Wie wichtig ist die freiwillige Feuerwehr?

7 Antworten

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit ca. 150 bis 175 Jahren eines der engmaschigsten Netze aus Feuerwehren der ganzen Welt.

Denn tatsächlich hat jedes Dorf mit mehr als 5 Häusern sein eigenes Feuerwehr-Häusl und zumindest einen Anhänger mit einer "Tragkraftspritze", welche rim Einsatzfall mit einem Traktor gezogen wird.

Das ist historisch gewachsen - und ein Segen für die Bundesrepublik Deutschland - nicht mehr und nicht weniger. Da Feuerwehrleute seit Jahrzehnten auch in Erster Hilfe ausgebildet werden, hat man somit sogar ein extrem engmaschiges Ersthelfer-Netzwerk.

Stellen wir uns doch einfach mal vor, was passieren würde, wenn die ganzen Freiwilligen Feuerwehren wegfallen würden - am Beispiel des Freistaates Bayern.

Zitat: (https://www.lfv-bayern.de/informationen/statistiken/):
Von den 7.521 Freiwilligen Feuerwehren, 7 Berufsfeuerwehren, 156 Werkfeuerwehren und 53 Betriebsfeuerwehren sind insgesamt 7.257 Feuerwehren mit 330.876 Aktiven im LFV Bayern organisiert.

Auch wenn die Werk- und Betriebsfeuerwehren nicht im Verband organisiert sind, sind die Zahlen doch bemerkenswert - denn, laut Wikipedia hat der Freistaat

  • 2056 politisch selbstständige Städte und Gemeinden (NICHT Landkreise)
  • rund 13 Millionen Einwohner
  • damit pro 40 Einwohner EINEN Feuerwehr-Mann/Frau!

Natürlich sind das nur rechnerische Zahlen, weil es nun einmal ein Unterschied gibt zwischen der Freiwilligen Feuerwehr Andermannsdorf mit 400 Einwohnern und der Freiwilligen Feuerwehr Erlangen mit über 100.000 Einwohnern!

Lassen wir die 7521 Freiwilligen Wehren wegfallen - und versuchen diese, durch Berufswehren zu ersetzen.

Dabei kommt heraus:

  • dass kaum eine Gemeinde tatsächlich das Geld hat, neben der Ausrüstung der Feuerwehr auch noch das Personal zu beschäftigen. Die Ausrüstung ist schon teuer genug.
  • dass es einfach nicht genügend Brände, Rettungs- und Hilfeleistungseinsätze gibt, um die gleichen Anzahl von Einsatzkräften hauptamtlich zu beschäftigen.
  • dass sich kaum eine Gemeinde es leisten kann, dass Einsatzkräfte wochenlang herumsitzen und ausser Kosten (Ausbildung, Fahrzeug- und Materialwartung) nichts produziert.

Man müsste in diesem Fall die Anzahl der Feuerwehr-Stützpunkte ganz drastisch uns massiv reduzieren. Klar - eine Stadt wie Erlangen könnte sich problemlos eine 100%ige Berufswehr leisten. Aber schon der andere Teil des Landkreises "Erlangen-Höchstadt" (also im Endeffekt der Landkreis Erlangen) könnte dies nicht mehr - und müsste von einer Berufswehr in Erlangen versorgt werden.

Heraus kommen dann ...

  • Milliarden-Schäden und
  • Tausende von Toten

... weil die Feuerwehr nicht rechtzeitig eintrifft bzw. eintreffen kann!

Denn je weniger Wehren es gibt, desto größer muss der Abstand zwischen diesen werden.

Man kann das Ganze ja mal mit den Rettungswachen in Bayern vergleichen (siehe Jahresbericht Rettungsdienst 2022):

Für die gleiche Fläche und die gleiche Anzahl von Bewohnern gibt es gerade mal 484 Rettungswachen und Stellplätze mit mindestens einem Rettungswagen! Das sind minimal (484 x 2) 968 Einsatzkräfte, welche jetzt in dieser Stunde einsatzbereit sind - also gerade mal EINE Einsatzkraft pro 13.000 Einwohner!

Ja, das Rettungsdienstnetz ist etwas engmaschiger, da manche Rettunsgwachen mehr als einen Rettungswagen im Dienst haben. Es bleiben dennoch nur 484 Rettungswachen und Stellplätze - im Gegensatz zu den 7737 Feuerwachen!!!

... und das sind nur die Verhältnisse in Bayern (weil ich dazu einen Bezug habe). In anderen Bundesländern können diese Zahlen anders aussehen - vor allem weil dort die Berufsfeuerwehren auch zum Teil im Rettungsdienst aktiv sind.

Ich hoffe, es wird jetzt klar, das eine funktionierende Menschengemeinschaft nicht auf eine Feuerwehr verzichten kann - sei diese noch so klein und so unterbesetzt und so unterirdisch ausgerüstet

Und die gleiche Menschengemeinschaft kann nicht auf Menschen verzichten, welche diese Hilfe freiwillig, ehrenamtlich, unentgeltlich und ausdrück FÜR ANDERE MENSCHEN leisten!

Woher ich das weiß:Recherche
bablbrabl123 
Fragesteller
 18.03.2024, 15:32

Danke für die sehr gute Antwort - das ist auch mein Eindruck und hebt die Bedeutung dieses Eherenamtes hervor!

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Traveller5712  19.03.2024, 10:08
@bablbrabl123

Ich bin ja mit Leib und Seele Rot-Kreuzler und habe somit ein etwas ambivalentes Verhältnis zu Feuerwehren allgemein (weil sie uns die Interessenten "klauen"), erkenne aber selbstverständlich den Stellenwert der Freiwilligen Feuerwehren für die Gesellschaft und meine Mitmenschen ohne Vorbehalte an ;-)

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Das Rettungssystem in Deutschland ist eines der besten der Welt. In Deutschland hat jeder Mensch das Recht auf eine schnelle Rettung aus lebensbedrohlichen Lagen. Dies ist in dieser Form aber nur mit dem bei uns üblichen Mix aus Haupt- und Ehrenamt möglich.

