ZwillingParadoxon einfach erklärt?

4 Antworten

Hallo Steffi472,

das Paradoxon liegt darin, dass

▪︎Fortbewegung relativ ist, d.h., wenn wir eine Uhr U als stationär ansehen und sich eine zweite Uhr U' relativ zu U mit konstanter 1D-Geschwindigkeit ¹) v bewegt, können wir ebensogut U' als ruhend und U als mit −v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegt ansehen. Anders ausgedrückt: Ein von U aus definiertes Koordinatensystem Σ und ein von U' aus definiertes Koordinatensystem Σ' sind physikalisch gleichwertig. Dies ist GALILEIs Relativitätsprinzip (RP), und auf ihm beruht auch die SRT. Ein schönes Zahlenbeispiel ist v = 0,6∙c.

▪︎Die SRT sagt aber andererseits aus, dass bewegte Uhren um einen Faktor

(1) 1⁄γ := √{1 − (v⁄c)²}

(bei v = 0,6∙c also 0,8) langsamer gehen, d.h., dass sie nach 10 s auf einer ruhenden Uhr nur 8 s anzeigen. Wenn allerdings Fortbewegung relativ ist, welche Uhr geht dann langsamer, U oder U'?

Dies ist als Uhrenparadoxon bekannt. Solange sich die Uhren mit konstanter Geschwindigkeit relativ zueinander bewegen, ist es tatsächlich reine Interpretationssache, welche Uhr die langsamer ist.

Von einer Uhr aus kann man die andere ja nicht direkt mit ihr vergleichen, von dem Moment abgesehen, in dem sie aneinander vorbeikommen (falls der Abstand dann klein genug ist). Wenn U von U' ein Signal mit Zeitstempel erhält (oder umgekehrt), hängt die Antwort auf die Frage, wann dieses Signal abgeschickt wurde, davon ab, ob wir U oder U' als stationär ansehen.

Das Zwillingspardoxon geht allerdings von der Reise eines Zwillings mit Rückkehr aus, und nach der Rückkehr können sich beide ihre Uhren sehr wohl direkt miteinander vergleichen. Wenn wir annehmen, dass der Reisende mit 0,6c zu einem 6 Lichtjahre entferntes Ziel reist, braucht er dafür nach einer erdgebundenen Uhr U eine U- Koordinatenzeit von Δt = 10 Jahren, nach seiner eigenen die Eigenzeit von Δτ = 8 Jahren.

Die Argumentation lautet nun:

"Wenn wir den bleibenden Zwilling als ruhend betrachten, müsste der Reisende langsamer altern; nach dem RP müssen wir aber ebensogut den Reisenden als Ruhe betrachten können, und deshalb müsste der bleibende derjenige sein, der langsamer gealtert ist; also kann die "Zeitdilatation" in Wirklichkeit gar nicht stattfinden, weil das sonst ein Widerspruch wäre."

Auflösung des Paradoxons

Dieses Argument berücksichtigt freilich eines nicht: Die Geschwindigkeit der Erde und auch des Ziels ist nach Betrag und Richtung konstant. Folglich können wir den Reisenden nur entweder auf dem Hinweg oder auf dem Rückweg zu einem, sagen wir, als stationär ansehen.

Rechnen wir z.B. im Koordinatensystem Σ', in dem Erde und Ziel mit −0,6c unterwegs sind: In Σ' sind Erde und Ziel nur 4,8 Lichtjahre voneinander entfernt (ein Phänomen, das leider immer noch "Längenkontraktion" genannt wird)). Der Reisende verlässt zur Zeit t' = 0 die Erde, bremst auf 0 ab und wartet auf das Ziel. Mit seiner Geschwindigkeit von −0,6c braucht es 8 Jahre, um ihn zu erreichen. In der Zwischenzeit muss sich die Erde um 4,8 = 24⁄15 Lichtjahre entfernt haben, und ihre Uhr sollte jetzt 6,4 Jahre anzeigen.

Der Reisende beschleunigt wieder auf −0,6c, um dieselbe Geschwindigkeit wie das Reiseziel zu haben und sich dort aufhalten zu können. Dann beschleunigt er weiter, um die Erde einzuholen. Um relativ zur Erde −0,6c zu haben, muss er in Σ' auf −15⁄17∙c beschleunigen. Der Abstand zwischen ihm und der Erde verringert sich ab jetzt mit dem Differenztempo (15⁄17 − 3⁄5)c = (75⁄85 − 51⁄85)c = 24⁄85∙c und erreicht sie in 24⁄5 ly/24⁄85∙c = 17 Jahren. Während dieser Zeit ist seine Uhr allerdings um den Faktor 8⁄17 langsamer gegangen, weshalb er 8 Jahre Eifenzeit braucht. Die erdgebundene Uhr ist nur um den Faktor ⅘ langsamer gegangen, d.h. während der Rückreise sind auf der Erde 12,6 Jahre vergangen, was sich mit den zuvor vergangenen 6,4 Jahren zu 20 Jahren aufaddiert.

