Chemie Löslichkeit berechnen?

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2 Ag⁺ + S²¯ ⟶ Ag₂S

Zu diesem Löslichkeitsgleichgewicht ist noch das Löslichkeitsprodukt Kₛₚ= 5.5⋅10¯⁵¹ mol³/l³ gegeben. Wenn sich x mol Ag₂S in einem Liter Wasser lösen, dann beträgt c(Ag⁺)=2x und c(S²¯)=x, wir können also das Löslichkeitsgleichgewicht anschreiben und nach x auflösen:

Kₛₚ = c²(Ag⁺)⋅c(S²¯)=(2x)²⋅x   ⟹   x = ³√(¼Kₛₚ) = 1.1⋅10¯¹⁷ mol/l

Also lösen sich 1.1⋅10¯¹⁷ mol Ag₂S pro Liter Wasser, das sind ungefähr 6 Millionen Ag₂S-Formeleinheiten, also lächerlich wenig.

Der Nachteil an dieser Rechnung ist aber leider, das sie ziemlich falsch ist, weil sie nicht berücksichtigt, daß bei pH≈7 (wir reden ja von fast reinem Wasser) die gelösten Sulfid-Ionen ganz überwiegend zu Hydrogensulfid HS¯ reagieren; nur ein kleiner Anteil liegt als S²¯ vor und ist fürs Löslichkeitsgleichgewicht relevant. Es wird sich also deut­lich mehr Ag₂S lösen als die oben vorgeführte Gurkenrechnung voraussagt.

S²¯ + H₂O ⟶ HS¯ + OH¯

H₂S ist eine schwache Säure mit den beiden Dissoziationskonstanten pK₁=7 und pK₂=12.92. Nehmen wir einmal an, daß sich so wenig Ag₂S in Wasser löst, daß der pH nicht verändert wird (die OH¯-Konzentration steigt also nicht wesentlich über die 10¯⁷ mol/l in reinem Wasser an).

Bei pH=7 liegt, weil der pK₁ bequemerweise genau 7 ist, ca. die Hälfte des Schwefels als H₂S vor und die andere Hälfte als HS¯; von dieser zweiten Hälfte ergibt ein win­zi­ger Teil S²¯; wieviel, läßt sich leicht aus dem Massenwirkungsgesetz für die zweite Dissoziationsstufe des H₂S herauskitzeln:

HS¯ + H₂O ⟶ S²¯ + H₃O⁺

K₂ = 10¯ᵖᴷ² = c(S²¯) ⋅ c(H₃O⁺) / c(HS¯)

c(S²¯) = 10¯ᵖᴷ² / c(H₃O⁺) ⋅ c(HS¯) = 10¯ᵖᴷ² / 10¯⁷ ⋅ c(HS¯) = 10⁷¯ᵖᴷ² c(HS¯)

Wobei wir wieder angenommen haben, daß die gesättigte Ag₂S-Lösung pH=7 hat. Das Ergebnis ist c(S²¯)=10¯⁵·⁹² c(HS¯), also kommt grob auf 1 Million HS¯-Ionen ein einzi­ges S²¯-Ion.

Jetzt denken wir das alles nochmals von Anfang an durch:

Wenn sich x mol Ag₂S in einem Liter Wasser lösen, dann ist c(Ag²⁺)=2x. Außerdem haben wir insgesamt x mol Schwefel in der Suppe, ungefähr je die Hälfte davon als H₂S und HS¯, also c(H₂S)=c(HS¯)=½x, und außerdem noch ganz wenig S²¯, nämlich

c(S²¯) = 10¯⁵·⁹² c(HS¯) = 10⁷¯ᵖᴷ² ⋅ ½ ⋅ x = 6.011⋅10¯⁷⋅x

Und damit machen wir dasselbe wie vorher, wir setzen also ins Löslichkeitsgleich­gewicht ein:

Kₛₚ = c²(Ag⁺)⋅c(S²¯) = (2x)² ⋅ (½ ⋅ 10⁷¯ᵖᴷ² ⋅ x)    ⟹
x = ³√(½Kₛₚ/10⁷¯ᵖᴷ²) = 1.3⋅10¯¹⁵ mol/l

Durch die verbesserte Rechnung kriegen wir also grob eine hundertmal bessere Lös­lichkeit heraus. Die Löslichkeit ist aber immer noch viel geringer als 10¯⁷ mol/l und hat daher auf den pH-Wert keinen Einfluß; deshalb war unsere obige Näherung von pH=7 valide, und das Resultat ist vertrauenswürdig.