Man könnte die Freiwilligen Feuerwehren nicht 1:1 durch Berufsfeuerwehren ersetzen. Das wäre schlichtweg unbezahlbar - und die einzelnen Berufsfeuerwehren hätten nicht viel zu tun.

Anders herum würden wir uns bei einer Umstellung auf ein reines Berufsfeuerwehrsystem in eine 2-Klassen-Gesellschaft verwandeln wenn wir auf weniger Berufsfeuerwehren mit einem jeweils größeren Einsatzradius setzen würden. Dann wären die jeweiligen BF zwar gut ausgelastet, die Wege wären aber deutlich länger und das Leben "auf dem Lande" damit deutlich unsicherer als in der Stadt. Zudem würde die Berufsfeuerwehr bei größeren oder längeren Lagen sehr schnell an ihre Kapazitätsgrenze stoßen.

Das sieht man ja in vielen anderen Ländern, in denen es nur Berufsfeuerwehren gibt. In abgelegenen Bereichen gibt es dort entweder gar keine Hilfe oder aber man musst stundenlang auf Hilfe warten.

Insofern: Das System als Ganzes würde sicher nicht kollabieren, aber das uns bekannte System bzw. der aktuell hohe Sicherheitsstandard würde deutlich sinken.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Stv. Wehrführer und Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr
Benito0330  18.03.2024, 11:20

Man braucht ja nur mal nach England gucken. Wenn da die Ambulanz gerade unterwegs ist, Nähe London zum Beispiel, dann warteste, aber wie!

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bablbrabl123 
Fragesteller
 18.03.2024, 11:41
@Benito0330

Krass, da ist die 10 Minuten Hilfsfrist in Deutschland wirklich ein wahrer Luxus.

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Das Rettungssystem in Deutschland könnte in dieser Form nicht aufrecht erhalten bleiben. Eine Lösung die nur Hauptamtlich funktioniert, würde zu weniger Standorten mit deutlich längeren Anfahrtzeiten führen.

In Dänemark gibt es ein 100 % hauptamtliches System, dort gibt es 285 Feuerwachen, damit deckt im Schnitt jede Feuerwache eine Fläche von 150 km² ab.

In Deutschland hat jede Feuerwehr, nicht mal jede Wache(!) eine Fläche von 16 km² als Erstangriff abzudecken.

In Dänemark gibt es 358 Löschfahrzeuge, die Berliner Feuerwehr alleine (!) hat 218 Löschfahrzeuge.

Es würde sicherlich funktionieren, aber nicht auf dem Niveau wie wir es jetzt haben!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Zugführer in einer größeren bayerischen Feuerwehr
bablbrabl123 
Fragesteller
 18.03.2024, 11:34

Krass, welche Rettungsfrist gibt es dann in Dänemark? Bei uns sind es ja 10 Minuten...

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JuniorBJ92  18.03.2024, 11:38
@bablbrabl123

Das weiß ich nicht, das konnte ich nur vor einiger Zeit mal raussuchen, weil die Daten über die Anzahl der Wachen öffentlich einsehbar ist.
Aber 10 Minuten sind in der Fläche hauptamtlich unmöglich. Bei der FF wird für die 10 Minuten ein Aktionsradius von 6 km gerechnet, bei einer BF wären es vielleicht 8 km und das kann niemand bezahlen.

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bablbrabl123 
Fragesteller
 18.03.2024, 11:40
@JuniorBJ92

Das ist ein großer Nachteil der Hauptamtlichen... und bei sehr vielen Einsätzen kommt es wirklich auf die Minute drauf an...

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JuniorBJ92  18.03.2024, 11:42
@bablbrabl123

Und selbst in unseren Großstädten mit BF sieht man ja, das die ohne FF die mit Löschen oder eine Wachbesetzung machen nicht auskommen würden.

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Die Freiwilligen Feuerwehren sind eine wichtige Säule des Katastrophenschutzes und unverzichtbar für die Notfallversorgung und Brandbekämpfung. Die Angehörigen der Feuerwehren retten täglich Menschen das Leben und leisten einen wichtigen Betrag für die Sicherheit der Bevölkerung.

Kollabiert nicht direkt. Aber es würde längere Wartezeiten oder stärkere Schäden geben da mehr Dinge stärker Priorisiert werden müssten was dazu führ das andere Dinge länger warten müssten. Ich finde Es dennoch sehr gut wenn Menschen das machen. Mein größten Respekt an alle Freiwilligen die täglich ihr Leben Riskieren. 🫡

bablbrabl123 
Fragesteller
 18.03.2024, 11:31

Naja, es gibt Bayern weit 7 Berufsfeuerwehr, der Rest ist freiwillig. Das heißt die Feuerwehr müsste erstmal teilweise eine Stunde anfahren, bevor sie jemanden aus dem Auto schneiden können oder ein Feuer löschen können. Das würde ich schon als kollabieren bezeichnen. Gibt zwar noch 160 berufliche Werksfeuerwehren, doch die sind eig. nur für die Betriebe zuständig.

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JuniorBJ92  18.03.2024, 13:03
@bablbrabl123

Wobei man zu den 7 BF in Bayern noch 18 Städte mit Freiwilliger Feuerwehr mit ständig besetzter Wache dazu zählen. Und von diesen 18 sind mindestens 7 einer Berufsfeuerwehr ebenbürtig. Aber es bräuchte definitiv noch mehr, wirklich besser wirds dadurch aber auch nicht

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