Sollte Gentifizierung verboten werden?
…weil Verdrängung einkommensschwacher Haushalte durch einkommensstarke Haushalte in innerstädtischen Quartieren einfach aus meiner Sicht unsozial ist. Was meint Ihr? Sollte Gentifizierung komplett verboten werden?
Bitte auch begründen.
9 Stimmen
4 Antworten
Man kann eben nur da wohnen, wo man sich es leisten kann. Ich wohne auch nicht in einer Stadt, weil ich mir dann so ein Haus wie meines auch nicht leisten könnte oder bessergesagt wöllte, wenn es denn so etwas am Waldrand überhaupt gäbe.
Gentrifizierung ist keine Aktion die absichtlich durchgeführt ist. Es ist ein Vorgang der organisch passiert. Es ist kaum möglich das zu verhindern.
Was passiert (vereinfacht)? Ein Ort, ein Stadtteil, eine Kleinstadt, werden attraktiver. Vielleicht weil es ein interessantes Kiez ist, weil die Mieten in der Großstadt zu teuer geworden sind oder sonst Gründe.
Jetzt kommen Leute aus anderen Stadtteilen oder aus der Großstadt und lassen sich in diesem Kiez nieder weil die Mieten und/oder Baupreise niedrig sind. Dadurch steigen Mieten und/oder Baupreise (Angebot und Nachfrage) und die bisherigen Bewohner sehen sich gezwungen umzuziehen.
Wie willst du das verbieten? Ganz im ernst. Wie?
Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Da ist eine heruntergekommene Stadt vor den Toren von Berlin. Die Mieten da sind billig! Jetzt gibt es Leute aus Berlin die arbeiten Remote, oder fahren mit dem Zug in die Stadt oder es macht ihnen nichts aus einen längeren Arbeitsweg zu haben und sie ziehen in diese Stadt. Beginn der Gentrifizierung.
Wie verhinderst du das? Verbietest du, dass wohlhabende Menschen da hin ziehen? Musst du beim Einwohnermeldeamt vorweisen wie viel du verdienst und wenn es zu viel ist darfst du nicht umziehen? Aber wollen Gemeinden nicht Gutverdiener?
Es gibt wahrscheinlich Möglichkeiten Gentrifizierung zu erschweren oder zu verzögern. Aber mir fällt nicht ein, wie man es verbieten könnte.
Klingt für mich wie die Schaffung von Ghettos.
Ganz ehrlich: Wenn wir Wohnhochhäuser haben in denen du nur wohnen darfst wenn du beweist, dass du arm bist (und am besten ausziehen musst wenn du der Armut entkommst): Schaffen wir damit nicht Ghettos?
Das ist nicht als Provokation gedacht und ich meine das nicht als rhetorische Frage: Was du beschreibst klingt für mich wie die absichtliche Schaffung von Ghettos. Von Slums. Von Elendsvierteln.
Nein, es geht ums exakte Gegenteil, da nicht alle Wohnungen in diesen Häusern Sozialwohnungen sein dürfen sondern alles vorhanden sein muss von eben Sozialwohnungen bis Luxuswohnung (Ich sehe Segregation als massives Problem für einen Stadtteil).
Das Problem ist aber aber, dass das bei Einfamilienhäusern und kleineren Mehrfamilienhäusern nicht nur schwierig ist sondern private Wohnungsbauunternehmen auch viel lieber Luxuswohnungen als Sozialwohnungen anbieten bzw. lieber beides getrennt (da sich Luxuswohnungen in teuren Vierteln zu höheren Preisen verkaufen lassen)
Wohnhochhäuser müssen dabei auch nicht immer unattraktiv sein, sondern sind im Idealfall als Vertikale Wälder gestaltet (was auch gut fürs Klima und die Luftqualität des Staadtteils ist) und schaffen platz für Parkanlagen u.ä. welche den Stadtteil noch attraktiver macht obwohl es mehr Wohnungen gibt (das schlimmste an Platzineffiziens sind wirklich Einfamilienhäuser mit kleinen Privatgärten)...
Ich weiß dein Herz ist am rechten Fleck und ich will nicht sagen, dass sowas generell nicht funktionieren kann, doch realistisch gesehen wird sowas nicht passieren.
