Wann ist Erziehung zu Strikt?

6 Antworten

Wann ist Erziehung zu strikt, und was passiert mit Kindern die sehr sehr sehr Strikt erzogen werden? Damit meine ich null Medienkonsum erlaubt, (ausser vielleicht irgendwelche religiöse Medien. 

Zwischen strikter Erziehung und religiöser Erziehung besteht ein Unterschied. Beides kann zutreffen, aber nicht jeder der strikt erzieht ist religiös.

Und religiöses Teilhabe währe natürlich höchste Pflicht überhaupt. Je nach Land würden die Eltern natürlich das Kind aus der öffentlichen Schule rausholen, und sie privat bei sich zuhause lehren.

Das geht in Deutschland zum Glück nicht. Man kann eine Freistellung bekommen wenn man mit seinem Kind durch die Welt touren will für ein Jahr oder so. Das ist möglich, aber hier in Deutschland ohne Schule geht nicht. Selbst Kinder von Zirkusleuten gehen in die Schule und zwar von Stadt zu Stadt. Privatlehrer bekommen Kinder nur in besonderen Ausnahmen, zB wenns zu krank ist um zur Schule zu gehen. Und in Zeiten der technischen Möglichkeiten die wir haben kommt selbst nicht mehr der Privatlehrer.

Was ist das Resultat einer so extrem strikten oft religiösen Erziehung?

Das kann man nicht pauschal sagen. Ich war bei den Zeugen Jehovas, die eine sehr strenge Erziehung haben. Aussteiger die hineingeboren sind sprechen oft von einer verlorenen Kindheit voller Verzicht. Es gibt aber dann auch welche, die sich das Leben nehmen. Das hat aber auch noch andere Gründe, nicht nur die Erziehung.

In einer Sekte ist die Erziehung der Eltern eine Sache. Die Lehrmeinung und Doktrin ist eine andere. Das wirkt unterschiedlich aufs Kind. Und je nachdem wie destruktiv eine Sekte ist um so auffälliger das Verhalten im Alter.

Mein Freund ist bei den Zeugen hinein geboren. Er hat nach dem Austritt Zwänge entwickelt. Das liegt an der gewonnenen Zeit. Früher war seine Zeit mit Aufgaben gefüllt wie stundenlanger Predigtdienst, stundenlange Aufenthalte im Königreichsaal und sonstigen Verpflichtungen rund um die Zeugen. Heute hat er mehrere Hobbys hinter sich die alle sehr exessiv waren. Bowling spielen zB. Wenn wir beide das machen würden, dann holen wir uns eine oder 2 Bahnen spielen ein paar Runden und gehen dann wieder. Er hatte 3 Tage an denen er 5 Bahnen mietete und viele Runden spielte. Er war von Nachmittags bis Ladenschluss da. Davor hat er als Online DJ für einen Chatclub aufgelegt. Jeden Tag von 18 bis 2 Uhr Nachts. 5 Jahre lang. Derzeit fährt er Rad und filmt mit Dashcam und normaler Cam völlig komisches Zeugs das er zuhause zu CD´s verarbeitet. Er unterlegt es mit seiner Lieblingsmusik und hat zu jeder CD ellenlange Erklärungen warum er dieses und jenes so gefilmt hat. Ich lasse ihn das so machen. Auch ich habe Zwänge entwickelt um Zeit zu vertreiben, nur ist dies nicht mit langem wegbleiben von Daheim verbunden. Auch habe ich Angst vor Menschenmassen bekommen. So hat jeder sein Päckchen zu tragen.

Wie gesagt, es kommt auch immer auf die Weltanschauung an die da zugrunde liegt.

Könnte sowas tatsächlich funktionieren?

Das kommt drauf an was man erreichen will. Bei den Zeugen Jehovas funktioniert das sehr gut. Von klein auf wird man eingeschüchtert und mit dem Tod konfrontiert. Mit dem Tod kommt ewige Bestrafung hinzu. Weiterer Druck wird aufgebaut wenn man es wagen will die Zeugen zu verlassen. Der soziale Tod ist zB so eine Sache. Dem geht ein Gemeinschaftsentzug voraus. Stell dir vor du hast einen Freund der auch bei den Zeugen ist, mit dir zusammen. Und der geht weil er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Du darfst nicht mehr mit ihm reden, seine Eltern nicht, seine Verwandten nicht, seine Freunde nicht, seine Bekannten nicht. Und die halten sich auch alle dran. Zweck dieser Übung ist es das sowas wie Heimweh entsteht und derjenige der weg geht wieder zurück kommt.

