Warum mochte Herr Hitler die Italiener, obwohl sie doch eigentlich aus seiner Sicht "nicht arisch" aussahen?

16 Antworten

Es gab für Hitler keine "Sicht", wie Arier auszusehen hatten. Arisch bezeichnete für ihn eine "Rasse", nicht ein Aussehen. Die angeblichen Arier wurden von den NS-"Experten" in verschiedene Typen eingeteilt. Einer davon war der blonde und blauäugige, sogenannte nordische Typ, andere durchaus akzeptierte Typen durften auch dunkelhaarig sein. Die angeblich wissenschaftlichen Methoden des "Rasseexperten" waren im Grund reine Willkür, die sich den politischen Vorgaben unterwarf. Sehr viele blonde und blauäugige Juden, die von den Nazis ermordet wurden, hätten laut ihren Kriterien eigentlich als "rassisch hochwertig" prämiiert werden müssen. Hitler mochte außerdem nicht "die Italiener", sondern eigentlich nur seinen Kumpel Mussolini. Er war überzeugt, dass es Mussolini gelingen würde, Italien wieder zu einer Großmacht wie einst das römische Reich zu machen. Wie so oft hat er sich getäuscht.


Daedalus723  30.06.2025, 23:01

Gefährliches Halbwissen von Ihnen. Einige Korrekturen dazu, um Ihr Halb- in ein Annähernd-Voll-Wissen zu verwandeln. 😉

1. Die Unterscheidung der europäischen Arier in verschiedene anthropologisch an äußeren Merkmalen erkennbaren Rassentypen stammte nicht aus dem NS, sondern aus der anthropologischen Forschung seit dem späten 19. Jahrhundert. Das waren Leute wie Lapouge, Deniker, Ripley, Coon, Biasutti, Lundman, von Eickstedt, Czekanowski und auch der „berüchtigte“ Deutsche Hans F. K. Günther ist dazu zu zählen. Rassentypen wie „nordisch“, „alpin“, „westisch“, „dinarisch“ oder „ostbaltisch“ sind keine Nazi-Erfindung, sondern entsprachen dem Wissensstand der damaligen Anthropologie. Forscher aus verschiedenen Ländern haben sie, unter verschiedenen Namen, verwendet. Eine Genetik gab es noch nicht, also hat man sich an äußeren Merkmalen orientieren müssen.

„Die angeblich wissenschaftlichen Methoden des "Rasseexperten" waren im Grund reine Willkür, die sich den politischen Vorgaben unterwarf.“

Das stimmt – jedoch nur teilweise. Fachforscher, selbst solche mit klarer ideologischer Ausrichtung wie eben jener Hans F. K. Günther, müssen von diesem Vorwurf freigesprochen werden, nicht aber Himmler und seine SS, welche die Rassenkunde ganz gezielt zu ideologischen Zwecken missbrauchte (Ostraumpolitik, die auf Verdrängung der angeblich minderwertigen „ostbaltischen“ Nordslawen abzielte).

„Sehr viele blonde und blauäugige Juden, die von den Nazis ermordet wurden, hätten laut ihren Kriterien eigentlich als "rassisch hochwertig" prämiiert werden müssen.“

Das stimmt durchaus. Die Judenpolitik der Nazis traf mit den deutschen Aschkenasim sowie den Ostjduen gerade jene jüdischen Gruppen, die sich am relativ stärksten mit Europäern – auch solchen nordischer Rasse – vermischt hatten. Die sehr dunklen Sephardim und orientalischen Juden konnte die NS-Verfolgung niemals erreichen und das war offenbar auch gar nicht deren Absicht, da es den Nazis ja immer nur um die Zerschlagung Russlands und des Bolschewismus sowie die Annektion der Ukraine ging.

2. In Bezug auf die Italiener irren Sie vollständig. Hitler nannte in seinen aufgezeichneten Monologen im Führerhauptquartier 1941-1944 die Italiener nicht nur „bienenfleißig“, lobt sie dafür, daß sie angeblich niemals Hexen verbrannt hätten, weist immer wieder auf die historische Verwandtschaft von Deutschen und Italienern hin und vieles mehr. Er ließ sich teilweise zu Oden der Begeisterung für das Stiefelland und dessen Volk hinreißen. So sagte er im Sommer 1941, kurz nach dem Überfall auf Russland:

