Wie wird im Rettungsdienst bei Patienten mit einer akuten Anaphylaxie ("allergischer Schock") gehandelt?

6 Antworten

Wenn der Patient sich in einer akut lebensbedrohlichen Situation befindet, dann ist die Ursache, sprich das Allergen ersteinmal Nebensache, es geht zunächst ersteinmal darum das Leben des Patienten zu retten. Außerdem ist nicht jede Ursache überhaupt zu beseitigen, ist der Auslöser zum Beispiel ein Lebensmittel und der Patient hat es geschluckt und im Magen, dann lässt es sich nicht mehr beheben.

Im Bezug auf die Notfallbehandlung nimmt der Auslöser, also das Allergen ersteinmal eine absolut untergeordnete Position ein, nach Möglichkeit sollte er natürlich dennoch schnellstmöglich beseitigt werden, damit nicht noch mehr des Allergens in den Körper aufgenommen wird, aber eben nach Möglichkeit, heißt wie oben bereits beschrieben ist, bei Nahrungsmitteln ist es nicht möglich, den Insektenstachel sollte man natürlich schnellstmöglich herausziehen/entfernen, da der Insektenstich dann die wahrscheinlichste Ursache ist.

Notfallbehandlung:

1.) Wenn möglich die Ursache beseitigen, so wie oben beschrieben,

2.) Lagerung nach Kreislaufsituation und hochdosierte Sauerstoffgabe,

3.) Adrenalingabe intramuskulär (i.m.) nach den Vorgaben der jeweils aktuell gültigen Leitlinie des ERC (Algorithmus Anaphylaxie), aktuell gültig: Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren 0,5 mg i.m., Kinder zwischen 6 und 12 Jahren 0,3 mg i.m. und Kinder unter 6 Jahren 0,15 mg i.m. Die Verabreichung erfolgt jeweils pur in den Muskel, meist in den Oberschenkelmuskel, keine Verdünnung!. Adrenalin intravenös soll nur durch absolute Profis (Anästhesisten etc.) erfolgen.

4.) Antihistaminika (Histaminblocker). Histamin ist der Stoff, der die Ursache der Allergie ist, er wird bei Kontakt mit dem Allergen von den Mastzellen ausgeschüttet, bei Allergikern jedoch übermäßig, sodass dann die Anaphylaxie daraus resultiert. Jedoch gibt es laut den Aussagen in dem unten verlinkten Video von zwei Notärzten für die Wirksamkeit von Antihistaminika bei Anaphylaxien anscheinend keine wissenschaftlichen Belege, die Verabreichung erfolgt wohl eher nach dem Motto "Es kann keinen zusätzlichen Schaden verursachen und es hilft in der Theorie", das wichtigste Notfallmedikament ist das Adrenalin!.

5.) Sehr engmaschige Überwachung von Atmung und Kreislaufsituation (Puls, Blutdruck, EKG, SpO2 Messung, Atemfrequenz), ggf. noch weitere Medikamente und Maßnahmen, nach Einschätzung des jeweiligen Einzelfalles.

Hinweis: das geschriebene ersetzt natürlich keine fundierte notfallmedizinische Ausbildung und Fortbildung und es stellt keine Berechtigung dar, die oben beschriebenen Maßnahmen durchzuführen (das ist aber hoffentlich sowieso logisch). Mfg.

https://youtu.be/j7A_bffkny8

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.
Rollerfreake  20.11.2019, 15:01

Und eine Volumentherapie, diese hatte ich vorhin vergessen zu erwähnen.

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Im wesentlichen wird man sich an diesem Algorithmus orientieren.

http://rega-algorithmen.ch/content/uploads/2014/09/2.4-1-728x1024.png (vereinfachte Version)

http://www.dgaki.de/wp-content/uploads/2015/09/Anaphylaxietherapie-Algorithmus-K.Brockow-2013.jpg (ausführliche Version)

Details können örtlich variieren. Das liegt halt an der Struktur des Rettungsdienstes.