Es gibt auch Leute die rausgeschmissen werden. Da gibts 2 Arten. Die welche keine Chance auf Rückkehr haben und die welche durch Bereuen wieder zurück kommen könnten. Grade für erste Gruppe Menschen könnte es noch schlimmer sein, denn sie haben nie die Chance zu Bereuen und somit ist bei denen der Druck am höchsten, während die anderen zumindest wissen, wenn ich bereue kann ich zurück.

Der Gemeinschaftsentzug ist am Schlimmsten, wenn man außerhalb der Zeugen keine Bezugsleute hat, also keine Freunde oder Bekannte oder weitere Familie. Das muss man sich neu anlegen und das braucht Zeit und ist mit Frustration verbunden, weil du von klein auf gesagt bekommen hast das die Menschen außerhalb von den Zeugen schlechte Menschen sind, die in Satans Welt leben und von Satan beeinflusst sind. Und weil du das schon als Kind lernst, hast du auch selten bis nie richtige Freunde außerhalb der Zeugen.

Indoktrination ist eine mächtige Waffe und Sekten und Weltanschauungsgruppen wie die Zeugen Jehovas haben diese Waffe noch perfektioniert und perfektionieren sie weiter. Früher hat die Kirche die die Leute dumm gehalten und der König die Menschen arm. Das hielt sie im Zaum. Heute schaffen es solche Gruppen von ganz alleine.

Ich selber bin Erzieherin. Ich erziehe strikt, aber nicht religiös. Strikt in Form von konsequent. Etwas das viele Eltern heute nicht mehr machen. Kleines Beispiel hier wäre zB ein Besuch im Supermarkt. Ich kann mit 20 Kinder da rein gehen. Es ist Ruhe da drin, kein Kind quengelt, kein Kind plärrt, alle sind am Einkaufswagen oder dahinter. Manch eine Mutter geht mit einem Kind rein und geht fast mit einem Nervenzusammenbruch wieder raus. Die Szenen brauche ich nicht zu beschreiben, wir wissen was da ab geht. Jedes Jahr habe ich einmal das gleiche Problem. Aber nur einmal. Und zwar wenn neue Kinder in der Gruppe sind die mich nicht einschätzen können. Die Konsequenz ist, wir legen die Waren zurück und verlassen den Laden, denn das habe ich mit den Kindern vorher besprochen. Das heißt, die Kids bekommen nicht das worauf sie sich gefreut haben. Eine Beschäftigung um die Waren (zB Waffeln backen oder Eis essen) fällt auch aus, das kommt noch hinzu. Das schuldige Kind hat dann nicht nur die Konsequenz das es nichts bekommt von der geplanten Sache, aber auch die anderen Kinder nicht. Und was meinst du mit wem das plärrende Kind am restlichen Tag noch spielen kann? Die sind alle sauer weil es nix gibt und meiden das Kind, bzw sagen das auch ganz deutlich. Da entsteht Langeweile. Das Kind wird sich beim nächsten mal daran erinnern. Spätestens dann wenn ich wieder die Regeln für den Laden durchgehe und es sich daran erinnert wie es gemieden wird und wie langweilig es war und die tollen Sachen die wir holen wollten gabs auch nicht. Wird gequengelt gehen wir. So einfach - so strikt. Da wird nicht lange gefackelt und Ausnahmen gibts auch nicht.

Kinder brauchen Regeln, Grenzen und Konsequenzen, damit sie wissen wo sie in der Gesellschaft stehen. Sekten und Weltanschauungsgruppen nutzen das für sich aus und haben ganze Erziehungskonzepte. Denn das Kind, bzw der zukünftige Erwachsene muss in diese Gesellschaft reinpassen. Er wird dort reingeformt. Außerhalb dieser Form funktioniert diese Erziehung nicht mehr, oder anders und es kommt zu Verhaltensauffälligkeiten.

