Ist Asperger eine "Modediagnose"?

21 Antworten

Es ist ausgesprochen fraglich, ob die Diagnose "Asperger-Syndrom" noch längere Zeit existieren wird. Diagnosen werden üblicherweise auf Basis von Zwei Dingen gestellt, dem in Amerika gültigem DSM und dem Weltweit gültigen ICD der Weltgesundheitsorganisation. Und da Asperger-Syndrom in der neusten Version des DSM aus dem Jahr 2013 nicht enthalten ist kann es gut sein, dass es in der neuen Version des ICD auch nicht mehr steht.

"Da ich ein sehr introvertierter Junge gewesen bin, der zwar kein Außenseiter war aber auch keiner, der immer "cool" sein musste oder mit jedem gleich "best friend" war, sondern auch mal alleine ganz gut klarkam, würde man mich rund 15 Jahre nach meiner Mittleren Reife wahrscheinlich heute auch mit dieser Diagnose "segnen"."

Asperger-Syndrom ist nach einem Professor namens Johann Asperger benannt. Dessen Habilitationsschrift gilt als einer der ersten Texte über eine von Schizophrenie unabhängige Autismusdiagnose. Johann Asperger war sich der Ähnlichkeiten der Kinder die er als "autistisch" bezeichnete mit Personen die als "introvertiert" bezeichnet wurden durchaus bewusst.

"Ich sehe da einen Zusammenhang zum "Normendenken", nach dem alles, was nicht irgendeiner Pseudo-Norm entspricht, "unnormal" ist und krank sei, bzw. "therapiert" werden müsse. Gewinne immer mehr diesen Eindruck..."

Kann sein, dass in deinem Umfeld Leute so denken.

Das Profit durch den Einsatz von Medikamenten ein Motiv ist würde ich bezweifeln, da es laut meines kein offizielles Medikament gegen Asperger-Syndrom gibt.

Ein Modell zur Erklärung von Autismus mit dem du dich vielleicht anfreunden kannst ist das von Simon Baron-Cohen. Er glaubt, dass es grundsätzlich 3 Arten von Gehirnen gibt: E-Hirne, S-Hirne und B-Hirne. E-Hirne verfügen über eine stärker ausgeprägte "Theory of Mind" (Fähigkeit Gedanken und Gefühle anderer zu verstehen und nachzuvollziehen) während S-Hirne besser darin sind Systeme zu verstehen, mathematische Operationen auszuführen und ähnliches.

B-Hirne können beides gleich gut. Letztere sind aber die Ausnahme. Autismus tritt nun auf wenn eine extreme Version eines S-Hirns vorliegt. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie "extrem" muss die Ausprägung sein, damit man von Autismus sprechen kann oder sollte?

rotesand 
Fragesteller
 30.05.2018, 12:00

Vielen Dank für diese kompetente Expertise, du hast das alles gut und verständlich auch für einen Laien erklärt.. viele Grüße!

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Pinkpingu11  30.05.2018, 14:16

Asperger ist im Autismusspektrum integriert. Ist also keineswegs „verloren gegangen“ oder nicht mehr enthalten.

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apiaster  30.05.2018, 15:07
@Pinkpingu11

Wenn du meinen Text so interpretierst haben wir uns missverstanden. Ich meine damit nicht, dass Asperger "verloren gegangen" oder nicht mehr enthalten sei.

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Hallo, ich bin Autistin und habe die Diagnose erst seit fast 3 Jahren.

So im nach hinein bin ich mir sicher (natürlich nicht zu 100%) das ich schon einige kennen gelernt habe die nichts davon wissen. Was ich persönlich in diesen fällen sehr sehr schlimm finde weil es ihnen schlecht geht und falsch auf sie reagiert wird. Was ich von mir auch kenne.

