Wann vermutet ihr, wurde Hitler zum Antisemiten?
Vermutlich hatte er schon vor seiner radikalen Entwicklung einen für damals typischen bürgerlichen Antisemitismus, nach dem Motto: "Juden sind das Böse, aber ein paar sind auch ganz nett".
Das er wie im Film "Hitler - Aufstieg des Bösen" dargestellt ein brandstiftendes, von Anfang an psychopatisches, wie ein Stanley-Kubrick-Schurke schauendes Kind gewesen sein soll, halte ich für unwahrscheinlich. Da muss es eine Entwicklung oder eine vermeintliche "Erleuchtung" gegeben haben.
Mein Kampf ist auch keine verlässliche Quelle, da Hitler sich selbst besser vor seinen Mitstreitern positionieren wollte (sein Lebenswandel bis zum Krieg war ja echt lausig).
Wann vermutet ihr, hat er sich zu einem radikalen Antisemiten entwickelt? Der Punkt an dem er beschlossen hat: Jetzt mache ich euch fertig!
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9 Antworten
Vermute ich mal. Ab da tat er so als wäre er angenommen worden und spielte seinen Angehörigen zuhause was vor. Da er nicht viel zu tun hatte und sich rumtrieb kam er mit den Deutschnationalen zusammen. Als Maler hatte er keine Chancen aber die große Klappe war ein Sprachrohr für deren Ansichten.
Das geschah nicht über Nacht, sondern Schritt für Schritt.
Ein Grund war die antijüdische Haltung seines Vaters. Weitere Gründe:
Was wir tatsächlich wissen, ist, dass zwei österreichische Politiker großen Einfluss auf Hitlers Denken hatten. Der erste, Georg Ritter von Schönerer (1842-1921), gehörte der Deutschnationalen Bewegung an. Er forderte, die deutschsprachigen Gebiete in Österreich-Ungarn an das deutsche Kaiserreich anzugliedern. Außerdem vertrat er die Ansicht, dass Juden keine vollwertigen deutschen Bürger sein könnten.
Von dem zweiten, dem Wiener Bürgermeister Karl Lueger (1844-1910), lernte Hitler, wie Antisemitismus und Sozialreformen erfolgreich sein konnten. In Mein Kampf rühmt Hitler Lueger als „den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten“. Als Hitler 1933 an die Macht kommt, wird er ähnliche Vorstellungen in die Praxis umsetzen....
Deutschlands Niederlage ist für viele Deutsche und auch für Hitler schwer zu akzeptieren. In nationalistischen und rechtskonservativen Kreisen macht die „Dolchstoßlegende“ die Runde. Dieser Mythos besagt, Deutschland habe den Krieg nicht auf dem Schlachtfeld verloren, sondern durch „Verrat im Innern“. Juden, Sozialdemokraten und Kommunisten seien dafür verantwortlich.
Die Vorurteile über die Rolle der Juden im Krieg hatten mit den Tatsachen nichts zu tun. Das bewies eine von der deutschen Regierung im Jahr 1916 in Auftrag gegebene Untersuchung. Mehr als hunderttausend deutsche und österreichische Juden hatten für ihr Vaterland gekämpft. Einer von ihnen war Otto Frank, der 1916 an der Schlacht um die Somme teilnahm.
https://www.annefrank.org/de/anne-frank/vertiefung/warum-hasste-hitler-die-juden/
Brigitte Hamann hat in ihrem Buch "Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators" (Piper 1998) nachgewiesen, dass die Wiener Jahre prägend für Hitlers Antisemitismus waren.
(Deine Antwortmöglichkeiten lassen keine Abstimmung für mich zu.)
Gruß, earnest
So ist es. Und so ist es auch bei Brigitte Hamann nachzulesen.
Ich schätze die Hamann und werde mir dieses Buch sicher besorgen.
Ich denke keins von allen, Hitler wurde schon seit seiner Kindheit katholisch erzogen. Die Katholiken waren schon immer sehr Judenfeindlich und das sind die heute noch, sieht man auch was in Polen und anderen Ländern abgeht.
Schon als Kind. Er wurde als Halbjude verspottet, weil sein Vater unehelich geboren wurde. Das war damals eine schlimme Schande.
Zudem wurde gemunkelt, dass da ein jüdischer Kaufmann im Spiel war, weil die Mutter (Hitlers Großmutter) dort in Stellung war. Aber wahrscheinlich war es der Bauer Johann Nepomuk Hiedler, der somit Hitlers Großvater war.
Aber das wußten die Leute nicht und haben ihn als Halbjuden verspottet.
Das ist möglich. Gemobbte gehen, wenn alles schief läuft, nicht auf die Täter, sondern auf die Gruppe los, mit der sie in Verbindung gebracht werden.
Das sind Spekulationen - meiner Ansicht nach völlig haltlose Spekulationen.
Die Frage lautete "Wann vermutet ihr" .
Damit ist gesagt, dass wir eine Vermutung äußern sollen, also spekulieren.
Das mit der Unehelichkeit des Vaters und dem Dorftratsch, dass da ein Jude seine "Finger" drin habe, ist natürlich widerlegt, aber das ändert ja nix an dem Dorftratsch.
Ja, natürlich waren hier Vermutungen gefragt. Aber einiges ist, wie du selbst schreibst, widerlegt, und der "Dorftratsch" ist nun schon fast eine "Vermutung zweiten Grades".
In meiner eigenen Antwort habe ich versucht, die Faktenebene mit einzubeziehen. Ob frühkindliche Erfahrungen mit in die Wiener Zeit eingeflossen sind, wissen wir schlicht und einfach nicht.
Ich habe deine Antwort gelesen und stimme ihr zu. Der echte Haß wurde wohl in den Wiener Jahren angelegt. Basis war ein allgemeiner Antisemitismus und wie ich behaupte auch eine persönliche Schmähung. Dass er als Kind viel verspottet wurde ist, ist sogar gerichtskundig. Zudem ist belegt, dass seine Eltern eng verwandt waren, worunter er gelitten hat.
Und dass er selbst versuchte eine jüdische Abstimmung zu widerlegen ist auch dokumentiert.(Joachim C. Fest: Hitler, 1973,)
Ach, Herr Fest mit seiner glänzend geschriebenen (aber ergänzungsbedürftigen) Biografie, die nun, nach ca. 50 Jahren, schon etwas angejahrt ist...
Aber auf die Dokumente und Belege, von denen du sprichst, wäre ich gespannt.
Hitler hat in Wien sowohl den religiösen, tief verwurzelten, aber damals nicht militanten Antisemitismus der Konservativen kennengelernt, als auch den vor allem als politisches Kampfmittel eingesetzten Antisemitismus der Christlichsozialen (Lueger, Voglsang usw.), und dazu den rassistischen Antisemitismus der Deutschnationalen (Schönerer). Er hat sich für den Rassismus entschieden, der ihm als politisches Kampfmittel am erfolgsversprechend erschien.