Was lässt dich hilflos/machtlos fühlen?
15 Antworten
Ich bin seit einigen Jahren praktisch vollständig blind (ich sehe nur noch Licht und Schatten) und im Umgang mit meiner Behinderung gibt es immer wieder mal Situationen, in denen ich mich unbeschreiblich hilflos und verzweifelt fühle. Ich lebe z.B. alleine und das klappt eigentlich auch ganz gut (ich würde mich als ziemlich selbständig einschätzen), aber manchmal gibt es Dinge im Haushalt, die als blinder Mensch fast unmöglich zu handhaben sind. In den vergangenen paar Tagen ist mir beispielsweise tausend Mal der Duschvorhang runtergefallen. Das System ist unglaublich bescheuert, weil die Stange ziemlich schwer, aber nicht festgeschraubt ist. Man muss sie quasi zwischen den Wänden links und rechts einklemmen. Das klappt aber nur, wenn man es richtig macht, also wenn die Stange mit Duschvorhang an beiden Wänden gleich hoch und gleich weit vorne ist. Mit den Händen konnte ich das nicht feststellen, weil die Fliessen an den Wänden unterschiedlich gross sind. Ich weiss, dass es visuell möglich ist, die Position der Stange abzuschätzen, weil meine ex-Partnerin vor mehreren Jahren schon einmal darum gekümmert hatte. Aber jetzt lebe ich halt alleine und ich habe niemanden, den ich um Hilfe fragen könnte. Ich wusste also, dass ich das Problem selbst lösen muss. Aber jedes Mal, wenn ich die verdammte Stange festmachte, donnerte es 15 Minuten später fürchterlich und das Ding war wieder unten. Manchmal dauerte es auch länger und dann wurde ich plötzlich mitten in der Nacht aufgeweckt weil es im Badezimmer laut krachte. Nachdem ich die Stange gefühlt tausend Mal aufgehängt hatte und sie trotzdem wieder runtergedonnert war, war ich irgendwann an einem Punkt, wo ich am Liebsten ganz laut geschrien und gleichzeitig geheult hätte. In solchen Situationen fühlt es sich einfach nur unerträglich unfair an, dass ich endlose Stunden meines Lebens mit dem Lösen eines Problems verschwenden muss, für die sehende Menschen ein paar Minuten brauchen.
Manchmal passieren mir auch ganz dumme Dinge, wenn ich nach draussen gehe. Kürzlich hatte ich z.B. einen wichtigen Termin in einer mir fremden Stadt. Ich organisierte meine Bahnreise extra so, dass ich 1 Stunde zu früh eintraf, um auf jeden Fall genug Zeit zu haben, das richtige Gebäude/Zimmer zu finden. Am Bahnhof leistete ich mir ein Taxi, damit ich mich nicht in der Stadt verlaufe. Am Zielort stieg der Taxifahrer mit mir aus und zeigte mir eine Treppe, die ich hochsteigen musste. Er sagte mir, dass es dort mehrere Gebäude gebe und ich das richtige Gebäude selber finden müsse, aber dass das auf jeden Fall der richtige Ort sei. Ich ging dann zu den verschiedenen Gebäuden, aber sie wirkten auf mich alle verlassen oder zumindest verschlossen. Ich ging die Treppe rauf und runter, aber konnte die gesuchte Eingangstür einfach nicht finden. Anfangs war ich noch sehr ruhig, aber als der Termin immer näher rückte, wurde ich zunehmend gestresst und hilflos. Irgendwann lief dann jemand an mir vorbei und ich bat die Person um Hilfe. Es stellte sich heraus, dass der Taxifahrer mich zur falschen Treppe geführt hatte - die richtige war ca. 10 Meter weiter die Strasse runter. Für eine sehende Person wäre das kein Problem gewesen, denn offenbar gab es bei meiner Treppe ein grosses Schild mit dem Strassennamen und der Zahl 64.. Ich musste zur 66. Aber wenn man das Schild nicht sieht, kann man natürlich noch bis in alle Ewigkeit auf dieser Treppe rauf und runter gehen. Am Ende kam ich etwas zu spät, musste mich entschuldigen, war verschwitzt und ultra gestresst, obwohl ich mir extra ganz viel Zeit genommen hatte. Das war ziemlich frustrierend.
Mit Abstand am Mühsamsten ist jedoch der Umgang mit dem Staat, konkret mit der Sozialversicherungsbehörde. Ich weiss nicht genau, wie das in Deutschland läuft, aber hier in der Schweiz haben wir die IV, die für alles rund ums Thema Renten, Taggelder, Eingliederung in den Arbeitsmarkt etc. zuständig ist (für alle Menschen, die irgendeine Art von chronischem Gebrechen, psychischer Krankheit, Behinderung etc. haben). Als Betroffener wird man dort extrem mies behandelt. Die Beamten machen einem z.B. viele Vorwürfe für Dinge, für die man nichts kann, sie versuchen, einem um finanzielle Leistungen zu bringen, die man eigentlich rechtlich zugute hätte etc.. In diesen Gesprächen fühle ich mich oft extrem machtlos und das habe ich auch von vielen anderen Betroffenen gehört.
Du tust mir Leid wegen der Schwierigkeiten denen du konfrontiert bist und wuensche dir wohlwollende Menschen die dir hilfsbereit zur Seite stehen ..
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Das klingt wirklich schwierig und frustrierend!
Liebe Grüße und alles Gute Dir!