Ich denke deine Frage ob es eine Mode Diagnose ist ist berechtigt, bzw verständlich! Ich kenne andere Autistin bzw Eltern von Autisten nur über das Internet. Geschrieben hab ich bis her nur mit Menschen 35+ und dort steht es fest zum schaden von allen die wirklich Autisten sind, das es sehr viele Menschen gibt die eine Autismus Diagnose erhalten haben oder zumindest angeben Autist zu sein ohne es zu sein! Woher ich oder andere was wissen sollen? Wäre zu komplex zum erklären.

Ich weiß nicht wie andere Menschen (ob Autist oder nicht) es sehen, aber ich hab für mich das Gefühl das Eltern viel zu empfindlich sind wenns um Ihre Kinder geht. Wenn ich lese das so gut wie jeder Eltern teil schreibt, dies geht nicht, jenes nicht usw... Fass ich mir an den Kopf... Alle erwachsenen Autisten mussten zur schule und haben es überlebt und viel gelernt auf dem weg. Aber die Diagnostizierte Generation braucht unendlich viel rücksicht und hilfe... Ja ganz klar! Es ist notwenig und hilfreich... Aber es wird übertrieben. Egal anderes Thema.

Fest steht für mich jedoch ganz klar das in den letzten Jahren Ärzte auch öfter mal überlegen ob es Autismus sein könnte. Mein Psychiater hat keine Ahnung von Autismus, was wirklich nervt und Probleme verursacht aber er freut sich über alle Infos und das er die bei anderen Partienten anwenden kann!

Bis vor ein paar Jahren gab es bloß dieses ehr extreme und klassische Bild von Autisten, bzw war nur das von den Frühkindlichen Autisten bekannt. Asperger Autisten sind inteligent bis hochinteliegend und können damit vieles verbegen bzw spontan hand haben. Das problem ist am ende das sie weniger leisten können, allgemein. Den zum Beispiel ein Geburstag von einem Freund gehen nicht autisten und vielleicht auch ein autist. Wie es für nicht Autisten ist, ist den meisten klar, für Autisten gibts in der total normalen und einfachen situation vieles was total normal ist aber ansträngend ist. Autisten genießen es, sie mögen es, sie haben spaß, sie wollen es! Aber.. das ist wie beim Gewicht. Muskeln wiegen 2/3 mehr als Fett. Autisten müssen einfach mehr leisten. Das können sie! Normal sein, so tun... Aber nur für eine Begrenzte zeit, bis die energie aufgebraucht ist, genau da ist der unterschied.

Und genau deswegen ist es schwer zu sagen du bist autist... Autisten fällt das anders sein manch mal kaum auf oder sie sind von klein auf so dran gewöhnt das sie es ausblenden wie andere den Geruch wenn sie auf dem klo waren...

Jetzt noch mal sehr genau auf deine frage: Autismus wird definitiv immer heufiger diagnostiziert. Ich denke falsche Diagnosen kommen immer wider vor. Da es aber im vergleich zu anderen (Psychischen) Diagnosen schwer ist an jemanden zu kommen der das wissen für die feste Diagnose hat ist es meistens richtig.

Zu mir sagte jemand 2013 ich hätte autismus, ich sagte nee glaub ich nicht, hab grade eh andere probleme und bla... durch Depression und Trauma dann 2014 in behandlung und am ende passte mein verhalten so gar nicht in alles was dem Fachkräfte Team bekannt war, außer Autismus. Ich bekam die Diagnose, fehlte mich das erste mal richtig in einger Diagnose aber dachte gleichzeit... ne... alles was man internet liest das passt nur teils... Dann hatte ich meine Autismus Therapie, bzw hab Sie noch. Durch die Diagnose die ich anfangs selbst nicht verstand und dachte ne... ja gut grob passt mega viel aber.. aber ne... (und ich bin ein logisch denkender mensch).

Frühkindlicher Autismus ist relativ eindeutig. Asperger kaum zu erkennen. Nahe stehende Menschen können es nur verstehen wenn sie vertrauen und sich drauf einlassen. Das steht fest! Warum? Man selbst, fachkräfte und freunde können alles was durch Autismus verursacht wird mal eben schön oder in andere ursachen einreden. Es ist oft schwer den Autismus unter dem ganzen gewühl zu finden. Aber er ist da, bei vielen menschen, mehr als man glauben kann.

