Frage zur Einordnung des Konzepts "mehr als zwei Geschlechter": Wissenschaft, Weltanschauung oder beides?
Ich beschäftige mich gerade intensiver mit der Frage, wie das Konzept „mehr als zwei Geschlechter“ einzuordnen ist. Mir fällt auf, dass es stark auf persönlicher Selbstwahrnehmung basiert – also darauf, wie sich jemand selbst definiert. Gleichzeitig scheint es dafür keine objektive oder überprüfbare Methode zu geben, wie z. B. in der Biologie oder Psychologie üblich.
Daher frage ich mich:
Ist diese Sichtweise eher als wissenschaftliches Konzept einzuordnen – oder eher als weltanschauliche oder kulturelle Haltung, vergleichbar mit Religion oder einer moralischen Überzeugung?
Mir ist wichtig zu betonen: Ich finde es völlig legitim, wenn Menschen sich außerhalb klassischer Geschlechterkategorien verorten oder sich mit bestimmten Rollen nicht identifizieren. Ich stelle nur die Frage, ob und inwiefern diese Konzepte einen objektiv-wissenschaftlichen Status beanspruchen können – oder ob es sich eher um individuelle Interpretationen handelt, die gesellschaftlich akzeptiert, aber nicht zwingend „messbar“ sein müssen.
Ich frage rein aus Interesse und ohne provokative Absicht. Mich interessiert, wie andere das sehen.
14 Antworten
Die Abkürzung LBGTIQ* hat ja nicht umsonst ganz viele Buchstaben. Es gibt nämlich viele verschiedene Ausprägungen dieses "mehr als zwei Geschlechter".
Lass uns erstmal angucken, was man mit "zwei Geschlechtern" überhaupt erst einmal meint. Darunter versteht man ja zwei Individuen der selben Spezies, die durch Kombination ihrer Keimzellen Nachwuchs zeugen können. Mehr ist das nicht, aber das allein wirft schon die Frage auf, ob Individuen, die keinen Nachwuchs zeugen können, weil bspw. keine Keimzellen hergestellt werden, überhaupt bereits diesem Geschlechterkonzept zugeordnet werden können. Dieses Phänomen geht ja durchaus weiter bis hin in die Intergeschlechtlichkeit, also wo genetische Variationen tatsächlich dazu führen, dass eine Person biologisch Merkmale aufweist, die eine biologische Zuordnung zu einem der beiden für die Fortpflanzung relevanten Geschlechter nicht möglich machen. Es existieren also tatsächlich Menschen jenseits dieser "zwei Geschlechter". Die gesellschaftliche Frage, die wir uns zu beantworten haben, ist, ob wir daraus ableiten, dass "mehr als zwei Geschlechter" existieren, also ob wir die geschlechtlichen Variationen zwischen ("inter") den zwei Fortpflanzungsgeschlechtern ebenfalls als "Geschlechter" anerkennen oder nicht. Da betroffene Menschen durchaus auch ein Bedürfnis nach Liebesbeziehungen und sexueller Erfüllung haben, würde ich sagen: Ja, es spricht nichts dagegen, ihnen eine individuelle Identifikation mit einem der beiden oder einem dritten Geschlecht zuzugestehen.
Bei nichtbiologischen Abweichungen der klassischen beiden Geschlechter erscheint das Thema deutlich komplexer. Hier würde ich definitiv etwas differenzierter hinschauen, weil es möglicherweise (ich steck' ja da selbst nicht drin) unterschiedliche Motive gibt. Allen voran vielleicht die tradierten Rollenbilder. Ein Junge, der gern mit Puppen spielt, ein riesen Fan von Elsa der Eiskönigin ist und den Beruf des Erziehers wählt, um Kindergärtner zu werden? In unserer verbohrten, spießigen und konservativen Gesellschaft ist das Risiko für so jemanden nicht gerade gering irgendwann mal mit dem "Vorwurf" konfrontiert, "kein richtiger Mann" zu sein. Vielleicht wünscht sich in Ermangelung von Role Models so jemand sogar im Laufe der persönlichen Entwicklung zeitweise selbst, das Geschlecht wechseln zu können, um "besser" in die Rolle zu passen, mit der er sich identifiziert? Ein anderes Feld könnte hier auch die persönliche Entwicklung der Körperwahrnehmung sein: Ich persönlich habe, als ich als frühpubertärer Jugendlicher mich mit den Reizen des anderen Geschlechts zu befassen begann, zeitweise danach gesehnt, selbst einen weiblichen, da aus meiner Sicht schöneren Körper zu haben, was ich aber im Nachhinein eher als "Überregulation" in einer hormonell sowieso wilden Zeit interpretiere, vielleicht weil das für mich in dieser Zeit eine Fantasielösung dafür war, die Würde meiner weiblichen Freunde gegen ein wachsendes Interesse am weiblichen Körper zu verteidigen. Vielleicht gibt es Menschen, die sich in eine solche Situation tiefer hineinbegeben als ich es damals tat, nehmen sie als Identitätsmöglichkeit an und entwickeln sie weiter. Solche Menschen finden vielleicht kein Zuhause in ihrem biologischen Geschlecht, werden aber aufgrund der biologischen Hürden auch nie vollständig das Geschlecht erreichen, das sie sich für sich wünschen... Hier bewegen wir uns aber sicherlich weit außerhalb der wissenschaftlichen Objektivität und auch hier müssen wir uns gesellschaftlich-moralisch fragen, inwieweit wir solchen Leuten entgegenkommen wollen, um eine subjektive Entscheidung zu treffen.
