Gibt es so etwas wie absolute Realität?
Und kann der Mensch diese erfahren?
Ich rede jetzt nicht von der absoluten Gesamtheit der Dinge, denn da würde es schon am elektromagnetischen Spektrum scheitern, da wir hier nur 1% der Wellen wahrnehmen können.
Ich rede speziell vom Bereich der Sprache. Sprache formt die Art, wie wir die Welt wahrnehmen, da wir mithilfe von sprachlichen Konzepten die Welt verstehen.
Die deutsche Sprache zum Beispiel baut auf einen Satzbau mit Nomen auf. Da wir die Welt "verdinglichen", sehen wir immer nur feststehende Objekte. Wir sagen zum Beispiel "die Flamme", und nehmen die Flamme daher als ein "Ding" war. Wir sagen wir ballen unsere Hand zu einer "Faust", und sehen daher den Zustand "offene Hand" als etwas anderes als den Zustand "Faust".
Es gibt Stammesvölker, dessen Sprache ohne Nomen funktioniert. Sie besitzen nur Verben, und sehen stattdessen nur Prozesse, keine feststehenden Objekte wie wir. Sie sehen keine feststehende Flamme, sondern nur den Prozess des "flammens". Wenn ihre Hand zur Faust geballt wird, wird diese nicht als ein neuer Zustand wahrgenommen, sondern als eine Funktion der Hand des "faustens". Die Hand selbst ist eine Funktion des Körpers, als "handen", der Körper auch ein Prozess der Umwelt, und so weiter (ja, hier wird es mit einer Realitätswahrnehmung durch "Objektifizierung" schwer, die Wahrnehmung dieses Volkes zu verstehen).
Diese Völker nehmen die Welt weniger mechanisch war wie wir. Während bei uns die "Dinge" in einem Ursache-Wirkungs-Verhältnis zueinanderstehen, sehen sie die Welt mehr in Form eines Organismus, in welchem jedes "Etwas" mit jedem anderen "Etwas" einhergeht. Nichts ist die Ursache von irgendeiner Wirkung, sondern alles geht Hand in Hand.
Außerdem kann der Verstand nur sehen was er kennt. Ein bestimmtes Volk am Nord- oder Südpol, besitzt allein für den Schnee 5 verschiedene Begriffe und kann die unterschiede daher kinderleicht wahrnehmen, während ein bestimmtes aztekisches Volk nur einen einzigen Begriff für Schnee, Hagel und Regen kennt. Für das aztekische Volk ist es sehr schwer, in diesen drei für uns deutsche offensichtlich unterschiedliche Wettererscheinungen, einen signifikanten unterschied festzustellen.
Es scheint, als würden wir mit Sprache aus dem unendlichen Pool an möglichen menschlichen (!) Erfahrungswelten der Realität, einen bestimmten Bereich auswählen, ähnlich wie unser Auge nur 1% des elektromagnetischen Spektrums wahrnimmt.
Ist es für den Menschen möglich, die Gesamtheit der Dinge zu erfahren? Ich rede von der Gesamtheit der sinnlichen Wahrnehmung.
Bräuchte man dafür eher eine Art absolute Sprache, oder ginge das vielleicht nur ohne Einschränkung einer konzeptualisierenden Funktion des Gehirns, also komplett ohne Sprache? Könnte man in einem Geisteszustand frei von sprachlichen Konzepten die Welt ohne Verzerrungen wahrnehmen?
6 Antworten
Das stimmt schon so wie du es geschrieben hast, wir können immer nur versuchen ein möglichst genaues Abbild der Realität zu erschaffen, sie dadurch aber wohl nie ganz erfassen.
Hier ein ganz interessant Beitrag des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick dazu:
https://www.youtube.com/watch?v=1Xbh7rKnJ4s
Könnte man in einem Geisteszustand frei von sprachlichen Konzepten die Welt ohne Verzerrungen wahrnehmen?
Jedenfalls kann es sich so anfühlen als ob man der Wahrheit so näher kommt als durch stundenlanges Philosophieren.
Schalte alle deine Gedanken aus und tauche in den gegenwärtigen Augenblick, dann kannst du es erahnen.
ich denke auch, dass das der Weg ist.
Die konzeptfreie Wahrnehmung der Welt, offenbart einem die pure "Istigkeit", oder in englisch, die "Suchness" der Welt.
Hier nimmt man die welt absolut so war, wie sie ist, frei von jeglicher interpretation oder verstandesmäßiger Verzerrung. Wie ein Baby die Welt wahrnimmt.
Theoretisch ist das die einzige, absolute Realität, die der Mensch mit seinen Sinnen maximal wahrnehmen kann.
Die absolute Wahrheit kann niemand wahrnehmen. Unsere Sinne sind zu beschränkt. Selbst ne superhoch entwickelte, absolut optimierte Sprache kann das nicht ändern. Ein Faktor, der Missverständnisse hervorruft, bleibt: der Mensch.
Sieh dir mal das 4 Seitenmodell von Schulz von Thun an.
Es gibt keine absolute Realität, da Realität nichts weiter ist als unsere Interpretation der Teile der Wirklichkeit, die sich uns (durch das Tor unserer Sinne) auf sich aufmerksam machen.
Sprache ist ein durch uns gefundener Weg, unsere Gedanken anderen mitzuteilen und umgekehrt von ihren zu erfahren, wie ihre Realität aussieht (wobei alles, was sie uns mitteilen uns nur bewusst wird gefärbt durch unsere Interpretation dessen, was wir hören oder lesen: d.h. durch die von uns interpretierten Signale der Wirklichkeit, denn Sprecher und Autoren sind ja auch Teil der Wirklichkeit).
Sprache ist der effektivste Weg, die Realitäten von Individuen zu mischen und zu verschmelzen zu etwas, das dann – weitgehend jedenfalls – eine allen gemeinsame Beurteilung sie umgebender Wirklichkeit ist: Realitäten lassen sich mischen wie der Inhalt von Tassen, in denen sich gefärbtes Wasser befindet.
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Note: Die Realität, in der wir leben, ist relativ (genauer: subjektiv gefärbt). Sie ist Ergebnis unserer Interpretation sämtlicher durch uns aufgefangenen Signale der Wirklichkeit. Nicht zuletzt kann schlechtes Sehen oder Hören diese Signale sogar noch verfälscht haben.
Wie kommt es dann dazu, dass ein und dieselbe Wahrnehmung (z.B. ein übers Radio kommender Satz eines Politikers) durch unterschiedliche Hörer nicht selten mit völlig unterschiedlicher Semantik versehen wird?
Nein, die gibt es nicht.
Nein. Alles ist subjektiv. Es ist (aus meiner Sicht) sogar fraglich, ob die subjektive Welt, so wie du sie erlebst, überhaupt existiert.
Natűrlich gibt es eine absolute Realität. Alles was physikalisch passiert ist 100% real.
Was wir davon mitbekommen und wie wir es interpretieren ist nicht die Realität , sondern das was wir davon Wahr-nehmen, also fûr Wahr halten.
Dein letzter Satz wäre somit das mischen von Wahrnehmungen, nicht von Realität :)