Noch eine kleinigkeit.. Ich weiß die seite nicht mehr aber ein Team von Psychologen, wissenschaftlern sind mal durch altenheime, geschlossene betreute wohngruppen, psychatrien usw ... gegangen und haben Menschen 50+ überprüft ob er/sie autist sein könnte. Einige wurden spät Diagnostiziert und nu der Hammer: Es gab einen Menschen der schon als Kind / jugentlicher von den Eltern abgegeben werden musste weil es nimmer ging, jahre lang probleme, ein spärren fessten (war früher halt noch anders) und aus verzweiflung immer wider starke beruhigungs mittel. Durch das Team wurde er mit 50-65 (bin mir nicht mehr sicher) Diagnostiziert. Das Ergebnis: Keine Medis, keine argressionen mehr, das erste mal eine eigene Wohnung, eigenes einkaufen, einen klaren Kopf und ein freies leben!

Sry ist etwas sehr viel, meine macke.. bin schlecht darin mich kurz zu halten, aber ich denke du hast nu alle Infos die du wolltest? Falls nicht, frag mich =)

Tamtamy  30.05.2018, 07:06

Wirklich etwas sehr ausführlich geraten, aber auch informativ! Danke für deine Mitteilungen von deinen Erfahrungen!

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Evonie  14.03.2019, 23:15
@Tamtamy

Hast recht. Dazu neige ich leider.
Freut mich das du es trotzdem informativ fandest!!

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Naja ... Aspis sind "hochfunktionelle" Autisten, das unterscheidet sie von einer Vielzahl anderer Diagnosen. Deshalb gebe ich Dir teilweise recht. Mir geht das auch genauso bei ADS / ADHS ... Wenn Kinder unbequem sind, bekommen sie eine Diagnose, damit sind erst mal alle zufrieden, denn es ist ja niemand schuld - weder die Schule, noch die Eltern.Die Gefahr besteht, dass es dann dabei bleibt - "mein Kind hat eben eine Krankheit".

Ob Du Asperger hast / hattest: eher nicht :-) Asper Autismus ist sehr häufig mit einer Insel Hochbegabung verbunden, die aber trotzdem nicht für gute Noten in der Schule reicht, manchmal nicht für einen Abschluss. ABER: Mit Verhaltenstherapie kann hier viel erreicht werden - die Kinder sind konditionierbar.

Autismus an sich ist eine schwere geistige Behinderung, die eine auch nur annähernd normale Entwicklung unmöglich macht. Dessen sollte man sich immer bewußt sein, wenn man darüber nachdenkt.

Jemand mit Asperger in der Umgebung könnte sein: extremes logisches Denken, erscheint als Genie, kann Zusammenhänge herstellen, die keiner sieht; unbeliebt; nicht integriert; wirkt arrogant; studiert, aber ohne Abschluss; bringt einsame Höchstleistungen im Beruf, wenn die Fähigkeiten für diese Spezifikation paßt; ... Asperger und ADHS gehen oft zusammen, weil die Kinder sich nur sehrt schwer anpassen können.

Du warst meiner Meinung nach einfach nur ein bißchen ander als andere. Als Jugendlicher ist das nicht immer einfach.

Mein Sohn hat "autistische Züge", die mit seiner Körperbehinderung zusammenhängen (konnte erst mit 1,5 Jahren krabbeln, mit 4 richtig sitzen, kann nicht frei laufen oder stehen, linke Hand stark eingeschränkt, Rollstuhlfahrer, Realschulabschluss). Er hat bis heute, mit 18 KEINEN einzigen Freund und es ist ihm völlig egal. Er sucht nicht danach und geht auch nicht darauf ein, wenn sich jemand für ihn interessiert. Er hat als Kind nie gespielt, nciht gezeichnet oder gebastelt - nur Bücher angeschaut. Ein Sachbuch mit ca. 500 Seiten lesen dauert einen großzügigen Nachmittag. Nach 2x lesen kann er die interessanten Passagen auswendig. Ein 10 strophiges Gedicht lernen dauert ungefähr 15 Minuten...

