Hat das Fernsehen im Laufe der letzten Jahrzehnte das Meiste an künstlerischer Qualität eingebüßt?

Das Ergebnis basiert auf 25 Abstimmungen

Fernsehen ist langweilig geworden. 40%
Da zeigt sich der geistige Abbau der Kultur. 36%
Fernsehen ist weiterhin interessant. 8%
Heute ist es eigentlich besser als früher. 8%
Früher war das Fernsehen besser. 4%
Ich kann keine Qualitätsverschlechterung feststellen. 4%
Denen fällt nichts Gescheites mehr ein. 0%

11 Antworten

Von Experten rotesand und Fox1013b bestätigt
Fernsehen ist langweilig geworden.

Ich habe zwar zu den goldenen Fernsehzeiten von Loriot, Hallervorden, Kerkeling, Biolek, Carrell, Juhnke, Peter Alexander, Gottschalk und Co. noch nicht gelebt, aber ich habe u.a. von Loriot, Dieter Hallervorden und Hape Kerkeling Sendungen daheim auf DVD und mir auch von sämtlichen anderen früheren Entertainern bei YouTube einen Überblick verschaffen können.

Und ich muss in diesem Zusammenhang sagen, dass Fernsehen früher eine ganz andere Bedeutung hatte. In Zeiten von Wetten, dass..? hat sich die Familie eben noch gemeinsam vor dem Fernseher versammelt und sich sowas angesehen. Mittlerweile wandert aufgrund von Amazon Prime, Netflix, YouTube und Co. die gesamte junge Zielgruppe zur Primetime, vom linearen Fernsehangebot weg. Die einen nutzen dann vielleicht die Mediatheken der Sender oder verabschieden sich bis auf die Nachrichten komplett vom Fernsehen und wählen ihr Programm bei den Streaming Anbietern oder YouTube aus. Das ist für viele einfach attraktiver.

Dadurch, dass sich nun einige der Leute vom linearen Fernsehangebot verabschieden, bringt das Fernsehen eben auch vermehrt Programme für die ältere Zielgruppe und setzt auf Wiederholungen von alten Serien, Filmklassikern, Dokumentationen, irgendwelche verrückten Rankings oder besten Fernsehmomente, ohne neue Ideen. Also eben vieles aus der Konserve, was sicher auch einiges an Kosten einspart, da hierfür nichts Neues produziert werden muss.

Liveshows werden somit auch immer seltener, was natürlich auch an Corona mit verschuldet ist und selbst Showklassiker wie Verstehen Sie Spaß sind mittlerweile meistens aufgezeichnet. Ansonsten geht man bei hirnlosen Sozialexperimenten mit wahlweise unbekannten C oder Doppel D Promis, Castingshows, die ihre Kandidaten psychisch fertig machen oder zahlreichen peinlichen Dating Formaten, die den Durchschnittsbürger amüsieren sollen, beim Abendprogramm auf Nummer sicher.

Neben der Primetime verliert sich dann auch das Tagesprogramm in einschläfernder Eintönigkeit und langweilt mit der x-ten Wiederholung einer Dokusoap über einen Kreuzfahrtdampfer, nachgestellten Polizeistreifeneinsätzen oder anderswo schwer vermittelbare Laiendarsteller, die u.a. in zwei RTL II Dokusoaps zu sehen sind, die nach Großstädten benannt wurden.

Das Fernsehen produziert also endlose Wiederholungsschleifen der immer wieder gleichen Formate, entwickelt zum Teil Programme, die menschenverachtend sind und fängt einfach nicht an, sich Gedanken darüber zu machen, mit welchen attraktiven Mitteln und hochwertigen Showprogrammen man vielleicht die verlorene Zielgruppe wieder gewinnen könnte, um bessere Quoten zu bekommen.

Nur seltene Lichtblicke erstrahlen da manchmal noch, die aber nur allzu gerne im Spätprogramm versteckt werden oder die keine richtige Weiterentwicklung erfahren.

