Wird der Begriff "Helikopter-Eltern" zu inflationär verwendet?

9 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich verstehe was du meinst. In der Tat wird der Begriff "Helikoptereltern" von vielen Leuten sehr inflationär gebraucht. Meine persönliche Wahrnehmung zu dem Thema, auch von meinem beruflichen Hintergrund, ist aber dennoch, dass es heutzutage mehr Eltern gibt es es wirklich übertreiben mit der angeblichen Fürsorge. Da braucht man sich z.B. nur mal die Anzahl an Klagen ansehen, die gegen Schulen laufen, da die Benotung als ungerecht angesehen wird. Solche übertriebenen Dinge kann man schon an einigen Fakten festmachen. Alles in allem sind die "richtigen Helikoptereltern" aber dennoch eine kleine Minderheit. Abgesehen davon sehe ich aber schon einen fortlaufenden Trend, Kinder zunehmend mehr zu behüten wie früher. Als ich zur Grundschule gegangen bin sind mindestens 90 Prozent der Schüler den Weg alleine zu Fuß gegangen, in der Grundschule meines Sohnes werden heutzutage mindestens 90 Prozent mit dem Auto gefahren, wofür ich überhaupt kein Verständnis habe. Ich muss aber auch ehrlich zugeben, dass ich bei anderen Dingen oftmals besorgter um meinen Sohn bin als dies eigentlich notwendig wäre, da wurden viele Dinge früher einfach lockerer und selbstverständlicher betrachtet. Und ich habe da eher die 80er oder 90er Jahre vor Augen, wo Gewalt und bedingungsloser Gehorsam auch schon keine zentralen Themen mehr waren.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Sozialarbeiter / städtischer Kita-Bereichsleiter

Wie du, die echten Helikoptereltern sind so minimal, das es wirklich nur der interessante Begriff ist, der das ganze so modern macht.

Mir scheint es so, dass es heute deutlich mehr überbehütende Eltern gibt, als früher - aber ich bin deutlich jünger als du, von daher, nur mein Eindruck der letzten Jahre.

Vielleicht liegt dieser Eindruck aber auch daran - oder wird dadurch maßgeblich erhöht, dass die Kinder heute deutlich mehr verwöhnt erscheinen.

Wenn zum Beispiel die Eltern darauf bestehen, dass das Kind einen Kilometer zur Schule nicht selber, alleine, laufen könne, sondern es mit dem Auto hinzufahren sei, kann das ja zwei Gründe haben: Überbehütung (oh nein, mein Kind könnte Wasser von oben abbekommen und einen Schnupfen kriegen, oder geklaut werden ...) oder Verwöhnung.

Ob der Begriff zu häufig benutzt wird, kann schon sein, aber ich habe in der Tat dennoch das Gefühl, dass sich viele Eltern heute unsicherer sind, als früher, dass sie auch von der Gesellschaft mehr beobachtet werden - und deswegen die Kinder mehr beobachten.

Ich war zum Beispiel mit 9 Jahren das erste Mal alleine mit dem Zug unterwegs - 9 Stunden, inklusive umsteigen am Hbf Hamburg, weil ich meine Oma besuchen wollte und meine Eltern dafür keine Zeit hatten - meine Mutter hatte mir alles genau erklärt und natürlich auch erklärt worauf ich achten müsse (dieses Bonbon-Gespräch hatten wir vorher schon mal geführt ;-)). Ich weiß, dass da viele Eltern entsetzt waren und es heute noch mehr sind - aber eine Beobachtung, die ich daraufhin gemacht habe: die Kinder von den Eltern, die da so entsetzt waren, hatten in der 9ten Klasse dann Angst alleine in Berlin U-bahn zu fahren - und haben sich lieber ein Taxi genommen, oder sich tatsächlich an mich dran gehangen.

Man muss also einen Mittelweg zwischen Vorsicht und Selbstständigkeit finden - und heute tendieren viele Leute zu mehr Vorsicht, was den Kindern leider die Selbstständigkeit raubt - was sie im Endeffekt meiner Ansicht nach gefährdeter macht. Ein Kind, dass nie mit einer "Gefahr" konfrontiert wurde, weiß im Endeffekt nicht damit umzugehen. Das muss man auch erstmal lernen.

Wie sagt ein Zitat so schön: Die vornehmste Aufgabe einer Mutter ist es, sich selber überflüssig zu machen...

Wie gesagt, ich sehe die Tendenz hin zu immer vorsichtigerem und verwöhnenderem Verhalten - selbst im Vergleich zu vor 20 Jahren - als ich Kind war. Ob der Begriff dennoch zu oft angewandt wird? Gut möglich, dafür bin ich zu wenig in der Materie drin.

Hessen001 
Fragesteller
 19.01.2021, 11:23

Wenn Du seit 9 Jahren hier Mitglied bist, bis Du wahrscheinlich nicht deutlich jünger als ich 😅 , ich bin 19

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guitschee  19.01.2021, 11:24
@Hessen001

Okay, dann bin ich älter als du. Du schriebst halt von den 60zigern ...

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Hessen001 
Fragesteller
 19.01.2021, 11:35

Wenn es ums Zug fahren geht, so hätte ich keinerlei Angst, dass die Kinder irgendwas beim Zugfahren falsch machen. Einsteigen, hinsetzen, aussteigen. Aber wenn man sich mal anschaut, was heute so für Typen rumlaufen, da bekomme ich dann Angst um die Kinder.