In Mathe hatte er eine Sympathie 4, alle anderen Naturwissenschaften ähnlich. Aber D, En, Musik, Ge - 1* -- und wie gesagt - nur autistische Züge.

rotesand 
Fragesteller
 29.05.2018, 23:06

Vielen Dank für deinen profunden Erfahungsbericht.

Tatsächlich habe ich eine ähnliche Ansicht: Eine Diagnose hat oft den Zweck, "zu beruhigen" in dem Sinne "jetzt weiß man, was (bspw.) Klein-Hermann hat" und sich die Eltern keine Sorgen mehr machen müssen. Egal ob das Kind die Erkrankung dann tatsächlich hat oder nicht, es ist was Schriftliches da und das zählt für viele primär. Und es dient ggf. auch als Entschuldigung, wenn der Filius mal anecken sollte.

Was genau ist eine Insel-Hochbegabung, hat das was mit im sehr starken Umfang und perfekt ausgeübten Hobbys zu tun? Irgendwie hört sich das zumindest so an oder könnte so etwas bedeuten, wenn ich richtig kombiniere :) Korrigier' mich bitte, wenn ich falsch liegen sollte..!

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SoulandMind  29.05.2018, 23:47

Nur frühkindlicher Autismus nach Kanner geht sehr oft mit Intelligenzminderung einher. Das Asperger-Syndrom,welches meistens im Kleinkindalter deutlich wird, nicht. Somit ist nicht richtig,dass Autismus automatisch mit einer geistigen Behinderung einhergeht.

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Pinkpingu11  30.05.2018, 11:35

Danke soulandmind das wäre jetzt auch meine Antwort gewesen.
Der beschriebene Teil des Spektrums war hier eher Kanner low funkioning.

Aspis fallen oft nur durch leichte bis mittlere „Seltsamkeiten“ auf, da viel kompensiert werden kann.
Eine Intelligenzminderung gilt als Komorbidität und ist nicht so häufig, wie man annimmt. Genauso wie nur etwa 3% der Autisten Inselbegabungen aufweisen.

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Soweit mir bekannt, hat keine andere Diagnose so oft das Wort "Mode" davor stehen.
Mich ärgert das ungemein. Mir scheint es, dass Asperger von sehr vielen eher als "Erziehungsproblem", denn als Behinderung angesehen wird.

Heutzutage erscheint diese Diagnose halt häufiger, weil manche aufmerksamer geworden sind sowie es verbesserte Diagnostik - im Gegensatz zu vor 20, 30 oder mehr Jahren - gibt.

Allerdings geistern auch auf GF immer noch Leute rum, die null Ahnung von der Thematik haben, aber meinen ihren Senf dazuschmieren zu müssen.

Im Übrigen erstellt kein Psychiater mit Fachrichtung Autismus eine Asperger-Diagnose, nur weil der Betreffende ein introvertierter Mensch ist.
Dazu braucht es wesentlich mehr, um den sog. Cut-Off zu erreichen.

Asperger lässt sich auch nicht therapieren. Es gibt höchstens Möglichkeiten, mit dem einen oder anderen Begleitsymptom besser umgehen zu können.

Schon seit Jahren gibt es im Internet unzählige Quellen zum Thema "Modediagnose", auch und insbesondere zu "Burnout" und "ADHS".

Ob das neuerdings dann auch für "Asperger (Autismus)" zutrifft, wissen wir in ein paar Monaten.

Vielleicht berichtet das "Ärzteblatt" dann auch darüber.

Woher ich das weiß:Hobby – Wenn Freunde oder Familienmitglieder erkranken, lerne ich es