Mit kritischen Grüßen

SANY3000

SANY3000  08.08.2021, 15:53

Besten Dank für den Stern.

Mit den besten Grüßen

SANY3000

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Von Experte SANY3000 bestätigt

Es war schon immer die Kunst, aus dem Programm sich die essentiellen Teile rauszupicken.

Grundsätzlich kann man das TV der Gegenwart aber kaum noch mit dem von vor 30 oder mehr Jahren vergleichen.

Ich (Jahrgang 1972) habe als Kind Fernsehn in Erinnerung als 3(!) Sender (ARD, ZDF und WDR), die zudem nur zu bestimmten Tageszeiten sendeten. Meist ab dem Nachmittag, gegen 16 Uhr. Irgendwann nach 23 Uhr war dann "Sendeschluss" und man konnte sich das Testbild angucken^^. Später gab es dann "Vormittagsfernsehn" von 10-13 Uhr etwa. Und in meiner Wohngegend wurde erst in den späten 1980er (1988/89) Kabelfernsehempfang möglich und damit kam der Anfang von dem 24h-Unterhaltungsterror, der heute auf dutzenden, hunderten Sendern so läuft.

Durch Nutzung eines Festplattenrekorders kann ich mir, sofern ich ein wenig das Wochenprogramm durcharbeite, die Rosinen rauspicken und nach und nach "weggucken". Also das, was man früher mit dem VPS-Videorekorder auch schon gemacht hat. (VPS btw. funktionierte meist ganz wunderbar. Warum Jahrzehnte später man tw. recht verk*ckte Recieveraufnahmen produziert ist mir ein Rätsel).

Wirklich Fernsehn "wie früher" gucke ich nur, wenn ich z. B. bei meiner Mutter bin. Da läuft noch um 20 Uhr die ARD-Tagesschau (absolutes Pflichtprogramm bei ihr) und danach irgendein Film oder halbwegs informative Doku/Reportage, am bestenn was mit Tieren. Oder den Hernn Lichter am Nachmittag. Oder Gefragt-Gejagt am frühen Abend. Privatsender guckt sie sehr selten, die (immer sehr "laut" wahrgenommenen) zahlreichen Werbeunterbrechungen mag sie nicht sehr, nimmt es aber hin, wenn z. B. auf Eurosport Tennis gezeigt wird.

Bitte also nicht "die gute alte Zeit" verklären, auch damals gab es schon heftigen Trash. Reines "Proletenfernsehn" (wie große Teile des Nachmittagsprogramms von RTL & Co nur noch daherkommen) war natürlich noch lange nicht so selbstverständlich und selbstbewusst daherkommend und führte noch zu (sogar manchmal tatsächlich inhaltlichen) Diskussionen (in der Familie/Bekanntenkreis). Aber wer regt sich schon noch wirklich über Privat-TV auf? Einfach nicht gucken und sinnvolleres anfangen mit der Zeit, es ist so einfach. Und Leute, die sich nur noch über Trashformate mit mir unterhalten wollen, die meide ich einfach.

SANY3000  07.08.2021, 14:39

Danke für diese sehr gute Antwort.

Mit den besten Grüßen

SANY3000

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Fernsehen ist langweilig geworden.

Die Öffentlich-Rechtlichen waren so in meiner Jugendzeit mal gut und als solide Informationsquelle brauchbar, siehe hier ("Wirtschaftstelegramm" und "Länderjournal"). Da konnte man echt viele super gemachte Sachen sehen und sich weiter bilden.

https://www.youtube.com/watch?v=OLkguww-7Fs

https://www.youtube.com/watch?v=FMgVu7Vm_zY

Wer gezielt ausgewählt hat, konnte übers Fernsehen vieles lernen, selbst unsere Lehrer der Oberstufe hatten uns immer wieder auf gute TV-Formate hingewiesen - vor allem in der Prüfungsvorbereitung auf Geschichte, Gemeinschaftskunde, Religion oder Erdkunde konntest du über ARD und ZDF oder auch über 3sat vieles mitnehmen. Selbst die Staatssender im Radio waren früher in Ordnung und boten auch manches informative Format, inzwischen ist das der Deutschlandfunk der letzte Mohikaner, wenn man Infos will.