„Bei ihren Schwächen haben die Italiener doch viele Eigenschaften, die sie für uns liebenswert machen. Italien ist die Heimat der Staatsidee; war doch das römische Weltreich die einzige wirklich große staatspolitische Gestaltung. Die Musikalität des Volkes, ihr Sinn für schöne Verhältnisse und Proportionen, die Schönheit ihrer Menschen! Die Renaissance war doch der Anbruch eines neuen Tages, das Sich-Wiederfinden des arischen Menschen! Und dann unsere eigene Vergangenheit auf italienischem Boden! Wer kein Organ für Geschichte hat, ist wie ein Mensch, der kein Gehör oder kein Gesicht hat; leben kann er auch so, aber so ist das!“

Sie verwechseln arisch mit nordisch. Ich habe den Unterschied zwischen den beiden Begriffen an anderer Stelle herausgearbeitet:

https://www.gutefrage.net/frage/welche-koerpermerkmale-galten-als-arisch-und-nordisch#answer-598372986

Hitlers Rassismus richtete sich dabei nur gegen die Juden aber gegen kein arisches Volk und auch gegen kein anderes nichtarisches Volk. Obgleich er durchaus unter den allgemeinen rassischen (Vor)urteilen seiner Zeit stand hatte er grundsätzlich nichts gegen Schwarze, nichts gegen Araber, nichts gegen Inder, nichts gegen Ostasiaten. Er wollte natürlich keine Einwanderung von diesen ins Reich, doch gibt es kein Ausspruch von ihm, der irgendwelchen metaphysischen Hass gegen Menschen dieser Rassengruppen erkennen lässt.

Hitlers Hass auf die Juden war auch nicht eigentlich rassischer Art, sondern mehr soziokulturell bedingt. Er sah die Juden nicht als primitiv und unentwickelt an wie man damals überall im Westen etwa auf Schwarzafrikaner, teilweise aber auch auf Inder, Mohammedaner oder Slawen blickte. Primitiv und unentwickelt waren die aschkenasischen Juden damals auch offenkundig nicht (wenngleich auch sehr unvorteilhafte Stereotype existierten über die Unsauberkeit und den Lärm in Galizischen Ghettos der damaligen Zeit). Hitlers Judenfeindschaft resultierte vielmehr daraus, daß er Juden als wesentliche Träger kommunistischer Bewegungen ausmachte und der Kommunismus war nach Ansicht der Nationalsozialisten der Todfeind der europäischen Völker und deren Kultur. Dieses rein negative Urteil über den Kommunismus teilten die Nazis durchaus mit Katholiken und anderen Christen sowie mit liberalen oder konservativen Politikern in den USA sowie in England (z. B. Winston Churchill). Jedoch identifizierten diese Leute den Kommunismus durchaus nicht so pauschal mit „den Juden“ wie die Nationalsozialisten dies taten. Es war und ist zwar absolut richtig, daß viele Kommunisten Juden waren und viele Juden mit dem Kommunismus sympathisieren, jedoch darf dies weder darüber hinwegtäuschen, daß es auch antikommunistische Juden gibt noch darüber, daß es auch gemäßigte Kommunisten gibt, die z. B. Massenmord, Gulag-Lager oder Zwangsenteignungen durchaus ablehnen.

Die Nazis haben alle diese notwendigen Differenzierungen nicht vorgenommen und Juden wie Kommunismus gleichgesetzt und beide in Bausch und Bogen verurteilt. Überhaupt war die nationalsozialistische Weltanschauung eine Bausch-und-Bogen-Ideologie mit schroffen Wertungen und dem Gegenteil dessen, was mal heute als „politische Korrektheit“ bezeichnen würde.

Die Italiener mochte Hitler in der Tat. Er nannte sie in seinen aufgezeichneten Monologen im Führerhauptquartier 1941-1944 z. B. „bienenfleißig“. Oder er lobte sie dort dafür, daß sie angeblich niemals Hexen verbrannt hätten. Auch die historische Verwandtschaft von Deutschen und Italienern (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation) ist für ihn ein Element des engen Zusammenhanges beider Völker. Ja Hitler ließ sich gar zu Oden der Begeisterung für das Stiefelland und dessen Volk hinreißen. So sagte er im Juli 1941, kurz nach dem Überfall auf Russland:

„Bei ihren Schwächen haben die Italiener doch viele Eigenschaften, die sie für uns liebenswert machen. Italien ist die Heimat der Staatsidee; war doch das römische Weltreich die einzige wirklich große staatspolitische Gestaltung. Die Musikalität des Volkes, ihr Sinn für schöne Verhältnisse und Proportionen, die Schönheit ihrer Menschen! Die Renaissance war doch der Anbruch eines neuen Tages, das Sich-Wiederfinden des arischen Menschen! Und dann unsere eigene Vergangenheit auf italienischem Boden! Wer kein Organ für Geschichte hat, ist wie ein Mensch, der kein Gehör oder kein Gesicht hat; leben kann er auch so, aber so ist das!“