Mein Vater, groß und breit wie ein Bär, wird sogar unruhig, wenn wir manchmal im Zug sitzen und plötzlich besoffene, randalierende Assis reinkommen.

Wenn früher Leute im Zug randaliert haben, dann wurden die vom Schaffner rausgeschmissen. Der Schaffner war eine Respektsperson, die für Sicherheit gesorgt hat. Heute werden viele Schaffner gewalttätig angegriffen, weil viele keinen Respekt mehr haben. Und wenn sogar Schaffner in Zügen angegriffen werden, würde ich mich nicht trauen, mein Kind alleine fahren zu lassen.

In einem Flugzeug zum Beispiel ist das anders, dort herrscht noch die Autorität der Fluggesellschaft. Vor dem Fliegen haben die Menschen doch einen gewissen Respekt. Ich hätte also keinerlei Probleme, wenn mein Kind mit der Lufthansa von Frankfurt nach Mallorca fliegen würde, wenn ich wüsste, das es dort am Gate abgeholt wird.

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guitschee  19.01.2021, 11:40
@Hessen001
 Aber wenn man sich mal anschaut, was heute so für Typen rumlaufen, da bekomme ich dann Angst um die Kinder.

... Genau das ist der Punkt, der meiner Ansicht nach, von so vielen Menschen so dermaßen übertrieben wird. Es liefen schon immer ein paar dubiose Typen rum - Fakt ist aber: die meisten Sachen passieren im eigenen Umfeld und die Straftaten draußen nehmen ab und nicht zu...

Aber heute ist es ja sooooo schlimm, da muss man die Kinder einen km zur Schule fahren, sonst wird es geklaut werden, man hört ja immer sooooo viel. (Ich kriege eine Krise, wenn ich sowas höre...)

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Hessen001 
Fragesteller
 19.01.2021, 11:44
@guitschee
Aber heute ist es ja sooooo schlimm, da muss man die Kinder einen km zur Schule fahren, sonst wird es geklaut werden, man hört ja immer sooooo viel. (Ich kriege eine Krise, wenn ich sowas höre...)

So habe ich das ja nicht gesagt.

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guitschee  19.01.2021, 11:45
@Hessen001

Nein, aber so sagen es einige von den sogenannten "Helikopter-Eltern" ;-).

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Als Kind wurde ich umsorgt, in allen Bereichen. Es wurde darauf geachtet, dass ich Bildung und Erziehung bekomme, bekam immer sehr gutes Essen, wir machten Ausflüge und und und....

Natürlich gab es auch Gewalt, das war früher so, man bekam den Hintern versohlt, wenn man etwas angestellt hat oder eine Ohrfeige, wenn man frech war. Man wurde auch beleidigt und angeschrien, wenn die Mutter überfordert war und die Kinder genervt haben. Das wird heute alles angeprangert, was auch richtig ist.

Aber, wir hatten Freiheiten ohne Ende. Nach den Hausaufgaben wurden wir raus geschickt, zu den Freunden und Nachbarskinder, die alle draußen waren, wir hatten keinen TV, keine Handys, nicht mal ein Telefon. Wenn die Straßenlaternen aufleuchteten, mussten wir wieder heim kommen, zum Abendessen.

Das war Freiheit, das war Luxus. Uns wurde vertraut, es ist niemanden etwas passiert, die Großen passten auf die Kleinen auf, wir waren überall und nirgends auffindbar. Das ganze Dorf war unser Spielplatz, man lernte viel von anderen, von älteren und gescheiteren, wir experimentierten, machten unsere Erfahrungen, manchmal kamen wir auch in gefährliche Situationen, aber wir lernten daraus.

Unsere Eltern wussten nie wo wir waren, was wir gemacht haben und wenn sie es heraus bekamen, dann war es okay. Wir hatten Geheimnisse und Verstecke und Abenteuer, das kann sich heute kein Kind mehr vorstellen.

Das ist traurig. Kinder werden bespaßt, überwacht, kontrolliert, in die Schule gebracht, abgeholt, dort ein Bildungsangebot, hier eine Musikstunde, immer und jederzeit unter Kontrolle, kaum mehr Freizeit, keine Freiheiten, alles geplant, .... d.h. Kinder dürfen keine Kinder mehr sein! Ihnen wird der Freiraum geraubt.

Obwohl die Elten heute mehr arbeiten, als früher und sie weniger Zeit für ihre Kinder haben, .... deswegen braucht man ganz strenge, straff organisierte Zeitpläne, damit die Kinder unter Aufsicht sind, damit sie keine Freiräume haben, damit sie kontrollierbar sind.

Kein Wunder, dass sie später psychische Probleme bekommen. Es waren noch nie so viele Kinder in psychologischer Behandlung wie heutzutage!!!!

Der Standard sinkt, was Kindern zugetraut wird, darum werden viele Helikoptereltern schon für normal erklärt. Du bringst Extrembeispiele, aber im gleichen Tenor, wie du diese Straße beschreibst, beschreiben eben Helokoptereltern eine kleine Nebenstraße auf der sie selber als Elterntaxi die Kinder gefährden.

Hessen001 
Fragesteller
 19.01.2021, 15:02

Okay, da ist es bei uns in der "Provinz" zum Glück noch besser.

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