Ist "Cancel Culture" auch in Deutschland ein Problem?

Das Ergebnis basiert auf 38 Abstimmungen

Nein, "Cancel Culture" ist in Deutschland kein Problem. 53%
Ja, "Cancel Culture" ist auch in Deutschland ein Problem. 47%

8 Antworten

Nein, "Cancel Culture" ist in Deutschland kein Problem.

Nur um das zunächst mal klar zu stellen: Wer in den USA den gewalttätigen Einsatz der USA im Inneren fordert bekommt einen Shitstorm ab. Das widerspricht allen dortigen Grundwerten. Wer also so etwas sagt erntet heftigen Gegenwind und wenn der erste Sturm vorbei ist wird dann geschaut, wer denn überhaupt dafür verantwortlich war das so was herausposaunt wurde.

Die DfG sowie die Telekom Baskets sind private Organisationen, die nach ihren eigenen Regeln arbeiten (wie übrigens auch die New York Times). Sie reagieren so auf die Äusserungen von Beschäftigten, freien Mitarbeitern und dem Druck von Aussen, wie es ihren Regeln entspricht.

Das mit Lisa Eckhart sehe ich tatsächlich kritischer, auch wenn ich ihre Ansichten nicht teile. Ob es besser gewesen wäre es darauf ankommen zu lassen will ich lieber nicht beurteilen.

DerRoll  07.08.2020, 08:38

Wups, sehe gerade das ich mich vertippt habe. Es muß heißen:

Wer in den USA den gewalttätigen Einsatz des US Militärs im Inneren fordert bekommt einen Shitstorm ab.
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Ja, "Cancel Culture" ist auch in Deutschland ein Problem.

Ich sehe das große Problem vor allem in den sozialen Medien, in denen sich Leute gezielt zusammen tun können, um Shitstorms zu machen. Oftmals wird dann angenommen, ein Shitstorm sei repräsentativ für die ganze Gesellschaft. Aber in Wahrheit ist es das gar nicht. In den sozialen Medien wird alles sehr verschoben wahrgenommen.

Wenn die 500 Mitglieder des Hintertupfinger Kaninchenzüchtervereins auf Twitter gegen hohe Möhrenpreise pöbeln, dann wirkt das sehr wichtig. In Wahrheit ist der Kaninchenzüchterverein aber eine totale Minderheit in der Stadt. Aber viele Unternehmen knicken vor diesem Shitstorm ein, aus Angst, ihr gutes Image zu verlieren.

Studenten wollten Alice Schwarzer im letzten Jahr daran hindern, in der Universität zu sprechen, weil sie Verschleierung kritisiert. Es war den Professoren zu verdanken, dass nichts eskaliert ist.

In Kassel gibt es den komplizierten Fall des Professor Kutscheras. Ein Bekannter von uns ist Doktor an der Kasseler Universität und hat viel Kontakt zu Professor Kutschera. Ich selbst habe Professor Kutschera als Kind einmal kennengelernt. Professor Kutschera ist nach seinen persönlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Meinung, dass es kein drittes Geschlecht gäbe und hält die Transgender-Theorie für falsch. Es gibt kein "divers", glaubt Professor Kutschera und hat seine Ansichten (sehr provokant) veröffentlicht. Auch ist er der Meinung, dass sich Kinder nicht richtig entwickeln, wenn sie in einer homosexuellen Partnerschaft aufwachsen. Diese Ansichten hat er als Biologe, der sich mit Evolution auseinandersetzt. Ein Ethiker denkt natürlich anders darüber.

Jedenfalls wurde Professor Kutschera zur Persona non grata erklärt und sogar wegen angeblicher Volsverhetzung angezeigt. Studenten rufen zum Boykott seiner Person auf. Die etablierten Medien wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben, so dass er jetzt fast nur noch in Alternativen Medien zu Wort kommt, weswegen sich die anderen bestätigt fühlen, dass Kutschera ein Rechter sei.

Dass manche Professoren kontroverse Meinungen haben und es einen Disput zwischen Professoren gibt, ist nichts neues. Dass solche Fehden - wie auch bei Drosten und Kekule - öffentlich ausgetragen werden und manche Wissenschaftler öffentlich diskreditiert werden, ist Neu. Früher blieben solche Angelegenheiten intern.

Wenn es um Corona geht, zeigt Professor Kutschera aber, dass er eben ein gebildeter Biologe ist, der sich mit Viren auskennt. Die Wissenschaft kann bei Corona nicht auf Erkenntnisse von Kutschera verzichten, nur weil er zum Thema Sexualität eine kontroverse Meinung hat. Anhänger der Cancel-Culture fordern aber genau das, dass die Wissenschaft nicht mehr auf Professor Kutschera hören darf - egal, um was es geht. Zum Glück sind die Wissenschaftler in Deutschland noch vernünftig genug, um dem zu widersprechen.

https://youtu.be/wWrFy4xsdiY

In meinen Augen muss es Wege geben, um Streit in sozialen Medien zu entschärfen und so Shitstorms zu verhindern. Nicht als Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern als Schlichtung zwischen den pöbelnden Meuten. Durch soziale Medien haben pöbelnde Minderheiten die Macht, ihr Weltbild durchzusetzen.

