Wie sieht der religiöse Glaube bei Theologen aus?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Ich meine die Frage ernst, obwohl sie provokant und respektlos klingen mag

Ich kann keinen einzigen Grund anführen, warum deine Frage provokant oder gar respektlos sein sollte. Im Theologiestudium habe ich mich ständig mit dieser Frage beschäftigt.

Glauben studierte Theologen, die später Priester werden oder gar höhere Ämter erlangen (bis hin zum Papst) an einen "Gott"?

Unter Theologiestudierenden mit dem Ziel Priesterweihe (röm.-kath. Kirche, altkatholische Kirche, orthodoxe Kirche, anglikanische Kirche) wird man wohl sehr selten Atheisten finden, zumindest theoretische Atheisten, insofern man die Unterscheidung theoretischer und praktischer Atheismus akzeptiert. Ich weiß allerdings, dass es anglikanische Priester bzw. Priesterinnen gibt, die sich ausdrücklich als Atheisten bezeichnen.

Unter Theologen gibt es eine große Bandbreite, vom Atheisten bis zum Fundamentalisten. Die große Mehrheit sind Theisten (im engeren Sinn). Ich akzeptiere nur den trinitarischen Monotheismus als Grundlage der Theologie.

UW1969  07.01.2024, 05:13

Danke für den Stern. :)

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In der akademischen Theologie gehen die Meinungen weit auseinander. Wir hatten in unserer Nachbarstadt einen Pfarrer, der war von dem radikalen Professor Bultmann beeinflußt. In seinen Predigten dozierte er über die historisch-kritische Bibelauslegung und verkündete von der Kanzel, daß die Auferstehung Jesu, die Christen zu Ostern feiern, nie stattfand. Der zweite Pfarrer in der selben Gemeinde war Pietist und predigte das Gegenteil vom ersten. Zurück blieb eine verwirrte Gemeinde, die mehr und mehr dem Gottesdienst fernblieb. Der erste ist jetzt im Ruhestand und spielt nur noch die Orgel, und der zweite ist schon länger tot. Die Nachfolger stehen vor einem Scherbenhaufen.

Zu einem theologischen Studium sollte Bibelkritik unbedingt dazugehören. Ein Hinterfragen des bisher Geglaubten bleibt dabei nicht aus. Der Prediger sollte sich dennoch seiner Verantwortung bewußt sein, die er seinen Zuhörern gegenüber hat. Er sollte sie nicht überfordern. Eine Predigt soll Glauben stärken und nicht Glauben zerstören.

Es gibt auch Bibelschulen, die besonders bei Fundamentalisten beliebt sind. Bibelkritik und Hinterfragen kommen dort aber nicht vor.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich habe Religionspädagogik studiert.
paprikaw22 
Fragesteller
 05.01.2024, 22:39

Ich frage mich halt, warum beispielsweise die Auferstehung Jesu so wichtig ist: Selbst wenn ich davon ausgehe, dass Jesus ein normaler Mensch war, hat er dennoch eine Weltreligion begründet. Dass gewisse Dinge in der Bibel offenbar bloß Metaphern sind, macht sie ja nicht weniger wert. Aber ich muss beispielsweise nicht an die Schöpfung in 7 Tagen wortwörtlich glauben (abgesehen davon, dass es keine Tage geben kann, bevor die Erde erschaffen wurde), genausowenig dass es Adam und Eva tatsächlich gab oder dass Jesus Wasser in Wein verwandelte. Sowas kann ich nicht ernst nehmen und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies jemand tut, der ein Studium absolviert hat. Das sind doch bloß Metaphern - oder etwa nicht? Mir erscheint ein deratiger Gottesglaube als reichlich naiv, aber dennoch sehr sehr weit verbreitet.

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Mayahuel  05.01.2024, 22:52
@paprikaw22
warum beispielsweise die Auferstehung Jesu so wichtig ist:

Wenn schon Bultmann gefallen ist (@uw1969 muss jetzt wieder ein Schnäpschen trinken 😏)