In einem Koordinatensystem Σ", in dem Erde und Ziel mit +0,6∙c unterwegs sind, beschleunigt der Reisende zuerst von dieser Geschwindigkeit auf 15⁄17∙c, um das Ziel in 8 Jahren Eigenzeit (also 17 Jahren Koordinatenzeit) einzuholen, und auf der Erde vergehen derweil 12,6 Jahre. Dann bremst er zunächst auf 0,6c ab und dann auf 0, um auf die Erde zu warten, was 8 Jahre dauert; auf der Erde vergehen derweil weitere 6,4 Jahre; auch das addiert sich zu 20 Jahren auf.

Fazit: Egal in welchem Koordinatensystem wir rechnen, die Uhr des Reisenden zeigt 16 Jahre an und die erdgebundene Uhr 20.

Der optische DOPPLER-Effekt

Wir sollten übrigens nicht die falsche Vorstellung haben, dass man von U aus U' um den Faktor 0,8 langsamer und zugleich von U' aus U um den Faktor 1,25 schneller laufen sähe. Vielmehr

  • sieht man von U aus U' schneller laufen und umgekehrt, solange sich die Uhren nähern und
  • von U aus U' langsamer laufen und umgekehrt, wenn U und U' aneinander vorbei gezogen sind und sich wieder voneinander entfernen.

Das geht mit dem optischen DOPPLER-Effekt einher; das komplette Signal von einer Uhr kommt gestaucht bzw. gestreckt bei der anderen an. Aber um welchen Faktor jeweils?

Nun, wenn wir U als stationär und U' als bewegt ansehen, würden wir erwarten, dass in der Annäherungsphase

  • Signale von U mit um das (1 + v⁄c)- fache (hier das 1,6- fache) höherer Freqenz bei U' und
  • Signale von U' mit um das 1/(1 − v⁄c)-fache (hier also das 2,5- fache) höherer Frequenz ankommen.

Falls wir U' als stationär und U als bewegt ansehen, würden wir das genau Umgekehrte erwarten.

In jedem Fall käme das Echo eines Signals von einer Uhr zur anderen käme mit einer um den Faktor

(1 + v⁄c)/(1 − v⁄c) (hier 1,6∙2,5 = 4)

erhöhter Frequenz zum Absender zurück.

Wenn nun der optische DOPPLER-Effekt asymmetrisch wäre (wie es der akustische tatsächlich ist), könnte man durch Austausch von Signalen mit dem jeweils Anderen bekannter Frequenz herausfinden, wer sich bewegt und wer nicht.

Nach dem RP sollte das nicht möglich sein, weshalb der optische DOPPLER-Effekt symmetrisch sein muss, d.h. jede der beiden Uhren muss für ein Signal von der jeweils anderen eine um den Faktor

(2) K := √{(1 + v⁄c)/(1 − v⁄c) (hier 2)

erhöhte Frequenz messen, solange sie sich einander nähern.

________

¹) Geschwindigkeit Sinne von engl. 'velocity' ist eine Vektorgröße, d.h. eine Größe mit Richtung v› = (vx | vy | vz), wobei die Komponenten vx, vy und vz auch negativ sein können.

Was wir in der dt. Alltagssprache oft 'Geschwindigkeit' nennen und mit v (ohne das Vektor- Zeichen '›') bezeichnen, wird im Engl. 'speed' genannt und ist nur der Betrag v = √{vx² + vy² + vz²} der Geschwindigkeit; man kann es gut mit 'Tempo' wiedergeben. Auch die Lichtgeschwindigkeit ist eigentlich ein Tempo (engl. 'speed of light'), das meist mit c bezeichnet wird.

Oben meine ich mit v aber nicht das Tempo, sondern eine 1D-Geschwindigkeit, d.h. ich berücksichtige der Einfachheit halber nur eine Raumdimension, wo das möglich ist. Eine 1D-Geschwindigkeit kann immer noch positiv oder negativ sein.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT

Ein Zwilling fliegt mit ner Rakete 'fast' mit Lichtgeschwindigkeit nach alpha-Centauri (ca. 4 Lichtjahre/4 Jahre) und wieder zurück. Der Pilot war 35 Jahre alt und ist (fast) genauso alt, wenn er zurück kommt, während sein Zwillingsbruder jetzt 43 ist, leicht graue Haare hat, dazu einen Bauchansatz und eine Lesebrille braucht!

Die Zeit für den Bruder verging normal schnell, während die des Zwillings, in der Rakete stark verlangsamt war.

Steffi472 
Fragesteller
 29.03.2024, 22:23

Danke für deine Antwort aber warum ist das so

1
Spikeman197  29.03.2024, 22:26
@Steffi472

Je schneller man sich bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit, im Vergleich zu ruhenden Objekten. Daher kommt der Spruch 'Alles ist relativ.' Weil sogar die Zeit relativ ist.

