Asperger?

4 Antworten

..... soziale Interaktionen sind wohl eine Schwierigkeit, besonders weil die Wahrnehmung des Gegenüber nicht gut möglich ist.
Versuchen Sie viel über Menschen zu lernen, üben Sie den Umgang mit ihnen, es gibt etwas Sicherheit und auch Selbstvertrauen.

Suchen Sie sich einen Therapeuten, es ist sehr hilfreich sich mit solchen Menschen auszutauschen. Mit der Diagnose haben Sie eine Möglichkeit bekommen Ihr Leben angenehmer zu gestalten, nutzen Sie das.

mfe

PS: habe einen in etwa gleichaltrigen Sohn mir dieser Diagnose, er bekam die allerdings schon als Kind.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Wegen deiner Lichtempfindlichkeit könntest du es mit einer Sonnenbrille versuchen.
Gegen die störenden Geräusche Kopfhörer oder spezielle Ohrstöpsel (Calm oder wie die heißen).
Anderen wiederum helfen einfache Schaumstoffstöpsel.
Also Sachen, die die Lautstärke dämpfen, aber du noch genug hörst.

Erkläre den Menschen auf deiner Arbeit, warum dir der Augenkontakt zu schwerfällt und du das nicht aus Unhöflichkeit so machst.

Ich bin in Sachen Autismus und Therapie, die meistens Verhaltenstherapie bedeutet, sehr skeptisch eingestellt.
Hier soll in der Regel einem neurodivergenten Menschen das Verhalten von neurotypischen Leuten beigebracht werden.
Wenn sich die Therapeutin / der Therapeut nicht sehr gut mit Autismus und dem Risiko des Maskings auskennt, schadet so eine VT letztendlich mehr als sie hilfreich ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema

Autismus ist vor allem eine Gruppe von Entwicklungsstörungen. Man unterscheidet zwischen der ASS und komorbiden Störungen, welche häufig auftreten.

Die Primärsymptomatik mit Kommunikationsschwächen, Manierismen usw. wird bei dir eher leicht ausgeprägt ("hochfunktional") sein, wenn sie erst so spät festgestellt wurde, du sogar arbeiten kannst. Sehr viele Autisten sind leider arbeitslos, prekär, schnell überfordert.

Vom Imposter-Syndrom habe ich keine Ahnung und es bis jetzt teils für eine Medienerfindung gehalten.

Da Therapieplätze rar sind und gute, harmonierende, spezialisierte Therapeuten noch rarer, ist das wirklich Abwägungssache, sich den Stress einer Therapeutensuche anzutuen. Es wird oft geraten, eine gewisse Ablehnungsanzahl bei der Kasse einzureichen, die dann auch Privattherapeuten übernehmen muss.

Eine passende Selbsthilfegruppe kostet in keinem Falle etwas und findet meistens monatlich unter (semi)professioneller Leitung statt.

Zur Reizabschirmung gibt es NC-Kopfhörer, Ohrenstöpsel, Sonnenbrillen. Hier muss man das Stresslevel niedrig halten, weil die Überreizung auch davon abhängt.

Drittens muss man auch sein eigenes Umfeld anpassen und Bewältigungsstrategien lernen, um mit autismusbedingtem Streße umzugehen.

Sicherlich wird doch auch eine Weiterbehandlungsempfehlung im Abschlussgespräch erfolgt sein. Ansonsten können auch der Hausarzt oder ein Psychiater regionale Behandlungsstellen vermitteln.

Was Agoraphobie belangt: ist das noch aktuell? Dazu gibt es ebenfalls passende Therapieformen. Auch medikamentös lassen sich Angststörungen teilweise behandeln.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe selbst Asperger
Fluffypaw 
Fragesteller
 24.09.2023, 12:08

Danke, das war sehr hilfreich.

Wenn es in Ordnung ist, hätte ich noch ein paar Folgefragen und eine spezifischere Erläuterung.

Ich denke schon, dass es eher stark ausgeprägt ist und das wurde mir nun auch so kommunziert. Ich wollte nie mit anderen Kindern/ Menschen sprechen, habe nie verstanden wie sie spielen oder warum sie reden und wollte immer nur alleine sein. Bei fehlerhafter Grammatik verliere ich die Nerven und ich kann nur logische faktenbasierte Entscheidungen treffen. Ich ertrage kein direktes Licht oder Körperkontakt und wenn mehrere Leute in einem Raum sprechen, ist es als würden mir alle gleichzeitig in die Ohren schreien. Ich bin dann so überfordert, dass ich in Tränen ausbrechen und mir die Wangen blutig beiße etc. Ich kann andere Menschen nicht ansehen und wenn es doch passiert sehe ich nur 2 Gesichtsausdrücke, angewidert und entsetzt und bekomme dann eine Panikattacke.