Muss man bei der Auferstehung Jesu glauben, dass ein toter Mensch auferstanden ist? Die historische Dimension dieser Antwort ist klar. Die lautet: Ja. Es gibt in der Menschheitsgeschichte eine Ausnahme. Das Menschenunmögliche ist hier geschehen. Ein Mensch, Jesus von Nazareth ist von Gott aus dem Tode auferweckt worden. Bultmanns Antwort lautet: Wer will, kann so glauben.
Aber die Entmythologisierung, so nennt er nämlich diesen Gedankengang, oder die Existenzialisierung sagt, wir müssen begreifen, dass uns damit gesagt wird, es gibt ein Leben, das in jedem Tode bestand hat.
Wenn wir sterben, sterben wir nicht in das Nichts und in den Tod hinein, sondern es gibt ein Leben oder eine Hand, die uns mitten im Sterben trägt. Auferstehung heißt, es gibt ein Leben, das stärker ist als der Tod.
Erst wenn wir das klar gemacht haben, dann haben wir die existenzielle Dimension von Auferstehung begriffen. Wir verlangen von niemand ein Credo des Unmöglichen, sondern das Wunder des Lebens und des Gehalten- und Getragen-Seins mitten im Tod, das ist die existenziale Interpretation der Auferstehung.
Und so, sagt Bultmann, müssen wir jeden Begriff nachfolgen. Dasselbe übrigens wie Tillich an dieser Stelle.
Er sagte, jedes als einen Begriff nehmen. Auferstehung ist ein Symbol für das Leben mitten im Sterben. Das wäre die tillichsche Formulierung. Die bultmannsche ist existenzial interpretiert.

https://www.deutschlandfunk.de/das-religionsverstaendnis-von-rudolf-bultmann-100.html

. Das sind doch bloß Metaphern

Schau dir mal den Begriff Mythos und Entmytholosierung an:

https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/wibilex/neues-testament/entmythologisierung-nt

Und nein, man kann Theologe sein und nix von Bultmann halten.

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Pfefferprinz  05.01.2024, 22:53
@paprikaw22

Ja sicher spricht die Bibel viel in Bildern. Über das Ostergeschehen gab es von Anfang an viele Zweifel, was du übrigens auch gut im NT nachlesen kannst. Es ist also keine Schande, wenn jemand nicht so recht daran glauben mag. Es hat aber auch seine Berechtigung, wenn jemand felsenfest davon überzeugt ist, und das hat nichts mit Naivität zu tun. Es geht m. M. nach aber gar nicht, wenn der Prediger von der Kanzel verkündet, daß die Auferstehung gar nicht stattgefunden haben kann. Da wird der Zweifler nicht ernst genommen und der Überzeugte wird vor den Kopf gestoßen.

Dass gewisse Dinge in der Bibel offenbar bloß Metaphern sind, macht sie ja nicht weniger wert.

... und auch nicht weniger wahr. Das ist der springende Punkt. Und das verstehen militante Atheisten nicht. Aber bei christlichen Fundamentalisten ist es nicht anders. Die gehen davon aus, daß alles tatsächlich so wortwörtlich passiert sein muß, sonst wäre die Bibel nicht wahr.

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UW1969  06.01.2024, 10:29
@Mayahuel
@uw1969 muss jetzt wieder ein Schnäpschen trinken

Ein Schnäpschen?

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Lieber paprikaw22,

wie recht Du hast, wie recht Du hast, wenn Du schreibst: »Das sind doch bloß Metaphern – oder etwa nicht? Mir erscheint ein derartiger Gottesglaube als reichlich naiv, aber dennoch sehr, sehr weit verbreitet.« Und zwar hast Du mit beiden recht: mit Deiner Identifizierung zahlreicher biblischer Perikopen sowohl des Alten als auch des Neuen Testaments und genauso mit Deiner Einschätzung von der weiten Verbreitung eines, sagen wir mal zumindest: »buchstabengetreuen geistigen Gehorsams«.