Ich habe Marcel Reich-Ranicki, der am 10.Oktober 2008 den Deutschen Fernsehpreis ablehnte, sehr gut verstanden in seiner Entscheidung und fand es einfach nur stark. Hier ... in voller Länge - kann man sich ruhig mal geben, er war ein echter Feingeist und wusste genau, was er sagte. Großartiger Mann!

https://www.youtube.com/watch?v=jsbhA64PvwA

Inzwischen können sie offenbar nur noch verworrene Psychothriller und wunderliche Dramas, Degeto-Liebesfilmproduktionen in der ARD, Volksmusik, diese modernen Tatorte mit Ermittlern, die durchweg psychische Probleme zu haben scheinen bringen und diese klemmimäßigen politisch korrekten "Hitlerfilme" über die Nazizeit, in deren Handlung meist eine mehr oder weniger "verbotene" oder von den Älteren nicht gebilligte Liebesbeziehung mit eingebaut wird, was das Ganze dann zur Schmonzette verkommen lässt, während der erhobene Zeigefinger natürlich auch mitmischt. Jährlich werden neue Filme dieser Machart produziert ... obgleich die Geschichtsbücher doch viel mehr hergeben. Und ich finde es einfach nur überzeichnet.

Da wünscht man sich "Lose, Gewinne, Show, Quiz und Kuli" im "großen Preis" von 1993 doch irgendwie schon zurück.

https://www.youtube.com/watch?v=pq6eIGKrN1A

Das ging ja schon so ab ca. 2005 los - ich sage mal so: Als ich neulich einen 2001er Spiegel (ca. Juni/Juli 2001) zum zehnjährigen ARD-Jubiläum von "Boulevard Bio" las, wurden damalige ARD-Verantwortliche zitiert, Alfred Biolek sei ihr letzter richtiger Unterhaltungsstar. Damit hatten sie Recht - nach "Bio" ist wirklich nix mehr gekommen. Das ZDF hatte noch seine vielseitige Geheimwaffe Thomas Gottschalk, ansonsten war's das.

Die einzigen guten öffentlich-rechtlichen Sender, die man sich ansehen kann und ihren halbwegs neutralen Bildungsauftrag noch erfüllen, sind meiner Meinung nach 3sat, arte, Phoenix und (in Teilen) die Regionalsender, die wenigstens noch phasenweise recht passable Dokus, etwa über Tiere oder ferne Länder, im Programm haben und auf peinliche, affektierte Formate verzichten. Auch One, ZDF-Info und ZDF-Neo sind teilweise gut.

Das GEZ-Modell wäre tragbar und ich würde auch die regelmäßigen Erhöhungen durchaus noch okay finden, wenn die Sendungen wenigstens qualitativ in Ordnung wären, aber das kann man ja so auch nicht mehr sagen.

Die Privaten waren schon immer ein Stück schlechter (kommerzieller) gewesen und wurden noch schwächer, einzig VOX ("Westschienenkanal") war 1993 ganz zu Beginn ein Lichtblick mit Ruprecht Eser, stündlichen Nachrichten und Magazinen wie "canale grande", wurde dann aber zum Ramschkanal schlechthin.

Fernsehen ist weiterhin interessant.

Die Frage ist, wen solche Sendungen noch interessieren. Die Einschaltquoten bestimmen sozusagen das was gesendet wird. Zudem gibt es zahlreiche Sender und nicht nur ca. 3 wie früher.

Da zeigt sich der geistige Abbau der Kultur.

Alles geht bergab. Immer dümmere Sprüche, immer einfältigere Handlungen und oft düstere Szenen, wo die Heiterkeit von früher fehlt. Und immer schneller auch die Bildschnitte, überall Hektomatik.

Dass waren noch Zeiten, als man sich beim Showdown so lange Zeit lies wie hier:

https://www.youtube.com/watch?v=qwb3P0fuM1c