Ich bin am Land aufgewachsen und wurde fälschlicherweise mit Borderline, selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung, Agoraphobie, Panikstörung, Anorexie und Soziophobie diagnostiziert. Mit der Aspergerdiagnose wurden alle früheren Diagnosen, abgesehen von komplexer Ptbs, aufgehoben.

Arbeiten funktioniert bei mir erst seit ich in einem ruhigen pharmazeutischen Forschungslabor arbeite, aber auch dort gibt es viele stressige soziale Situationen.

Könnte ich die Situation dort erklären oder wäre das ein Kündigungsgrund da es ja eine Behinderung ist? Kann man es überhaupt lernen sich normaler zu vethalten und Smalltalk zu führen, Menschen anzusehen etc.? Könnten sie mir bezüglich Bewältigungsstrategien im persönlichen Umfeld vielleicht ein konkretes Beispiel nennen?

Vielen Dank und entschuldigen Sie bittte den langen Text.

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ZitrusLiebe  24.09.2023, 15:32
@Fluffypaw

Starke Ausprägung liegt meiner Ansicht erst bei einer massiven Entwicklungsverzögerung, Behinderung oder eingeschränkter Selbständigkeit vor. Aber das ist Nomenklatur.

Könnte ich die Situation dort erklären oder wäre das ein Kündigungsgrund da es ja eine Behinderung ist?

Das ist eine schwierige Situation. Für alles >50 GdB gibt es Schwerbehindertenausweise, wobei ich deinen Schweregrad nicht bewerten kann und will. Liegt keine vor und somit keine direkte Leistungseinschränkung, kannst du auf Verständnis hoffen oder das Unternehmen macht sich verklagbar - oder einfach die Klappe halten.

Es existiert oftmals eine Behindertenvertretung, einen Betriebsrat oder einen Integrationsfachdienst, falls es Probleme gibt.

Kann man es überhaupt lernen sich normaler zu vethalten und Smalltalk zu führen, Menschen anzusehen etc.?

Kann man kognitiv, ist aber einzelfallabhängig. Ich halte gerne Schwätzchen, halte aber nie Blickkontakt, werde zu tiefgründig oder ehrlich. Das langt. Mehr "normal" will ich nicht sein.

Könnten sie mir bezüglich Bewältigungsstrategien im persönlichen Umfeld vielleicht ein konkretes Beispiel nennen?

Aufklärung. Erklären, wenn man Rückzug braucht. Ruhezeiten schaffen. Oft Spazierengehen. Zeit für Eigeninteressen. Sinnesdeprivation. Rückzugshöhlen. Es gibt noch viel mehr Strategien, die mir spontan nicht einfallen.

Den Rest - Reizempfindlichkeit, Unverständnis - kenne ich genauso auch, aber ich war nie komplett "negativ behindert", sprich höchstens emotional eingeschränkt und leicht verzögert.

Ich bin auch Autist, schon seit ich Kind war, bekannt, und kenne die meisten Probleme mit diesem "anders funktional", aber nicht behindert-Sein.

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ZitrusLiebe  24.09.2023, 15:40
@ZitrusLiebe

Und noch etwas: solch eine Diagnose ist erst ein Schock. Aber man lernt damit leben.

Es gibt wirklich zahlreiche Fälle von Menschen mit Autismus, muss man leider direkt und unverblümt sagen, die stumm sind und wedelnd in der Ecke hocken, nicht einmal in der Werkstatt schaffen können. Die sieht man leider nur selten. Die oft kommunizieren, sprechen, Beziehungen aufbauen wollen, aber nicht fähig sind!

Die werktätige Autisten-Fraktion ist leider wirklich eine Minderheit. Arbeitslosenquoten 40-90%.

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Ich würde da für dich "Autogenes Training" empfehlen. Es ist wichtig, dass du richtig atmest und deinen Körper so ja unter Kontrolle hast. Schau mal wo in der Nähe bei dir sowas angeboten wird.