Aber grundsätzlich gilt:

  • Lagerung, Sauerstoff, wenn möglich Auslöser entfernen
  • Adrenalin in dem Muskel (oder in die Vene)
  • Schnelle Volumengabe über Infusion
  • Histaminblocker in die Vene (Fenestil, ggf Ranitic) sowie Kortison in die Vene
Man kennt doch dann den Auslöser nicht und dieser muss doch eigentlich vor einer Behandlung geklärt werden, oder?

Der Auslöser ist nicht wichtig. Weil eine allergische Reaktion immer denselben Mechanismus hat. Und du dadurch mit den Maßnahmen aus dem Algorithmus immer hin kommst, egal was es war. Dafür ist der ausführliche Algorithmus halt auch etwas komplizierter.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich weiß, wie der Körper funktioniert.

Anaphylaktische Schocks werden meines Wissens mit Adrenalin behandelt & reinem Sauerstoff mglw mit Intubation. Erstmal geht es um das Überleben des Patienten. Daher sind Ausweise für chronisch Kranke echt sinnvoll.

Der Algorithmus wurde ja schon oft genug genannt, muss ich nicht wiederholen. Aber ich glaube, diese Frage wurde noch nicht ausreichend beantwortet:

Man kennt doch dann den Auslöser nicht und dieser muss doch eigentlich vor einer Behandlung geklärt werden, oder?

Die Behandlung ist eigentlich rein symptomatisch. Die Gefäße werden weit gestellt -> man gibt Adrenalin, um sie wieder enger zu stellen. Der Körper verliert viel Flüssigkeit -> es wird per Infusion Flüssigkeit nachgefüllt. Der Körper schüttet zu viel Histamin aus -> es wird ein Antihistaminikum verabreicht. Die Schleimhäute der Atemwege schwellen an -> es wird Adrenalin inhaliert, das sie abschwellen lässt.

Und dafür braucht man tatsächlich nicht wissen, was genau jetzt eigentlich der Auslöser für die Anaphylaxie ist.

Wir führen nichts mit, was irgendwie als Gegengift gegen Nüsse, Wespengift oder Katzenhaar geeignet wäre. Wenn es so etwas überhaupt gibt (?). Natürlich sind wir bestrebt, das Allergen zu entfernen; z.B. den Wespenstachel rausziehen. Das hat den Zweck, dass der Körper dem Allergen nicht noch länger ausgesetzt ist und dass wir nicht dauerhaft gegen die Symptome arbeiten müssen, sonden nach einer relativ kurzen Stressphase eigentlich "save über den Berg" sind.

Clabautermann  28.11.2019, 06:58

Sehr gute Antwort, nur eine Kleinigkeit: wenn ein Stachel da ist, war's eine Biene. Wespen können ihren Stachel rausziehen und mehrmals einsetzen.

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Die Rettungsdienste haben einen Reihenfolge von Massnahme die nur durch eventuelle Nebenerkrankungen variieren.

Generell erstmal Atropin, Antihistamin und Kortikoide + Atmung- Kreislaufunterstützung + Zugang.

Wenn es sein mußt, Atropin Injektion wiederholen.

Selbstverständlich ist ein Befragung des Patient hilfreich wenn er bei Bewußtsein ist.

Vielleicht ist auch schon geeignete Medikamenten und/oder Injektoren beim Patient.

Oder eben ein allergiker Ausweis. Oder er ist bereits bei einen Allergiezentrum aktenkündig.

Aber im Zweifel, Atropin und je nach Symptome andere Medikamenten zu Verminderung und unterstützung der Lebenswichtige Funktionen.

ozz667  20.11.2019, 06:55

Atropin ist aber in sämtlichen Leitlinien nicht mehr drin. Und, bringt auch nix. Problem ist ja der Druck. Frequenz hat er ja mehr als ausreichend.

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fernandoHuart  20.11.2019, 22:48
@ozz667

Ich recherchiere nochmals. Mit Krotikoide meinte ich Kortikosteroide. Sorry Finger sind zu langsam. :-) <-

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