Gibt es ehemalige "Westkinder", die beispielsweise wegen Verwandtenbesuch öfter in der DDR waren?

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Freundinnen meiner Mutter wohnten im Osten. Die Warteschlangen am Grenübergang Marienborn waren lang. Alles wurde kontrolliert und jedes mögliche Versteck untersucht, wobei Mutter sich einen Spaß daraus machte etwas mitzunehmen, was eigentlich nicht gestattet war, wie einen Quelle-Katalog etc. und der so auffällig im Wagen plaziert war, dass er öfter übersehen wurde.

Die Besuche selbst waren etwas speziell. Bei der einen Freundin wurden erst alle Wasserhähne angestellt, um möglichst viele Nebengeräusche zu erzeugen und sich dann unterhalten. Bei der anderen Freundin stand die Toreinfahrt auf, wir fuhren rein, Toreinfahrt wurde geschlossen und sich erst dann begrüßt. Da es in Bitterfeld war, war die Luft getrübt durch Smog der OrWo-Werke. Zum unterhalten gingen wir in dieser Luft raus. In der Wohnung wurde absolut belangloses Zeug erzählt.

Das fand ich als Kind/Jugendlicher bedrückend. Gerne war ich nicht dort. Als ich 2019 einen Tag in Transnistrien (autonome Republik von Moldawien) war, hatte ich wieder dieses bekemmende Gefühl der Unfreiheit.

Durch den Zwangsumtausch war eine Reise in die DDR relativ teuer. Alles was man dort benötigte kostete relativ wenig und so musste dieses Geld irgendwie ausgegeben werden. Meist kauften die Eltern dafür Bücher oder ich kaufte mir eine LP (wenn gerade vorhanden).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Neugier4711  08.07.2025, 21:42

Vielen lieben Dank für den Stern.

Ja, ich bin aus dem Westen, Berlin (West). Meine Eltern und ich haben auch öfter mal Verwandte in Ostberlin besucht.

In Westberlin gab es DDR-Büros, man nannte sie "Passierscheinstelle". Dort ist man hingegangen und hat einen Einreiseantrag gestellt. Musste angeben an welchem Tag man einreisen möchte, wieviel Personen einreisen wollen, wie lange man vorhat in der DDR zu bleiben und an welchem Grenzübergang die Einreise erfolgt. Nicht jeder Grenzübergang durfte von allen benutzt werden. (Es gab Grenzübergänge die ausschließlich für Besucher aus Berlin (West), aus der BRD, oder Diplomaten bestimmt waren.)

Einige Tage später kam dann die Benachrichtigung, dass man seinen "Passierschein abholen konnte". Ist dann wieder zur Passierscheinstelle und hat den Passierschein abgeholt.

Am Tag der Einreise ist man zum betreffenden Grenzübergang gefahren, musst sich in einer langen PKW-Warteschlange anstellen und warten, bis man dran war.

War man dann dran, hat man dem Grenzer den Passierschein und die Ausweise aller im PKW befindlichen Personen übergeben. Das wurde dann alles abgeglichen und überprüft, und wenn alles klar war, hat man die Personalausweise wieder zurück erhalten. Dann musste man noch zum Zwangsumtausch in so einen Raum, der ähnlich wie der Schalterraum einer Bank aussah und gab Westgeld hin und bekam 25 Mark Ost wieder. Danach durfte man in die DDR bzw. Ostberlin einreisen.

Hatte man nur ein Tagesvisum, musste man die DDR bzw. Ostberlin bis spätestens 0:00 Uhr desselben Tages wieder verlassen haben, sonst gab es Ärger.

Ich empfand es persönlich als schrecklich rückständig, schlecht beleuchtete Straßen. Der Putz fiel an vielen Häuser bereits von den Fassaden und alles war Grau in Grau, durch die Abgase der Fahrzeuge.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Natürlich habe ich als Westler mit Verwandtschaft in der DDR meine Verwandten dort besucht und es war jedes Mal ein Abenteuer, denn zuerst musste man diesen Besuch ankündigen per Brief an die Verwandten, die stellten dann den Einreiseantrag indem sie alle möglichen persönlichen Daten angeben mussten.

Als ich mit einem nicht verwandten Freund zu Besuch kommen wollte, der Theologe ist und damals bei der Kirche einen Nebenjob hatte, haben sie uns auf unserem Besuch immer die Stasi auf den Hals gehetzt und verfolgen lassen bei unserem Aufenthalt.

Na, wie sah denn das aus? Ärmlich und zurückgeblieben, in den Straßen lagen große Haufen staubiger Braunkohle die alle in ihre Keller schaufelten für die Öfen im Winter, und dann hat es da nach Schwefel gestunken bis dir schlecht wurde. Und in den Läden war fast nix Vernünftiges zu kaufen.

Ich war mit 9 Jahren erstmals in der DDR. Das war damals bedrückend. Wir waren bei Verwandten und die bekamen Besuch durch die Stasi. Man wollte meinen Vater unter Druck setzen. Der war als Gewerkschafter irgendwie bei denen auf einer Liste von "Sympathisanten", was aber Unsinn war. Außerdem konnte man den Wohlstandsunterschied leicht erkennen.

Wir waren dann mehrmals im Osten. Aber die Grenzübergänge waren irgendwie immer bedrückend. Das war anders, als in europäische Länder. Auch in Jugoslawien und sogar Rumänien wurde das anders gehandhabt.

Ein Freund meines Vaters wurde mit seiner Frau im Osten wegen Spionage inhaftiert. Schlimm war, dass ihre Kinder im Westen waren. Er wohnte bei einem Cousin, der ihn an die Stasi gemeldet hatte. Die Frau wurde irgendwann freigelassen, aber der Mann blieb 2 Jahre im Gefängnis.

Ja, ich bin ein ehemaliges Westberliner Kind.

Wir hatten Verwandte in Ost-Berlin, genau in Prenzlauer Berg.

Für mich als Kind in den 1960-70er Jahren war das wie eine Zeitreise. Die Häuser hatten noch Einschusslöcher vom Krieg. Der Balkon meiner Oma dürfte nicht betreten werden, bis zur Wende. Die Kohlen lagen in Bergen auf den Straßen, da wurde von den "Lieferanten" nichts in den Keller geräumt. Die Toilette war eine halbe Etage tiefer und wurde von mehreren Mietern genutzt.😱 Meine Oma war "Hausbuchführerin". Eigentlich sollte sich da jeder Besucher eintragen, das Buch war aber leer 😂 Da mein Vater alle 2 Wochen Lebensmittel nach drüben geschleppt hat, ging es denen nicht schlecht. In der Partei war niemand meiner Verwandten, wäre wahrscheinlich auch problematisch gewesen mit West-Verwandtschaft.

Im Winter war die Luft zum schneiden, die hatten ständig Smog.