Du schmeißt alles durcheinander. Bildung als öffentlicher Auftrag der Gesellschaft über Schulen und Universitäten ist immer dem Heimunterricht überlegen. Zeige mir die Eltern, die Lehrer in allen Fächern gleich kommen. Die gibts nicht, und das weißt du auch. Solltet du anderer Ansicht sein, zeigt das, in welcher rückwärtsgewamdten Gedankenwelt du zu Haus bist.

Und nein, es hat eben nicht "gut funktioniert". Kinder in Heimerziehung wurden Gedankensklaven ihrer Eltern, aber niemals eigenständige Individuen mit progressivem Blick auf die Zukunft. Fortschritt gehört immer zur Zivilisation, aber Dein Weg bedeutet Stillstand und kulturelle Verarmung.

Abstellgleis33 
Fragesteller
 12.06.2023, 01:18

So wie ich das sehen hat diese fortschritt oft mehr leid versursacht als gute Dinge.

Die moderne Welt hat soviel probleme wie nie zuvor.

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Bodesurry  12.06.2023, 07:47
Kinder in Heimerziehung wurden Gedankensklaven ihrer Eltern, aber niemals eigenständige Individuen mit progressivem Blick auf die Zukunft.

Das ist wieder so ein völlig falsches Pauschalurteil. Es kann so sein, wie Du schreibst. Keine Frage. Doch wenn Eltern ein gewisses Bildungsniveau haben, dann kann es - vor allem in Verbindung mit dem Internet - auch ganz anders aussehen.

Ich hatte keine Heimerziehung. Ganz normal Schule. Nur, das, was mit im Leben viel gebracht hat - auch im Beruf - habe ich nicht in der Schule gelernt.

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Du vermischt gerade viele Themen. Strikte Erziehung kann viele Gsichter haben und muss nicht religiös sein.

Wenn eine Erziehung streng, aber nicht nachvollziehbar ist. Also Kinder brauchen Grenzen, damit sie sich in einem Rahmen sicher bewegen können. Sie brauchen Grenzen, an denen sie sich messen können und die dann auch verhandelbar werden. Und es braucht Grenzen für ihre Sicherheit. Diese kann man aber erklären und müssen dann auch nachvollziehbar sein. Sind sie es nicht und Grenzen werden aus willkür gesetzt, so ist es Machtmissbrauch. Du beschreibst ja sogar noch ein elternhaus mit gewalt (das muss bei strenge nicht mal sein).

Die Folge ist in der Regel, dass diese Kinder häufig Lügen. Sie lügen um Strafe zu entgehen und um den Eltern zu gefallen. Leider wird sowas schnell ein Autmatismus. Wenn sie sich shcon den Reflex aneignen, immer als erster "Ich war es nicht!" zu rufen, dann werden sie es auch im späteren Leben tun, auch wenn es dann nicht mehr notwendig ist. Der Umgang mit Fehlern und Kritik wird nicht gelernt, alles kratzt erstmal am Selbstbewusstsein, weil man lernt, nur durch Leistung zu gefallen und ein Nichtgefallen bezieht sich dann auch auf die PErsönlichkeit.

Kinder, di sehr unfrei aufwachsen, nehmen oftmals die erstbeste Gelegenheit um sich aus dem Elternaus zu verabschieden. Sie ziehen sehr früh aus und reduzieren dne Kontakt stark, wenn sie ihn nicht sogar abbrechen.

Wann ist Erziehung zu strikt, und was passiert mit Kindern die sehr sehr sehr Strikt erzogen werden?

Das kann man nicht sagen. Ebenso wenig wie keine Erziehung, die vor Jahrzehnten Mode gewesen ist.

Bei strenger religiöser Erziehung denke ich gleich an die Amischen in den USA. Strikter kann man Kinder kaum erziehen.

Wenn man die Dokumentationen sieht, dann sehen die Kinder - meist - fröhlich und zufrieden aus. Das "Problem" kommt dann, wenn sie "ausbrechen". Wenn sie mit anderen Welten in Berührung kommen. Ein Teil sieht nur plötzlich, wie viel ihnen durch die strikte Erziehung entgangen ist. Andere kosten eine Weile die "Freiheit" aus und kehren dann zum amischen Lebenstil zurück und sind glücklich damit.

Es gibt reichlich Dokus von sektenaussteigern und ihren Erfahrungen.. jeder geht anders mit seinen Erlebnissen um..