Relevant wird das aber erst, wenn man einen anständigen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit erreicht! 10 %, 50 %, 80 %, 90 %, 95 %, 98 %, 99 %, 99,5 %, 99,8 %, 99,9 %, 99,99 % usw.

0
Steffi472 
Fragesteller
 30.03.2024, 12:59
@Spikeman197

Hey, danke für deine Antwort aber warum altert der Mensch dann langsamer das würde dann doch bedeuten das man theoretisch zb 5mal solang leben würde wie auf der Erde aber die menschlichen Zellen können doch nich 5mal solang sie Funktion oder?

0
SirKermit  30.03.2024, 05:37
Die Zeit für den Bruder verging normal schnell, während die des Zwillings, in der Rakete stark verlangsamt war.

Sicherheitshalber dazu als Ergänzung: keiner der beiden bemerkt für sich persönlich, dass seine Zeit anders verläuft. Er bemerkt es nur, wenn er die Uhren beim anderen Zwilling sieht (einfach ausgedrückt)

0
Steffi472 
Fragesteller
 31.03.2024, 16:49
@SirKermit

Danke für eure Antworten wie wäre es dann wenn man unendlich lange mit Lichtgeschwindigkeit fliegen würde beutet dies dann das man auch unendlich lang lebt weil die Zeit nicht weiter läuft

0
SirKermit  31.03.2024, 17:05
@Steffi472

Noch einmal: die eigene Zeit verläuft so, wie wir es gewohnt sind. Du selber alterst genau so wie bisher, egal, wie schnell du dich bewegst.

0
Steffi472 
Fragesteller
 31.03.2024, 23:31
@SirKermit

Aber warum ist der eine Zwilling dann älter als der andere wenn der mit Lichtgeschwindigkeit reißende wieder ankommt

0
SirKermit  01.04.2024, 06:55
@Steffi472

Jeder hat seine eigene Zeit, die für ihn selber ganz normal abläuft. Der Zwilling auf der Erde beobachtet, dass die Zeit in der Rakete langsamer abläuft und daher altert der in der Rakete langsamer.

Umgedreht beobachtet der Zwilling in der Rakete, dass sein Bruder auf der Erde deutlich schneller altert als selber.

0
Steffi472 
Fragesteller
 01.04.2024, 11:47
@SirKermit

Also altert der auf der Erde wirklich schneller und der in der Rakete lebt bis er landet weiter ohne älter zu werden

0
Spikeman197  01.04.2024, 12:05
@Steffi472

Wiemgesagt: Je dichter man an der Lichtgeschwindigkeit dran ist, desto langsamer vergeht die Zeit. Für einen absoluten Stillstand müsste man 100 % Lichtgeschwindigkeit haben, was für Objekte mit einer Ruhemasse nicht funktioniert.

Dazu ist auch der Rest technich nicht möglich.

0
Steffi472 
Fragesteller
 02.04.2024, 11:49
@Spikeman197

Hey beim zwillingParadoxon wird aber angenommen es geht und der Mensch fliegt mit Lichtgeschwindigkeit oder es wird nur festgelegt das es nicht schneller als Lichtgeschwindigkeit geht oder?

0
Spikeman197  02.04.2024, 16:14
@Steffi472

Nein, es wird immer FAST Lichtgeschwindigkeit angenommen, wenn es korrekt gemacht wird.

0
Steffi472 
Fragesteller
 04.04.2024, 12:23
@Spikeman197

okay also altert der man im Raumschiff auch nur viel weniger

0

die Zeitdilatation zwischen zwei Inertialsystemen gilt symmetrisch, jeweils im Koordinatensystem des anderen. Dass der reisende Zwilling nach seiner Rückkehr tatsächlich jünger ist als sein daheimgebliebener Bruder, liegt daran, dass er zwei Beschleunigungen und zwei Bremsungen durchgemacht hat (und der Bruder nicht), er also kein wirkliches Inertialsystem ist.

Spikeman197  30.03.2024, 14:30

Es liegt doch nicht nur an den Beschleunigungen, sondern auch an der hohen Geschwindigkeit! Je länger und schneller man unterwegs ist, desto größer wird der Zeitunterunterschied!

Theoretisch könnte man innerhalb der eigenen Lebenszeit mehrere 100 Ly weit reisen, allerdings sind dann alle die man auf der Erde kannte tot!

0
hologence  30.03.2024, 15:39
@Spikeman197

was an "symmetrisch" ist missverständlich? Nicht nur der eine sieht den andern langsamer altern, sondern auch der andere den einen. Solange alle Geschwindigkeiten konstant sind, haben beide gleich recht.

0

https://de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsparadoxon

Nachtrag:
Dafür, dass diese Erklärung "einfach" ist, will ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Ich selbst habe es zwar gelesen, aber nicht wirklich begriffen.😁😁