mal wieder in einem der Elterngespräche. Es ging ausschließlich darum, was er NICHT kann oder macht. Was er aber in sechs Wochen(!) für Fortschritte gemacht hat, wurde nicht erwähnt. Da bin ich dezent geplatzt.
Die andere Kita-Leitung war allerdings ein absolutes Goldstück. Typ Big-Mama. Aber gleichermaßen streng aber gerecht.
Ihr Zaubermittel: jeder wird gleich behandelt. Vor allem dann, wenn gegen Regeln verstoßen wird. Egal ob junge oder Mädchen.
Vor allem aber hat sie seine Vergehen nicht in den Vordergrund gestellt. Du hast nen Bock geschossen. Also ab auf die Bank. Rigoros. Mit 3 oder 4 weiß man sehr wohl, was man darf und was nicht.
Ausschlaggebend war allerdings das Lob. Wenn er sich benommen hat, gab's ein Lob. Wenn er nicht störte, gab's ein Lob. Wenn er beim Essen nicht spazieren ging, gab's ein Lob. Sie hat einfach den Fokus auf ihn verschoben. Auf Schandtaten folgte die Konsequenz. Für gutes Verhalten eben die Aufmerksamkeit in Form von Lob.
Sprecht mit den Lehrern. Ändert euren Fokus auf ihn Zuhause. Holt euch Hilfe bei der Lebenshilfe.
Top Antwort ! Sind auch meine Gedanken dazu gewesen. Genau darum geht es: Aufmerksamkeit.
Denn: Auch negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit ! Das ist vielen dabei gar nicht bewusst....
Irgendwann findet man aus dieser Spirale nicht mehr heraus und dreht sich im Kreis.
Es kann auch an der Trennung der Eltern gelegen haben, eine einschneidende Veränderung, auch wenn die Eltern meinen, er hat es ganz gut "weggesteckt", geht sowas kaum spurlos an Kindern vorbei und kann durchaus so ein Verhalten begünstigen. Die Mutter hat weniger Zeit für ihn, der Vater ist nicht mehr uneingeschränkt greifbar... usw.
Ja. Auslöser war die Kita. Zu große Gruppe eine Leitung, die ihre Lieblinge hatte und eben auch die die unter den Tisch fielen. Waren meist Jungs.
Bei ihm kam dazu, dass seine Schwester eben ein ganz anderer Typ ist. Sie gerade aus, schweizer Uhrwerk, er ein Freigeist der auch mal Umwege macht.
Die Kinder taten ihren Rest dazu.
Die neue Kita war wirklich ein Segen. Der Wandel von pfui auf hui ging in einem irren tempo.
Zuhause dann immer wieder mal ein gut gemacht, das ein oder andere Dankeschön mehr, den Fokus eben auf die positiven Dinge. Auch wenn es Zuhause keine mit ihm Probleme gab. Wir waren Zuhause schon immer eine Einheit und jeder durfte so sein wie er ist auch mit seinen eigenen Macken, die nunmal jeder hat ;-)
Ja, diese "Kitaproblematik" kenn ich, hab in einer gearbeitet... Da war es leider nicht anders...
Wir hatten auch einen sehr verhaltensauffälligen Jungen, der von seinem Eltern, bzw. von seiner Mutter dauernd mit Engelszungen totgelabert und zugetextet - und von der Gruppenleitung ständig bestraft und als das nicht half, iwann komplett ignoriert wurde...
Ihr hattet wirklich Glück, mit der neuen Kita und dieser Dame, wohl eine der Wenigen die wirklich Ahnung hatte und auch genau wusste, wie man mit Kindern umgeht, auch und gerade dann, wenn sie etwas anders sind als der Rest der Gruppe.
Definitiv muss der Fokus auf das Positive gerichtet und gelenkt werden, denn schnell nehmen Kinder ihre Rolle als "Störenfried" an, wenn sie nur dadurch immer wieder die Aufmerksamkeit erhalten, die sie damit einfordern.
Auch sollte man ganz genau und intensiv, sein eigenes Verhalten diesbezüglich hinterfragen und auch immer wieder schauen, dass man nicht selber wieder in die bereits eingefahrenen Muster zurückfällt.
An vielen Orten gibt es Erziehungsberatungsstellen. Dort kann man sich kostenlos und anonym beraten lassen. Das ist meistens auch mit relativ kurzen Wartezeiten verbunden und die Berater*innen kennen sich im Hilfesystem des jeweiligen Ortes gut aus.
Auch das Jugendamt bietet Beratung und unterschiedliche Hilfen zur Erziehung an.
Der Junge scheint sehr viel Rückhalt in seinem Umfeld zu bekommen. Das ist sehr wertvoll! Aber auch die Erwachsenen müssen nicht alleine alle Antworten kennen und können sich auch Unterstützung holen.
Danke! Das hört sich gut an. So dumm, dass man vor dem ganzen Gedöns nicht mal darauf kommt das JA zu fragen.
Und ja, ich kenne die Familie schon lange und er hat eigentlich ein stabiles, liebendes Umfeld. Klar, man macht nicht alles perfekt als Eltern aber immer auf Trennung etc. als Erklärung rumzureiten finde ich auch nicht richtig.
Es kann ja ganz unterschiedliche Gründe geben, die da zusammen spielen. Auch psychologisch oder neurologisch. Das abzuklären wäre auch ganz wichtig, leider sind die Wartezeiten aber relativ lange...die unterschiedlichen Hilfs- und Beratungsangebote können aber ebenfalls eine gute Unterstützung sein.
Der Beschreibung nach klingt das ja ganz nach einem „Systemsprenger“… Ein Psychotherapeut wäre also auf jeden Fall schon mal die richtige Anlaufstelle. Eine vernünftige Familienberatung, um über das Verhalten und den Grund dafür, sowie den Umgang damit aufzuklären wäre ebenso notwendig.
Der Vater sollte mal Ursachenforschung betreiben und an folgendes denken:
"Bevor ein Kind Probleme macht, hat es Probleme."
Hat was, deine Sicht. Wobei es viele Interpretation gibt. Erlaube mir von der Entfernung kein Urteil. Mein Profil enthält einen Link zu einem umfassenden Beitrag bzw. mentale Gesundheit aus unterschiedlichen Perspektiven.
Denkst du, die Eltern betreiben das nicht und fühlen sich schon schuldig deswegen? Warum konkret der Vater?
Na ja, irgendwelche Krankheiten, Diagnosen, sofern bekannt, die mit ähnlichen Verhaltensweisen einhergehen... oder ähnliche Verhaltensweise die bekannt sind, die aber nie einer Krankheit zugeordnet worden sind, weil man "früher" ja noch viel weniger wusste als heute...
Danke für die sehr ausführliche und kompetente Antwort. Wie ich das rauslese, denken Sie, dass man auch den Kinderarzt zusätzlich konsultieren kann? Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hat man das noch nicht getan.