Die Phänomene jenseits der zwei klassischen Geschlechter sind also definitiv nachvollziehbar und existent. Es liegt an uns zu entscheiden, ob wir sie anerkennen wollen oder ob wir von ihnen verlangen wollen, sich mal mehr und mal weniger willkürlich einem der beiden Fortpflanzungsgeschlechter zuzuordnen, nur weil das bei 99 Prozent der Menschheit kein Problem ist. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es nicht nötig ist, von Inter- oder Transgeschlechtlichkeit betroffene Menschen dazu zu zwingen, sich für "männlich" oder "weiblich" zu entscheiden. Mir ist eher die wissenschaftliche Grundlage dafür schleierhaft, warum jedes poplige Kontaktformular von mir wissen muss, ob ich männlich, weiblich oder divers bin.
Beides.
Grund dafür ist das das Konzept zu oberflächlich ist.
Für den Gesamten Komplex muss man den Begriff Geschlecht in 2 begriffe aufteilen.
Wie im englischen mit den Begriffen Sex und Gender. Oder bei uns: Geschlecht und Geschlechtsidentität.
Geschlecht beschreibt dabei halt den reinen Biologischen Part.
Gleichzeitig scheint es dafür keine objektive oder überprüfbare Methode zu geben
Das ist durchaus auch im Biolgischem der Fall. Die Geschlechter lassen sich schwerlich ganz klar definieren. Weil es eben nen ganzen Haufen an Grenzfällen gibt. Das sind dann nicht unbedingt neue Geschlechter. Aber das macht die ganze Sache eben nicht leicht. Zumal die Gesellschaftliche Bestimmung des Geschlechtes ist das der Arzt nen Penis oder eine Vagina gesehen hat. Und das ist ziemlich unwissenschaftlich.
Edit: Avicenna89 Beschreibt das im 1. langen Absatz konkreter und liefert Beispiele.
Die Biologie ist aber weniger das Problem.
Der zweite Part. Ist die Geschlechts Identität. Und hier ist es durchaus mehr eine Weltanschauung.
Das Problem hier ist. Das aus der reinen Biologie. Eine Aufteilung der Gesellschaft entwachsen ist. Und zwar in einem Maße das nur alleine der Fakt das wir es schon immer so machen. Dies auch nur geduldet wird.
Es gibt Biologische Unterschiede zwischen den Menschen. Diese lassen sich auch Kategorisieren.
Nehmen wir ein Beispiel: Es gibt kleine und grosse Menschen.
Diese Biologischen Unterschiede führe durchaus auch zu unterschieden in den Fähigkeiten. nen grosser Mensch z.b. kann dinge in grösseren Höhen erreichen. Und hat bei einem Kampf eine grössere Reichweite.
Das sind durchaus Biologische Fakten.
Nun stelle dir aber mal vor das wir anfangen würden unsere Gesellschaft in "grosse" Menschen und und "kleine" Menschen einteilen würden. Alles über 1.70 gilt als gross. Alles andere als klein.
Und dann fangen wir an in teilen der Gesellschaft diese Menschen voneinander zu trennen. Es gibt sagen wir Räumen in die dürfen nur Grosse Menschen rein. Aber auch Räume in die dürfen nur kleine Menschen rein.
Es gibt extra Gruppen im Sport für Grosse und kleine Menschen. Was vieleicht sogar Sinn macht.
Kleine Menschen bekommen Extra schutzräume. Quasi kleine Menschen häuser. Weil sie ja körperlich den grossen etwas unterlegen sind und sie mehr Gewalt von den grossen erfahren die natürlich ihre macht ausnutzen.
Nicht nur das, wir führen Namensvorschriften ein. Es gibt namen für grosse Menschen und für kleine Menschen. Bei der Geburt messen wir die entsprechenden Parameter um abschätzen zu können ob der Mensch über 1.70 gross wird oder Darunter. Nehmen wir an das die Messmethoden 98% korrekt funktionieren und sich nur bei 2% herausstellt das sie nicht dem erwarteten wert entsprechen.
Ok das reicht als Beispiel da lässt sich noch wesentlich mehr machen. Ich bin mir ziemlich sicher das die meisten einer Solchen Spaltung der Gesellschaft ziemlich negativ gegenüberstehen. Dabei leben wir in einer solchen Gesellschaft. Wir machen gerade genau das. Nur eben mit einer anderen Biologischen Kategorisierung.
Kannst du sehen wieso das Soziale Geschlecht nur eine Weltanschauung ist?