Natürlich sind es Metaphern, und zwar natürlich religiöse Metaphern ‒ und die Bibel ist voll von ihnen: der brennende Dornbusch (Ex 3), der Durchzug des Volkes Israel durch das Rote Meer (Ex 14), das Bild von der Jungfrauengeburt (Jes; Mt || Lk), der reiche Fischzug (Lk 5), die Erzählungen von der Brotvermehrung, der Seewandel Petri, und, ja, natürlich, selbstverständlich ist auch der zentrale Inhalt, immerhin also der Kern des christlichen Glaubens, die Auferstehung, ein religiöses Bild. Die, die es damals schrieben, wussten das; wussten, dass sie kein Geschichtsbuch erstellen. Wir Heutigen aber wissen es in aller Regel nicht mehr. Uns ist das Bewusstsein für die reiche Bilderwelt der Religion und unserer eigenen Psyche im Laufe der Jahrhunderte abhandenkommen, und zwar gründlich abhandengekommen. Übriggeblieben ist eine religiöse Hilflosigkeit, die in aller Regel kaum noch eine andere Wahl lässt, als das Geschriebene wortwörtlich zu nehmen und als unverstelltes »Gottes Wort« zu deklarieren, das keiner Interpretation bedarf: ein Vorgehen, das im Normalfall nur zwei Resultate ermöglicht: Es führt entweder in einen haarsträubenden, nicht selten regelrecht atemberaubenden Aberglauben oder direkt in den Atheismus ‒ eine fundamentale Problematik übrigens, von der nicht nur die studierten und dozierenden Theologen betroffen sind, sondern eben auch die weitesten Teile der »gläubigen« Bevölkerung. Immerhin wacht die mittlerweile auf und meldet ob dieses seelenlosen Geredes, das aus solchen Haltungen nahezu zwangsläufig erwächst, immer nachhaltiger Protest an.

Wenn in unseren Tagen denn auch nur irgendetwas von einem Vertrauen in Gott noch gerettet werden soll, das den Menschen tief genug erfasst und ihm wirklich zu leben hilft ‒ ihn tröstet, ermutigt, befreit und kräftigt ‒, dann müssen wir die Metaphern als Metaphern wiederentdecken und zurückgewinnen. Denn sie stehen regelmäßig an jenen Stellen im Buch der Bücher, an denen religiös etwas wirklich Entscheidendes für das menschliche Leben und für das Verhältnis zwischen Gott und Mensch zu sagen ist.

Solltest Du irgendwann Lust verspüren, der Metaphernwelt der Bibel mal fundiert auf die Schliche zu kommen, dann am besten mit Hilfe der »Kunde von der Seele des Menschen«:

Eugen Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese (2 Bde.)

Band 1: Die Wahrheit der Formen: Traum, Mythos, Märchen, Sagen und Legenden

Band 2: Die Wahrheit der Werke und der Worte: Wunder, Visionen, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis

Beide Bände sind im Netz antiquarisch noch immer leicht und für kleines Geld zu bekommen, und beide Bände sind auch eher umfangreich. Aber erstens kannst Du beim Lesen die Fußnoten erstmal weglassen, und zweitens kannst Du aufgrund des jeweils gut differenzierten Inhaltsverzeichnisses zielstrebig die Themen ansteuern, die Dich interessieren. Das entschlackt spürbar, verschlankt die Gedankengänge bisweilen angenehm.

Bonne lecture! Achim

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Theologiestudium
Glauben studierte Theologen [...] an einen "Gott"?

Für gewöhnlich schon.

Gottesbild, welches man in einem Theologiestudium vermittelt bekommt

Auf einer Universität gibt es nicht die eine Theologie, sondern viele Vorstellungen werden historisch-kritisch bewertet und beschrieben.

paprikaw22 
Fragesteller
 05.01.2024, 20:49

Vorstellungen historisch-kritisch zu bewerten ist ja Wissenschaft. Was hat das mit Glaube zu tun bzw. wo unterscheidet sich das von einem Historiker?

Darf ich als Atheist fragen, wie man sich einen "Gott" konkret vorstellt?

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Mayahuel  05.01.2024, 21:07
@paprikaw22
ist ja Wissenschaft.

Und das sollte Theologie auf einer Universität auch sein.

Was hat das mit Glaube zu tun

Damit kann sich zB die Auslegung der Bibel ändern.

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Wir glauben an Gott.

Gott ist Person.

Ethik kann dann aus diesem Glauben folgen.

paprikaw22 
Fragesteller
 05.01.2024, 20:25

Wer "wir" ?

Definiere "Person".

Man kann nicht über etwas reden, dessen Wesen wir nicht erahnen können und unser Denkvermögen sprengt. Man kann doch etisch handeln, ohne an einen "persönlichen Gott" zu glauben bzw. diesen voraussetzen zu wollen.

Kann es nicht umgekehrt sein, dass der Gottesbegriff aus einer ethischen Grundhaltung heraus entstanden ist?

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anonymos987654  05.01.2024, 20:36
@paprikaw22

"Man kann nicht über etwas reden"

Du ja anscheinend schon.

Ich rede nicht so viel "über", sondern meistens "mit" Gott.

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paprikaw22 
Fragesteller
 05.01.2024, 20:36
@anonymos987654

ich respektiere deinen Glauben, halte das für mich aber ehrlich gesagt naiv.

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