Um die Frage also in Stichpunkten zu beantworten waren die Gründe für die Italien-Begeisterung Adolf Hitlers dieselben, die heute viele „gebildete“ Kulturbürger und vor allem Frauen für das Land des Dolce Vita haben, nämlich:

  • kulturelle Schöpferkraft des Italienertums, besonders in Musik und Malerei
  • religiöse Toleranz und Leichtigkeit
  • das gewisse Etwas in Lebensart und Alltagsleben
  • schöne Menschen

Neben diesen sehr subjektiven Gründen kamen noch spezifische staatsmännische Gründe hinzu, die mit Hitlers ideologischer Verortung zusammenhängen, namentlich:

  • historisches Zusammensein mit dem Deutschtum im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation seit dem Mittelalter
  • beide Nationen waren verspätet, Italien gibt es als Nationalstaat erst seit 1861 und Deutschland ist noch zehn Jahre jünger
  • beide Nationen zählten zu den politischen Verlierern des Weltkrieges bzw. in Italien fühlte man das Ergebnis als Niederlage
  • römische Staatsidee, wie sie in der katholischen Kirche verwirklicht ist und im Faschismus von dort auf den italienischen Staat übertragen wurde (auch Hitler war Katholik!)
  • Bewunderung für Benito Mussolini, den Duce Italiano („Führer der Italiener“) und dessen Leistungen bei der Schaffung des neuen faschistischen Staates und der Niederringung des nach dem Weltkrieg zunächst sehr starken Marxismus in Italien
  • Bewunderung auch für das antike Rom, als dessen Erbe sich Mussolini fühlte. Zwar war den meisten Gelehrten außerhalb Italiens durchaus bewußt, daß die Italiener nicht von den antiken Römern abstammen, doch Hitler interessierte dies wenig, er glaubte an die Überzeugungskraft Mussolinis beim Wiedererwecken des Römertums, das er auch für das nationalozialistisch Deutschland als vorbildlich empfand: So schafften die Nazis z. B. die altdeutsche Schrift ab und ersetzten sie durch die lateinische der Römer.
  • Hitler dachte paneuropäisch insofern, als daß er das germanisch-romanische Abendland als kulturelle Einheit betrachtete, die der Marxismus von Russland aus bedrohe. Italien aber war im Mittelalter der Geburtsort der abendländischen Kultur.
Oder war das alles nur pragmatisch.

Eher genau das. Hitler war kein Kind das vorging im Sinne "Land A mag ich nicht, das greifen wir an. Land B mag ich, das greife ich nicht an". Auch war Hitler nicht, wie es oft dargestellt wird, völlig beratungsresistent sondern hat durchaus auch auf seine Generäle und Befehlshaber gehört bzw. sich die Meinung von seinen Beratern eingeholt bevor er entschiedne hat.

Da standen also eher kriegs-strategische Überlegungen dahinter (Norwegen z.B. um den Zugang zu dring benötigten Ressourcen zu sichern, insb. der Stahl-Export via Narvik).

Den Krieg gegen Frankreich und England in der Form war eher ein "Unfall". Hitler und sein Umfeld hat darauf spekuliert dass die West-Allierten beim Überfall auf Polen mehr oder weniger einfach zusehen (so wie sie es in Österreich, Tschechoslowakei, Litauen auch gemacht haben). Er hat nicht wirklich damit gerechnet, dass Frankreich und England ihm den Krieg erklären würde wegen Polen.

So gesehen hat Hitler eigentlich "nur" zwei Kriege vorsätzlich geführt: Den Überfall auf Polen und die Sowjetunion. Der Rest war eher aus der Situation heraus (Frankreich/UK haben D wegen Polen krieg erklärt. Dänemark/Norwegen/Benelux als Mittel zum Zweck im Krieg gegen Frankreich/UK. Yugoslawien/Nordafrika/Griechenland hat Italien angezettelt).

Weil Faschisten immer mit anderen Faschisten kuscheln wenn sie für ihre eigenen Ziele nützlich sind. Darum küsst Viktor Orbán auch Trumps Ring.

Die "Arier" kamen aus einer ganz anderen Gegend.
Das wird hier aber zu umfangreich.

Die Franzosen mochte er anscheinend nicht, er hat sie ja angegriffen.

Das beruhte auf Gegenseitigkeit und ist sehr viel
älter als die Nazis. Steht schon im "Faust", wenn auch
dort eher ironisch.