Zu sagen: Es gibt viele Geschlechtsidentitäten. Stellt sich dem ganzen entsprechend entgegen. Es ist eine alternative Sicht. Es stellt prinzipiell die Sinnhaftikeit dieser Einteilung der Menschen in 2 verschiedene Gruppen, anhand körperlicher merkmale, infrage. Will sie aber prinzipiell nicht abschaffen. Sondern nur erweitern. Was letztendlich, dadurch das es eben alles ziemlich willkürlich festgelegt ist, dazu führen dürfte das die Gruppentrennung ganz verschwindet. (über lang)
Vielen Dank für den extrem ausführlichen Text! Dem würde ich so tatsächlich 1:1 zustimmen. Ich hätts aber definitiv nicht so gut auf den Punkt bringen können, daher danke :)
Dieser Gedanke kommt aus der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass die Geschlechtsidentität tiefer verwurzelt ist, als nur im bloßen „jemand anderes sein wollen“ - daraus ergeben sich zwangsläufig mehr als zwei mögliche Identitäten, denn neben männlich und weiblich (egal ob cis oder trans) gibt es zumindest mal noch nonbinär
Das ist auch kein Widerspruch zur „Biologie“ bzw. Anatomie, wo es bekanntermaßen auch weiterhin (fast) ausschließlich zwei Geschlechter gibt (Ausnahmen gab es auch schon zuvor bei Intersexuellen Menschen, die im übrigen u.a. Zur Erkenntnis der Geschlechtsidentität beigetragen haben, da man sich früher oft so früh wie möglich für ein Geschlecht entschieden und den Körper operativ angepasst hat, die Entwicklung der Identität aber dann häufig in eine andere Richtung ging, eben unabhängig vom Körper)
Es ist vor allem ein Gesellschaftliches Problem - die Leute müssten viel entspannter werden und einfach leben lassen, es ist für betroffene Personen eine entscheidende Steigerung der Lebensqualität, in ihrer Geschlechtsidentität einfach anerkannt zu werden, wie sie sind, und tut rational betrachtet niemandem weh!
Biologisch gibt es beim Menschen nur zwei Geschlechter: männlich und weiblich, identifiziert aufgrund der sichtbaren Geschlechtsorgane.
Alles andre sind Vermischungen, die ihre eigene Berechtigung haben, aber keine eigenen "Geschlechter" sind. So einfach ist das eigentlich.
Für die Biologie ist nur entscheidend wie Organismen sich fortpflanzen!
Hier gibt es die geschlechtliche Fortpflanzung mit Männchen und Weibchen, wenn beide biologisch gesund sind oder die Selbstbefruchtung wie bei den Schnecken (Autogamie) Pflanzen das limitiert aber die Entwicklungsfähigkeit.
Was für Gefühle dabei im Spiel sind ist der Biologie egal. Take it or leave it! ist deren Antwort! Wer das nicht will oder kann dessen Blut Line stirbt aus.
Das nennt sich biologische Selektion.
Das kann einem gefallen oder nicht aber im Endeffekt zeigt sich, dass je weiter man sich von der Biologie distanziert um so vulnerabler und dysfunktionaler wird das Konstrukt. Aber für ein Leben reicht es alle mal.
Das Ganze muss wohl noch ein paar Jahrzehnte sacken.
Die Biologie gibt ihre Regeln vor und es wird nur die DNA weitergegeben die sich fortpflanzt, der Rest sortiert sich selber aus für die Strategie der Biologie.
Für die Biologie ist das kein langfristiges Problem!
Wahrscheinlich ist das Ganze so eine Art biologischer Säuberungsprozess!
So wie Homosexualität sind die Veranlagungen für eine „abweichende“ Geschlechtsidentität vermutlich auch über genetische Faktoren übertragen
Diese werden von den Elterngenerationen auch über andere Wege weitergegeben, bis sie irgendwann wieder in der passenden Konstellation zusammen treffen und das ganze ausgeprägt wird
zumindest für Homosexualität finden sich Belege die bis zum beginn der Menschheit zurück gehen, also durchaus langfristig
Für alles Mögliche setzen sich genetische Merkmale und Neigungen immer wieder durch. Sonst wären ja Homosexelle längst ausgestorben.
Außerdem bestimmen die äußeren Umstände entscheidend dabei mit in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt.
Männer mit viel weniger Testosteron als vor 50 Jahren treffen auf eine Ideologie von gebärunwilligen Frauen. Da können Geschlechterrollen schon einmal verrutschen.
Hochentwickelte Tierarten pflanzen sich auch kaum fort, wenn man sie außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes isoliert.
Wenn man sicher ist und auch so genug Futter kriegt bildet sich der Fortpflanzungstrieb zurück. Homosexuelle spielen hier wohl das soziale Bindungsglied zwischen den Geschlechtern.
In Gefangenschaft entwickelt sich auch Homosexualität zum Beispiel in Gefängnissen.
Aber Homosexualität ist kein eigenes Geschlecht, sondern nur eine sexuelle Orientierung.
Nur ist die Geschlechtsidentität auch ein biologisches Phänomen…