Ist die Verteidigung eigener Standpunkte ("Rechthaberei" / Schopenhauer-Dialektik) wichtiger als die Synthese aus These und Antithese (Hegel-Dialektik)?
Für Arthur Schopenhauer war Rechthaberei (oder Eristische Dialektik) nicht das Streben nach Wahrheit, sondern die Kunst, in einer Debatte recht zu behalten, egal ob man objektiv richtig liegt oder nicht.
Es geht darum, den Gegner mit allen Mitteln zu besiegen und die eigene Behauptung durchzusetzen, selbst wenn man insgeheim weiß, dass sie falsch ist. Schopenhauer sah dies als einen natürlichen menschlichen Hang zur Eitelkeit und zum Intellektualismus, bei dem die Logik oft als Waffe missbraucht wird.
Es ist die Kunst des Streitens um des Sieges willen, nicht um der Wahrheit willen.
Die hegelsche Dialektik ist ein Denkmodell zur Entwicklung von Ideen und der Realität selbst. Sie verläuft in drei Schritten:
These: Eine anfängliche Idee oder Behauptung (z.B. "Das Sein ist").
Antithese: Der Widerspruch oder das Gegenteil der These (z.B. "Das Nichts ist").
Synthese: Die Auflösung dieses Widerspruchs in einer höheren, umfassenderen und reicheren neuen Idee. Die Synthese ist nicht nur ein Kompromiss, sondern eine neue These, die Elemente beider Seiten bewahrt und gleichzeitig über sie hinausgeht (z.B. aus Sein und Nichts entsteht "Werden").
Der Prozess beginnt dann von Neuem, wobei die Synthese zur neuen These wird, die ihrerseits wieder eine Antithese erzeugt, bis sich der "Absolute Geist" im Verlauf der Geschichte entfaltet. Es ist ein dynamisches Voranschreiten durch Widerspruch.
5 Antworten
Deine Frage ist etwas unfair gegenüber Schopenhauer. Im Gegensatz zu Hegel, der seine Dialektik propagiert, ist Schopenhauers Eristische Dialektik keine Propagierung, sondern Analyse und Kritik der Rechthaberei.
Er ergänzte und baute dieses Manuskript zwar weiter aus, beließ es aber bei „etwa vierzig“ Kunstgriffen (tatsächlich sind es 38), weil er sich angewidert sah, „alle[r] dieser Schlupfwinkel der mit Eigensinn, Eitelkeit und Unredlichkeit verschwisterten Beschränktheit und Unfähigkeit“ zu beleuchten - https://de.wikipedia.org/wiki/Eristische_Dialektik
Das sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen, die sich nicht vergleichen lassen.
Lediglich der Begriff Dialektik für die Rechthaberei ist wohl ein Seitenhieb auf Hegel. Dass sie sich nicht mochten, ist allgemein bekannt.
Ja, das reicht aus!
Ich habe nicht Deinen gesamten Text gelesen.
Es ist die Kunst des Streitens um des Sieges willen, nicht um der Wahrheit willen.
Zunächst reicht es aus, kein Wissen zu haben. Wenn das Gegenüber dann nicht mehr diskutieren will, habe ich ja gewonnen. Vermeintlich.
Bevor man zu dieser Erkenntnis kommt, muss man erstmal erkennen ab wann es Rechthaberei ist.
Es gibt Personen, die anderen Personen Rechthaberei unterstellen, weil sie mit ihrer eigenen Argumentation nicht mehr weiter kommen aber recht haben wollen.
Die Erkennung der Rechthaberei ist ein sehr komplizierter Sachverhalt.
Meine Erfahrung ist, dass Narzissten anderen Personen häufig Rechthaberei unterstellen., um ihren Narzissmus abzusichern. Denn nicht jeder Narzisst ist auch ein kluger Mensch.
Genauso ist es.
Deutet man "Rechthaberei" aber falsch, geht die ganze Auseinandersetzung in die falsche Richtung
Salü SpezialAntwort,
kommt auf deine Motivation und Intention an, also auf die Gründe, weshalb du eine Diskussion führst und zu welchem Zweck.
Diskutierst du hauptsächlich um deiner eigenen Eitelkeit willen, weil du dich sozusagen an deinem intellektuellen Vermögen ergötzt und/oder weil du eine Diskussion als "Schlacht" (miss)verstehst, die nur in deinem Sieg oder deiner Niederlage enden kann bzw aus Rechthaberei, ohne nach höherer Erkenntnis respektive "der Wahrheit" zu streben, um es pathetisch zu formulieren, dann wirst du vermutlich die eristische der Hegelschen Dialektik vorziehen.
"langer Rede Fluß mündet ins Meer der Geschwätze" - chin. Sprichwort
Eine eigene negative Eigenschaft jemandem zuzuweisen (z.B. Unpünktlichkeit) ist ein klinischer "Klassiker", ist typisch für Narzissten (im psychologischen Sinne).
Ich persönlich halte es für wichtig und förderlich, sich über unterschiedliche Standpunkte auszutauschen ohne zwingend den anderen überzeugen zu müssen. Der Weg zu einer Erkenntnis kostet Zeit und Bedarf der Auseinandersetzung mit Informationen. Ein Mangel an wichtigen Informationen verzerrt das eigene Bild, inbesondere da das Gehirn physiologisch darauf angewiesen ist, Informationen zu bewerten und Lücken heuristisch zu schließen.