Alles Liebe und Gute! Und dass Du immer auf Menschen treffen mögest, die Dir zugetan sind und Dich tatkräftig unterstützen! Danke für Deinen Beitrag!
Wenn jemand ein Witz über mich macht und ich weiß: Egal was ich jetzt sage es wird die Person eh nicht interessieren… UND dann noch mehr Leute dazu kommen und Lachen. Dann fühle ich mich meistens Klein und Hilflos. Ansonsten hab ich eine große Fresse aber wenn es z.B 5 gegen 1 geht dann fühl ich mich mies
Die größte Hilflosigkeit meines Lebens hatte ich nach meinem letzten Wirbelbruch. Ich wurde über Monate immer wieder unbehandelt nach Hause geschickt. Jede Woche ging es mir schlechter. Konnte an vielen Tagen GAR nicht mehr aufstehen, wenn doch noch mal, brach ich immer öfter in den Beinen ein
Ich versuchte einen privaten Krankentransport in ein besseres Krankenhaus zu bekommen. Geld spielte dabei keine Rolle. Hätte mein Haus für einen Krankentransport verkauft!!!! Ja echt allen ernstes. Ich wollte ins Uniklinikum nach Dresden oder notfalls auch woandershin, aber halt gutes Krankenhaus.
Es war über Monate! nicht möglich! Nach über 2 Monaten kam ich dann nach längerer Wartezeit doch noch in ein anderes gutes Krankenhaus in der Nähe( eine Neurologie), die veranlassten dann nach Untersuchung letztendlich eine Not-OP in der Uniklinik Dresden- die retteten mir da das Leben. Ich wäre normalerweise binnen Stunden operiert worden, aber es kam ein noch dringender Notfall rein und der wird! noch dringender gewesen sein. Ich wurde dann SONNTAGMORGEN operiert (Ich war der Not-querschnitt (Querschnittssyndrom, da sich der gebrochene Wirbel immer mehr verschoben hatte)), leider etwas zu spät- es blieben Dauerschäden, aber ich kann wieder laufen und kann das meiste wieder. Dazu sehr lange REHA erforderlich, aber da hatte ich mein Leben wieder im Griff.
Die Zeit bis dahin! Eine solche Hilflosigkeit!!!!! Wurde im hiesigen Krankenhaus sogar noch verhöhnt! "Ja , wenn Sie nicht aufstehen WOLLEN, müssen Sie halt ins Pflegeheim" "Sie haben keinen Anspruch auf Krankenhaus, wenn Ihn ihnen ihr Zuhause nicht gefällt" (Verhöhnung pur- ich liebe mein Haus!!!!) u.ä. mußte ich mir anhören.
Im Moment leide ich am Meisten echt unter den psychischen Folgen- immer noch. So was macht mit einem was, was über die restlichen neurologischen Folgen, die ich halbwegs im Griff habe (habe ein anderen Gang entwickelt, meine ganzen Bewegungsabläufe angepaßt- aber es gibt Teile auf meinem Grundstück, wo ich immer noch auch mit Gehhilfen nicht mehr hinkomme- mein Altwald und auch mein entstehender Jungwald (o.k. die waren auch vorher schwer begehbar- aber es GING) hinausgeht.
Es gab in meinem Leben auch andere Phasen der Hilflosigkeit/ Machtlosigkeit, wo ich echt lange drunter geknabbert habe: Eine war die Hilflosigkeit bezüglich der Depressionen, aber in erster Linie den Zwängen (wußte DAMALS nicht mal, was das eigentlich war)... eines früheren Partners- ich war damit total überfordert, wurde sogar schon gewalttätig, aber mehr symbolisch- der hat sicher nie nur einen blauen Fleck von mir bekommen, auch wenn ich schon in meiner Verzweiflung auf den einschlug, aber NIE!!!!! in Verletzungsabsicht und das Einschlagen war echt symbolisch und er nahm mich leider auch nie diesbezüglich ernst.
Auch da komplette Hilflosigkeit! O.k. meine Reaktion trotzdem VOLLKOMMEN! unangemessen! Aber ich war DAMALS auch einfach HILFLOS, hatte keine Strategien, wußte nichtmal , was Zwangserkrankungen sind, damals gab es das Internet noch nicht und auch nicht solche Plattformen wie GuteFrageNet.
Das Ende war leider ein erfolgreicher! Selbstmord. Habe mir lange die Schuld gegeben, aber HEUTE plädiere ich für "NICHT SCHULDIG"- ich hatte einfach nicht die Möglichkeiten, ihm zu helfen, weil 0 Ahnung, hätte wirklich was gemacht! Aber selbst mit mehr Ahnung! - ich weiß echt nicht, ob ich wirklich hätte helfen können. Der war therapieresistent- ich hatte manches intuitiv erfaßt und versuchte das dann!!!
Verdammt, ich will mir gar nicht vorstellen, wie furchtbar das gewesen sein muss! Unglaublich, dass dir erst so spät geholfen wurde… Danke für deine ausführliche Antwort, alles Gute Dir!
Auch von mir alles Gute! Und immer Menschen, die Dir beistehen und Dich unterstützen!
Da gibt es einige Situationen....Wenn ich jemanden leiden sehen muss den ich liebe und nichts dagegen machen kann. Wenn ich vor dem Grab meines Vaters stehe und weiß das es endgültig ist. Wenn mir jemand droht und unberechenbar erscheint.
wenn man z.b. ne fernbeziehung hat und dem partner irgendwas passiert aber man nix machen kann weil man so weit weg ist