Ja, "Cancel Culture" ist auch in Deutschland ein Problem.

Wenn ich so den Bericht einer Freundin aus D höre, ist das definitiv dort (und nicht nur dort) ein Problem.

Sie war in der Firma gut genug, um eine Problematik zu beheben, die man dort seit Jahren nicht beheben konnte, jeder lag ihr in den Ohren, dass sie gute Arbeit machte und sich überhaupt keine Sorgen machen bräuchte, sie würde übernommen werden. Trotzdem wurde sie am letzten (!) Tag der Probezeit (also nach vier Monaten Zeitarbeit und sechs Monaten Probezeit) gekündigt, weil sie Depressionen hatte und damit offen umging, dabei nicht einen Tag krank gewesen, jeden Tag Überstunden, weil viel Arbeit etc.

Das muss noch nicht mal eine Meinung sein...eine Erkrankung reicht vollkommen aus.

Aber natürlich, das Problem herrscht in Mitteleuropa, nicht nur in Firmen, sondern generell auch in Politik und Gesellschaft.
Vertritt man eine Meinung, die nicht zum Gros der Masse passt = Ausschluss bis hin zur Zerstörung.

Das Prinzip sieht man doch schon in der Schule anhand von Markenklamotten, Musikgeschmack etc. Was dort nicht passt, wird gemieden. Und genau so geht es in den Firmen weiter.

Hier in der Schweiz nicht viel anders.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Depressionen, soziale Phobie, Angst-&Panikattacken
Fladensemmel  06.08.2020, 22:47

Was Deiner Freundin passiert ist, ist schlimm, hat aber nichts mit "Cancel culture" zu tun.

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Ylvarina  06.08.2020, 23:19
@Fladensemmel

Blöd nur, dass genau auch das zur "Cancel Culture" gehört: Alles was unbequem erscheint muss weg. Ob es Meinung ist, Erkrankung etc.
Alles wird "abgekanzelt", wenn es nicht dem Gros der Gesellschaftsmeinung oder -einstellung entspricht.

Hier sind schon Leute aus Firmen gegangen worden, weil sie Erich von Däniken gelesen haben...

Und meine Freundin hat sich halt als starke Frau (mit Depressionen) in einer Männerbehörde entpuppt. Das ging nicht. Das würde ja bedeuten, dass da eine Frau ist, die etwas erreichen wollte und könnte...trotz Depressionen.
Das war nur der vorgeschobene Grund, den man ihr präsentierte, dass man es nicht verantworten könne, sie weiterzubeschäftigen, weil sie andere Mitarbeiter mit runterziehen würde, wenn die Depressionen durchbrächen.
Aber sie hat sich gegen ihre Vorgesetzte gestellt und den Kampf, den die Behörde jahrelang, gegen diese Vorgesetzte führte gewonnen...dadurch hat man gemerkt: Oh, mit der anlegen? Besser nicht.
Zack...weg...das ist Cancel Culture im Reinformat.

Aber du weißt es sicher besser...ich nehme an, du studierst oder hast Soziologie oder Politikwissenschaften studiert? Mit Sicherheit hast du das.

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Ja, "Cancel Culture" ist auch in Deutschland ein Problem.

Auf jeden Fall. Alles, was nicht annähernd ins linke Weltbild passt, muss diffamiert und ausgegrenzt werden. Investigativen oder neutralen Journalismus gibt es in D kaum noch bis gar nicht mehr. Gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen werden die Zuschauer ständig belehrt, was gut und richtig und vor allem was schlecht und falsch ist. Framing und Nudging sind an der Tagesordnung. Jeder der Zweifel an der verkündeten Mainstream-Meinung äußert, ist automatisch als Aussätziger anzusehen. Siehe die Causa Nuhr und Eckhart. Und das letztes Jahr mit dem Lucke an der Uni in Hamburg zeigt die gleiche Richtung.

earnest  07.08.2020, 08:07

"Investigativen oder neutralen Journalismus gibt es in D kaum bis gar nicht mehr"?

Das ist blühender Unsinn. Es gibt sogar "halbrechten" oder "rechten Journalismus", siehe z. B. Focus oder Welt, von Bild ganz zu schweigen.

Wirst DU schon als Aussätziger gesehen?

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burpie  07.08.2020, 08:13
@earnest

Nein, aber z.B Wiredcard. "Früher" wurde so was von Journalisten entdeckt und aufgearbeitet. Und lies die NZZ.

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earnest  07.08.2020, 08:20
@burpie

Der Medienverbund, an dem unter anderem NDR, WDR, die Süddeutsche Zeitung und der Guardian beteiligt waren und sind, entdeckte unter anderem den Skandal um die Panama Papers.

Auch über Wirecard wurde schon frühzeitig berichtet, aber die Berichte wurden von "der Politik" nicht zur Kenntnis genommen.

Du bist offensichtlich nicht hinreichend informiert.

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Nein, "Cancel Culture" ist in Deutschland kein Problem.

Nein. Auch in den USA halte ich das - angesichts der gegenwärtigen Riesenprobleme - nicht wirklich für ein Problem. Das sind eher lokale Verwerfungen und Scharmützel.

Du vergisst offensichtlich das Hausrecht. Wobei man über den Fall Eckhart sicher streiten könnte.

Gruß, earnest