Warum schaut man in Deutschland auf Zeugnisse und nicht auf was man kann?
Hey
Mir fällt es sehr oft auf, dass bei einem Bewerbungsprozess fast immer nur auf irgendwelche Zeugnisse geschaut wird, anstatt auf eigentliche können vom Bewerber.
Beispielsweise in den USA ist es anders rum, da wird nämlich mehr auf die eigentlichen Skills geschaut als auf das Zeugnis.
Warum ist es aber in Deutschland so, dass jede Firma/Betrieb eher irgendwelche Zeugnisse braucht anstatt jemanden einstellt der schon vieles kann?
wäre über Antworten froh! :)
13 Antworten
Stimmt schon - auf den ersten Blick sieht das wirklich so aus. Mal aus meiner Sicht als Ausbilder:
Stell dir mal vor, da kommen auf einen Schwung 50 oder 100 Bewerbungen rein. Du wirst das zeitmäßig kaum hinbringen, jeden Einzelnen der Bewerber individuell anzuschauen. Also geht es um eine Vorauswahl.
Auch wenn das seltsam klingt - es macht die Auswahl halt etwas einfacher, wenn man zunächst die Zeugnisse und Lebensläufe gut durchliest und sich daraus eine Meinung bildet. Dadurch reduziert man die eingehenden Bewerbungen auf einen gewissen Satz, den man intensiv anschaut.
Gerade da sitzen aber auch Chancen, wenn das Zeugnis irgendwelche Schwächen hat. Liegt da ein Lebenslauf bei, der zeigt, dass man per Praktika, Übergangs-Jobs etc. Aktivität zeigt, dann kann man da einiges ausgleichen. Ist aber rein subjektiv.
Die Zeugnisse sind die chronologischen Dokumentationen der Arbeitserprobungen von Schulen, Hochschulen, Fortbildungskursen, Praktika und Arbeitsverhältnissen. Bei der hektischen Bewerberauswahl kostet deren Kenntnisnahme wenige Minuten, die entsprechenden umfassenden Arbeitserprobungen samt Dokumentationen dagegen Monate. Das wäre eine gewaltige Zeit- und Ressourcenverschwendung. Dabei würde die praktische Arbeitserprobung allein in aller Regel nicht einmal die Kenntnis gegebenenfalls überlebensnotwendiger Sicherheitsvorschriften u. dergl. offenbaren.
Das wäre etwa so, als würde die Verkehrspolizei anstatt der Führerscheinkontrolle routinemäßig Verkehrsteilnehmer zu Verkehrstauglichkeitserprobungen nötigen.
Auch amerikanische Personaler haben nicht ihre Zeit gestohlen. Auch die treffen ihre allererste Bewerberauswahl selbstverständlich nach Aktenlage. Der Unterschied zu deutschen Verhältnissen liegt nur darin, dass in den USA Berufsabschlüsse kaum formal staatlich geregelt sind. Da muss man sich den Qualifikationsstand des Bewerbers aus den Dokumentationen einzelner Schulungen, Arbeitszeugnissen, Praktika, u. dergl. zusammenpflücken.
Auch in den USA wird dich ohne belegte Vorerfahrungen oder einen passenden Bildungshintergrund niemand in Positionen einstellen, die das benötigen. Du bekommst eventuell die Chance, auf einem Mistjob zum Mindestlohn einzusteigen und von dort dann zu zeigen, was du kannst. Aber direkt in den angenehmeren, gut bezahlten Job kommst du dort auch nicht.
Zudem gibt es in den USA herzlich wenig Arbeitnehmerrechte und somit auch so gut wie keinen Kündigungsschutz. Dort fliegst du eben nach zwei Wochen ohne Vorwarnung raus, wenn du nicht lieferst. Planbarkeit? Finanzielle Sicherheit? Muhaha, vergiss es!
Wäre dir das echt lieber?
Beispielsweise in den USA ist es anders rum, da wird nämlich mehr auf die eigentlichen Skills geschaut als auf das Zeugnis.
In den USA kommt es auch das College und die Universität an, auf der du den Abschluss gemacht hast. Was wiederum stark vom Einkommen der Eltern abhängig ist.
Wie soll man wissen was der Bewerber "kann"? Wirklich Beurteilungen gibt es ja nicht.
Ich sehe das schon auch als teilweises Problem. WEr in Fach x und meintewegen auch noch in y schlechte Noten hat, kann aber dennoch gut auf Arbeitsstelle A passen (wo diese Fächer nicht so relevant sind). Das wissen aber die Arbeitgeber schon auch. Und der Gesamteindruck spielt ja auch eine Rolle, die Bewerbung sagt schon auch sehr viel aus.
Vergiss auch nicht: Die USA haben in komplett anderes System: Zum Beispiel spielt da durchaus eine Rolle auf welchem College du warst. Die Eltiteunis sind aber teuer - können sich nicht alle Eltern leisten, ein Stipendium kann man bekommen, gelingt aber nur wenigen. Kündigugnsschutz wenn es doch nicht der richtige ist? Fehlanzeige. Heute noch drin, morgen schon draußen. Viel falsch machen muss man da wohl nicht.