Wenn du ein Wohnhochhaus hast, in dem es Sozialwohnungen und normale Wohnungen und Luxuswohnungen gibt, dann werden Leute die sich die Luxuswohnungen leisten können, trotzdem woanders etwas suchen. Die meisten wollen lieber ein schickes kleines Haus auf eigenem Boden vor der Stadt, als eine günstige Luxuswohnung nebenan vom Hartzer (und ich übertreibe hier absichtlich).
Ein eigenes Haus hat einen besonderen Reiz dem du den meisten Menschen nicht austreiben kannst. Vor allem wenn dann die Familie da ist, klingt eine Wohnung in einem urabenen Ballungsraum mit vielen Sozialwohnungen im Kiez wie ein Alptraum. Wer will das mitmachen um zu beweisen, dass er ideologisch auf der richtigen Seite steht?
Die Ideen Hochhäuser als eine Art Dorf in der Stadt oder wie du es schreibst vertikale Wälder zu machen (im Gegensatz zu horizontalen Wäldern?) sind nette Ideen und sie wurden schon ausprobiert. Ich war in Hochhäusern von Le Corbusier und während unser Architekturführer davon schwärmte was für hochtrabende Ideen er mit sowas hatte und dass die einzelnen Stockwerke "Straßen" heißen, als die Straßen eines Dorfes und die Treppenhäuser sind die Plätze, dachte ich nur: "Ich will hier nicht wohnen." Und da war ich noch jung, unverheiratet, keine Kinder und die Vorstellung in einer Großstadt zu wohnen war noch nicht beängstigend sondern verlockend.
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Andererseits habe ich auch keine richtige Lösung, außer Wohnen generell wieder billig zu machen und die Gesellschaft reicher.
Das stimmt so mWn nicht grundsätzlich sondern hat mit Jahrzehntelanger Lobbyarbeiter der Bodenspekulanten zu tun; auf der anderen Seite funktioniert es wohl durchaus z.B. in China aber auch im nicht realsozialistischen Taiwan oder in den Ballunsgzentren Tokyos und war vor gut 100 Jahren auch in den USA noch der Fall wo die Leute in die neuartigen Hochhäuser wollten (damals gab es übrigens auch ein gut ausgebautes Straßenbahnnetz dort bevor die Fossilelobby eine massive "Individualverkehr und Highways sind Freiheit" startete und massiv Geld in den Wahlkampf von Kandidaten Pumpte die diesen Narrativ übernahmen) - damals war das Penthouse auf einem Wolkenkratzer der Inbegriff des Luxus - nur ist das halt für Bodenspekulanten usw. nicht so Geil...
Segregation ist ein massives und zu bekämpfendes Problem nicht nur für ärmere sondern auch für die Staatteile.
Neben der Gentrifizierung ist hier aber auch die Ghettoisierung ein Problem (das heißt wenn wohlhabendere Menschen aus den statteilen weg zu ziehen beginnen, weil die einen "schlechten Ruf" haben, da denen dann gerne auch die Infrastruktur wie Kaffees, Einkaufsmöglichkeiten usw. folgt.
Anzustreben ist also eine hohe Durchmischung verschiedener Schichten und dafür kann eine gewisse Gentrifizierung in ärmeren Vierteln genauso wie Sozialwohnungsbau in Reichenvierteln sinnvoll sein, solange dadurch die Durchmischung verschiedener Schichten erhöht anstelle reduziert wird.
so die welt nicht funktioniert. Das ist ja kein plan jemand zu vertreiben sondern es passiert automatisch wenn sich ein stadtteil wandelt.
z.B. durch den Bau bzw. das gezielte Ausweisen von Sozialwohnungen die nur mit einem Wohnberechtigungsschein genutzt werden können bzw. insgesamt Staatlichen (und nicht lediglich staatlich geförderten) Wohnungsbau der dafür sorgt, dass große Wohnhochhäuser anstelle Platzineffiziente Einfamilienhäuschen und eher kleinere Mehrfamilienhäuser entstehen, was zu einer Wohnungsknappheit führt.